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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Schnütgen, Alexander: Spätgothische Stickerei der vom Strahlenkranze umgebenen Himmelskönigin
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0156

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Abhandlungen.

s

' Spätgothische Stickerei
der vom Strahlenkranze um-
gebenen Himmelskünigfin.

Mit Lichtdruck (Tafel VIII).

TWi^Mln dem nebenstehenden Lichtdruck
erscheint eine dem germanischen
Nationalmuseum in Nürnberg ge-
hörige Stickerei, welche 52 cm hoch,
36 cm breit gegen Ende desXV.Jahrh.
wahrscheinlich in Mitteldeutschland
entstanden, ursprünglich vielleicht
für ein Altarantependium bestimmt
war. Derselben liegt eine vortreff-
liche Zeichnung zu Grunde, welche
die schlank und der sie umhüllenden
Mandorla. wegen sehr gerade ge-
haltene Figur mit der Krone auf
dem Haupte, dem Jesukinde auf
dem linken Arme, dem Szepter in
der Rechten und den Füfsen auf
der Mondsichel darstellt, sie selber
mit dem Ausdrucke demuthsvoller Hoheit, das
ganz unbekleidete Kind in lebhafter Haltung
und mit zärtlicher Geberde. Dieser in jeder
Hinsicht nachahmenswerthen Zeichnung hat die
Stickerei durch ebenso richtig gewählte wie
sauber und sorgsam ausgeführte Technik noch
zu besonderer Wirkung verholfen und die etwas
derbe Manier ist der Gröfse der Zeichnung
durchaus angemessen. Im Plattstich sind die
Karnationstheile ausgeführt, im Bilderstich das
Untergewand und das Futter des Mantels, der
aus nebeneinandergelegten Goldfäden gebildet
ist. Diese sind je zwei und zwei durch rothen
Ueberfangstich festgelegt und die je zwischen
denselben gelassene Lücke erhöht das Kräftige
der Wirkung, während die über das Ganze
gleichmäfsig durchgeführten starken Konturen
mit den sie begleitenden Lasurstichen dem sehr
bestimmt geordneten Faltenwurf sein Recht ver-
schaffen. Eine mit Silber dicht überstochene
starke Kordel umsäumt ringsum den Mantel,
dem je ein damit parallel laufender gedrehter
Gold- und Seidenfaden einen einfachen Borten-
abschlufs verleiht. In derselben Goldfäden-

technik sind die sehr elegant geschwungenen
Strahlen der Mandorla ausgeführt, deren je-
weilige untere Hälfte mit rothem, obere Hälfte
mit gelblichem Ueberfangstich behandelt ist.
Das lichtblaue Untergewand, bei welchem durch
harmonische Nebentöne die Licht- und Schatten-
wirkung vollkommen erreicht ist, wird durch
streifenförmig übergelegte Goldfäden so mafs-
voll wie bestimmt gegliedert und die Töne des
Mantelfutters bilden überall einen hinreichenden
Kontrast. Die krausigen, hellbraunen Haare
des Kindes sind durch Knötchenstich bewirkt,
sein Nimbus, wie der seiner Mutter, durch
schneckenförmig eingetragene Ueberfanglinien,
und bei der ebenfalls durch Gold- und Silber-
fäden gewonnenen Krone sollen die Ver-
knotungen auf den Bügeln Edelsteine andeuten
während die Mantelagraffe in einem wirklichen
Glasflusse bestanden hat, der in eine Goldfäden-
fassung eingebettet war. Das Szepter bildet
eine silberüberstochene, von einer stark re-
liefirten Goldlilie bekrönte Kordel. Der scharf-
geschnittene l'rofilkopf im Halbmond verdankt
seine jetzige dunkle Färbung den oxydirten
Silberfäden, welchen die gelblichen Ueberfang-
fäden eine starke Körnung verleihen.

Diese Vorlage dürfte sich am meisten als
Hauptbild einer Fahne eignen, und wenn sie
etwa in der doppelten Gröfse des Originals
auf einen gemusterten Brokat- oder Brokatell-
stoff übertragen würde, so genügt wohl schon
eine aus korrekten, grofsen Lettern gebildete
Inschriftborte, um sie, in Verbindung mit rings-
um geführten Fransen, als hinreichende Aus-
stattung einer solchen erscheinen zu lassen,
deren Rückseite etwa durch zwei Streifen ver-
ziert werden könnte mit applikativ gehaltenen
i Symbolen der Gottesmutter (Krone, Lilie, Rose
| etc.). Solche Fahnen, bei denen die dekorative
Wirkung zum guten Theil durch die Wahl des
gemusterten Grundstoffes erreicht wird, ent-
; sprechen den mittelalterlichen, leider zumeist
I nur abbildlich erhaltenen Vorbildern, und er-
| reichen vollkommen ihren Zweck, ohne an die
Erfindungsgabe und Ausdauer der Stickerin allzu
hohe Anforderungen zu stellen. Scholligen.
 
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