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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Braun, Joseph: Roermonder Häuser des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0181

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305

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 10.

:;ii(i

Man wird es nicht hindern können, dafs
auch fernerhin noch weitere der alten Häuser
sei es in Folge wirklichen oder eingebildeten
Bedürfnisses, der Nothwendigkeit oder des Ein-
flusses der Tagesmode verschwinden, und man
braucht, so bedauerlich das in gewissem Sinne
ist, doch die Sache nicht allzu tragisch zu nehmen.
Jedenfalls ist solches dann nicht nöthig, wenn
durch Abbildungen und seien es auch nur
Skizzen — die Erinnerung an die dem Ver-
derben geweihten bürgerlichen Bauten erhalten
bleibt. Darauf sollte man allerdings Bedacht
nehmen und es darum nicht unterlassen, vor
Abbruch eines alten, architectonisch irgendwie
merkwürdigen Hauses eine Aufnahme von dem-
selben auf die eine oder andere Weise zu
machen und selbige zu bewahren. Das sollte
man selbst in dem Falle nicht vergessen, wo
das Bauwerk an sich nicht von sonderlicher
Bedeutung ist. Denn was für sich allein be-
trachtet vielleicht nur geringe Beachtung ver-
dient, gewinnt an Werth, sobald es zu anderm
in Beziehung gebracht wird. Es gilt von
Schöpfungen der Architektur genau dasselbe,
was von manchen an sich unbedeutenden
Gegenständen eines Museums gilt: sie werden
etwas in der Verbindung mit andern und im
Rahmen des Ganzen. Es ist aber hier um
so wichtiger, alle Reste früheren baulichen
Schaffens wenn nicht in Wirklichkeit, so doch
im Bilde zu erhalten, als ohnehin unsere Kennt-
nifs der bürgerlichen Bauten vergangener Jahr-
hunderte in Folge des fast völligen Verschwin-
dens derselben wenigstens, was lokale Bau-
gepflogenheiten und Traditionen anlangt, eine
beschränkte ist. Man vergesse nicht, dafs viele
Städte kaum ein einziges dieser alten Häuser
mehr aufzuweisen haben.

Dafs in der That die örtlichen Anschau-
ungen, die Lebensgewohnheiten und das zähe
Festhalten am Althergebrachten ehedem einen
grofsen Einflufs auf die Ausgestaltung der
Bürgerhäuser hatte, kann demjenigen, der mit
einiger Aufmerksamkeit die alten Ueberbleibsel
betrachtet und Bau mit Bau vergleicht,
nicht verborgen bleiben. Derselben Zeit ent-
stammend und, was den Stil anlangt, gemein-
samem Boden erwachsend, offenbaren die Erzeug-
nisse des Baufleifses früherer Tage in den
verschiedenen Städten je ihre eigenthümlichen
Merkmale, das Siegel ihres Ursprungs, die bald
im Aufbau, bald in der Theilung der Flächen,

bald in Ausbauten, bald in der Gestaltung der
Einzelheiten oder Verwendung des Ornaments
und ähnlichem an's Licht treten. Zu der Ver-
wandtschaft, die zwischen den gleichzeitigen
Bauten überhaupt besteht, tritt, weil und so
lange die Kunst eine Volkskunst war, eine
nähere durch die besondern Ueberlieferungen
und Sitten bedingte.

Wollten wir Beispiele dafür anführen, so
könnten wir auf Brügge, das eine Anzahl der
interessantesten Bauten des XIV., XV. und
XVI. Jahrh. in die Gegenwart hineingerettet hat,
auf Oxford und Cambridge mit ihren charak-
teristischen Kollegien, auf Rouen und Beauvais,
wo wir im Laufe des letzten Sommers nicht wenige
Bauten der späten Gothik und des Uebergangs
zur Renaissance gewahrten, und unter andern
Orten in unserm Vaterlande etwa auf Münster
und Trier hinweisen. Wir sehen indessen da-
von ab, da wir uns mit einigen Bauten Roer-
monds des näheren beschäftigen wollen, die,
dem XVI. Jahrh. entstammend, als Beleg für
den Einflufs der örtlichen Traditionen auf die
Gestaltung der Bürgerhäuser dienen können
und bemerken nur noch, dafs nach unsern
Wahrnehmungen selbst in kleinen Orten eine
solche Einwirkung sich geltend machte. So
sahen wir jüngst in einem Städtchen West-
phalens mehrere alte Wohnhäuser von ein-
fachen und unbedeutenden Verhältnissen, aber
durchaus charakteristischem Gepräge, unzweifel-
haft die letzten Ueberbleibsel einer örtlichen
Bautenfamilie etwa des XVI. Jahrhunderts.

Vor etlichen Jahren belief sich die Zahl
der Wohnhäuser Roermonds, die hier in Frage
kommen, noch auf sechs. Inzwischen ist die-
selbe in Folge des Abbruchs bezw. Umbaues
zweier jener Bauten auf vier herabgesunken,
und es steht zu befürchten, dafs von dem Rest
über kurz oder lang noch das eine oder andere
dem Schicksal seiner Genossen verfallen wird.

Von den beiden nunmehr verschwundenen
Häusern ist eines unter A wiedergegeben. Die
Zeichnung ist nach einer Skizze angefertigt,
die ein Freund der Schöpfungen alter Zeit
kurz vor dem Abbruch jener Bauten angefertigt
und freundlichst zur Verfügung gestellt hatte.

Die Front jenes Hauses bestand aus Erd-
geschofs, drei Stockwerken und Giebel
Nur die obern Geschosse gehörten mitsammt
dem Giebel der ursprünglichen Anlage an.
Das Erdgeschofs aber war nebst dem ersten
 
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