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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Braun, Joseph: Alte Passions- und Glorifikationstafeln in der St. Mathiaskirche bei Trier
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0195

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329

1896.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

330

theilung der Bilder auf die Flügel ist wohl der-
art zu denken, dafs Auffahrt und Gericht ihre
Bekrönung bildeten und darunter auf der einen
Seite Einzug, Tempelreinigung, Geifselung und
Dornenkrönung, auf der anderen Begräbnifs,
Höllenfahrt, Maria Magdalena und Thomas an-
gebracht waren. Die Zehnzahl der vorhandenen
Darstellungen möchte allerdings für die An-
nahme sprechen, als hätten die Tafeln einst
lediglich die überhöhten Flügel gebildet. Allein,
weil in diesem Falle die Dornenkrönung und
Händewaschung ungewöhnlicherweise über die
Kreuzigung, die Abnahme und das Begräbnifs
hinüber auf den rechten Flügel zu den dem
Erlösungstode folgenden Geheimnissen zu stehen
kämen, scheint eine solche Meinung minder
begründet. Darauf aber, dafs das ehemalige
Mittelstück des Altares nicht aus einer einzigen
Tafel, sondern aus mehreren gesonderten Grup-
pen bestand, dürfte die Anzahl der Tafeln hin-
weisen, welche die vor dem Kreuzestode sich
abspielenden Geheimnisse darstellen.8) In der
Predella, die dem alten Altar schwerlich gefehlt
haben wird, mögen die Abendmahlsszenen und
in der Mitte etwa die Reliquie des hl. Kreuzes
Platz gefunden haben. Eine Analogie zu einer
solchen Einrichtung bietet der Untersatz des
Schleswiger Schreines.

s) Eine Schwierigkeit gegen die im Text geäufserte
Ansicht möchte sich vielleicht aus dem Umstand er-
geben, dafs bei der dort vorgeschlagenen Anordnung in
den Schrein Reliefs von verhältnifsmäfsig nur geringer
Höhe zu stehen kämen. Derartiges Bildwerk im Mittel-
theil ist allerdings selten (Triptychon mit der An-
betung der hl. drei Weisen im Museum zu Berlin,
Passionsaltar zu Meldorf, Altaraufsatz mit Szenen aus
dem Leben des Heilandes im Dom zu Krakau). Wenn
wir aber auch nicht die angegebene Schwierigkeit
verkennen, so scheint uns doch angesichts der späten
Entstehung der Tafeln die Verwendung eines Reliefs,
wie sie es bieten, im Schreine selbst wahrscheinlicher,
als eine der gewöhnlichen Anordnung und der Folge
der Ereignisse zuwiderlaufende Vertheilung der Dar-
stellungen auf die Flügel allein. Uebrigens soll die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dafs einst
den Mitteltheil des Aufsatzes nur Statuen füllten.
Schreine der Art kommen in späterer Zeit im Norden
wie im Süden vor und sind in Suddeutschland nament-
lich sehr beliebt gewesen. Hier sei nur auf den herr-
lichen Hochaltar von St. Jakob in Rothenburg hin-
gewiesen, dessen Mitlelstück eine grofse Kreuzigungs-
gruppe und vier entsprechende Heiligenstatuen auf
Konsolen und unter Baldachinen füllen. In diesem
Falle wäre eine Zuweisung der Tafeln lediglich an
die Flüge] nicht zu beanstanden.

Ueber die Ausbildung und Verzierung des
Gehäuses des alten Altares von St. Mathias, die
Gestaltung der Umrahmung, den oberen Ab-
schlufs der Nischen, einen etwaigen Schrein-
aufsatz und ähnliches müssen wir uns jeden Ur-
theils enthalten, da es für ein solches an ge-
nügenden Anhaltspunkten fehlt. Und doch wäre
es nicht blos interessant, sondern auch sehr
nützlich, zu wissen, nicht blos, wie die Bilder
im Schrein einst vertheilt waren, sondern auch,
wie dieser selbst ehedem beschaffen war. Man
geht nämlich mit dem Gedanken um, die alten
Kunstwerke wieder zur Anfertigung eines Hoch-
altares zu benutzen, wie er sich für die alt-
ehrwürdige, imposante Kirche geziemt.

Das Nächste wird übrigens jedenfalls sein
müssen, dieTafeln, die zumTheil stark durch den
Wurmfrafs gelitten haben, mit aller Pietät, aber
auch recht gründlich zu restauriren. Man möge
jedoch dabei nicht stehen bleiben; denn die
Tafeln sind es sicher werth, aus ihrer Ver-
borgenheit ans Licht gezogen zu werden. Eine
Schwierigkeit bei ihrer Verwendung zur Her-
stellung eines Hochaltars bietet allerdings die
nothwendige Errichtung eines Tabernakels mit
Expositionsthron. Zu ihrer Lösung hat man in
anderen Fällen, sowohl wenn ein alter Schrein
mit Expositionsvorrichtung zu versehen war,
als auch bei neuen Altären den niedrig ge-
haltenen Tabernakel vor den Aufsatz gestellt,
nicht immer in glücklicher Weise. Vielleicht
empfiehlt es sich bezüglich des geplanten Altars
von St. Mathias, den mittleren Theil des Schreines
thurmähnlich nach Art der Sakramentshäuschen
aufzubauen und ihn mit Seitenstücken zu ver-
sehen. Oberhalb der Expositionsnische wäre
dann unter einem Baldachin eine Kreuzigungs-
gruppe anzubringen, während die Seitentheile
mit Szenen des Passionscyklus auszufüllen wären.4)
Exaeten. J. Braun S. J.

4) [Die enormen Dimensionen, welche die Tafeln
einem Flitgelaltare auferlegt hätten, dürften doch zu
Zweifeln Veranlassung geben, ob sie ursprünglich für
einen solchen bestimmt waren, in welchem Falle den
Rückseiten auch wohl Malereien nicht vorenthalten
geblieben wären. Könnte aus den (doch wohl ur-
sprünglichen) Umrissen der Tafeln nicht vielmehr die
Vermuthung sich ergeben, dafs sie zu einer Wand-
täfelung sich zusammengesetzt haben, etwa für das
Chorgestühl? In dieses hat bekanntlich die Renaissance
ganz flache Reliefs als Schmuck der Rückwände ein-
geführt.] D. H.
 
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