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Zeitschrift für christliche Kunst — 9.1896

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Menken, August: Die neue frühgothische St. Josephskirche in Essen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3831#0217

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871

1896. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

372

Bauplatz ist nämlich durch Bergbau unter-
wühlt, so dafs die Errichtung eines Baues wie
eine Kirche, bei der schwere Lasten auf ein-
zelne Stützen sich konzentriren, immerhin sehr
gefährlich erscheint. Nun ist man aber in
Essen an Bodensenkungen und in Folge dessen
an Risse in den Gebäulichkeiten so sehr ge-
wohnt, dafs man dieselben nicht viel mehr be-
achtet, geschweige denn fürchtet; man verankert
die Gebäude in hergebrachter Weise und ist zu-
frieden, wenn die Risse nicht gar zu grofs werden.
So war man dort denn auch der Ansicht, bei
einer etwas stärkeren Verankerung würde auf
dem Terrain schon eine Kirche halten.

Nachdem dann die so oft bei neubauenden
Gemeinden bestehende Vorliebe, ihr Gottes-
haus im romanischen Stile zu errichten, be-
seitigt war, wurde der Unterzeichnete beauftragt,
eine Kirche im gothischen Stile zu erbauen.

Bei den geringen Mitteln, welche zum Baue
zur Verfügung standen, wurde nicht der sonst
am Rheine gegenwärtig zumeist beliebte hoch-
gothische Stil des XIV. Jahrh. gewählt, der
sich durch komplizirteres Maafswerk mit Häu-
fung sogenannter Nasen, tief unterschnittenen
Profilen aller architektonischen Gliederungen,
starker Bewegung des gesammten Laubwerks,
Auflösung der Massen und vor Allem durch
schlankes Verhältnifs aller Theile charakterisirt,
wie er uns an dem Schiffe und den Thürmen
des Kölner Domes, der Werner-Kapelle zu
Bacharach, den Domen zu Halberstadt, Metz,
Mecheln, Regensburg, der Katharinenkirche zu
Oppenheim und anderen Bauten dieser Zeit
entgegentritt, sondern es wurde dem Stile der
beiden mittleren Viertel des XIII. Jahrh., also
dem Stile der Zeit 1225 bis 1275') für den
vorliegenden Fall der Vorzug gegeben, welcher
als der eigentlich frühgothische Stil von den
Architekten bezeichnet zu werden pflegt.

Diese erste Periode deutsch-gothischer Bau-
kunst zeichnet sich durch Einfachheit des
('tanzen aus, die Massen kommen in demselben
noch mehr zur Wirkung wie im Stile des
XIV. Jahrh. Das Einzelne ist streng, oft pri-
mitiv gestaltet. Am meisten tritt die strenge
Durchführung in der Ornamentik zu Tage, da
das Laubwerk dem natürlichen getreu nachge-

l) Eine derartige Zeitbestimmung kann nur im
Allgemeinen gelten, da manche Werke in der Ent-
wickelung voraus waren, andere noch an der älteren
Formensprache zäher festhielten.

bildet ist. Zu den Schöpfungen dieser ersten
Periode edelster Kunst gehören unter andern
der Chor des Domes, sowie die Minoriten-
kirche zu Köln, die Kirche zu Altenberg, die
Liebfrauenkirche in Trier, die Elisabethkirche
in Marburg, die Kirchen zu Heina, Wetter,
Treysa, der berühmte Westchor des Domes zu
Naumburg, die Schiffe des Münsters in Strafs-
burg und in Freiburg i. Br. u. a. m.

Es bedarf nicht weiter des Nachweises, dafs
dieser frühgothische Stil mit seiner jugend-
lichen Ursprünglichkeit, seiner Strenge, ein-
fachen Formengebung und verhältnifsmäfsigen
Massenhaftigkeit des Ganzen dem Steinmetz
nicht so viele Mühe bereitet und daher wohl-
feiler ist, wie jeder andere gothische Stil, daher
er denn auch für den vorliegenden Zweck, wo
es Aufgabe des Architekten war, möglichst zu
sparen, allein in Betracht kommen konnte.

Der Bauplatz, an der Ecke der Jäger- und
Ottilienstrafse gelegen, wies auf eine seitliche
Stellung des Thurmes an besagter Ecke hin.
(Abb. 1.) Ein kapellenartiger Ausbau am Thurm
eignete sich vorzüglich zu einer Taufkapelle
und gestattete eine ausgiebigere Verwendung
des Bauplatzes. Die Sakristei mit Paramenten-
kammer, der Vorhalle und anschliefsendem Ab-
ort, wurde auf die Südseite des an Ost- und
Südseite vom Nachbar begrenzten Bauplatzes
gelegt. Dadurch war die Stellung der Kanzel
an der Epistelseite gegeben. Die geringe Länge
des Bauplatzes gestattete leider nicht eine
gröfsere Entwickelung des Chores, wodurch
dasselbe, mehr losgelöst von den Seitenchören,
auch äufserlich sich günstiger gestaltet hätte.
Die Folge hiervon war die Hinausschiebung
der Kommunionbank in das Mittelschiff, damit
das Presbyterium nicht gar zu klein wurde. Die
vier Beichtstühle fanden wohl kaum irgendwo
besseren Platz, wie in den niedrigen Querschiffen.

Der Haupteingang befindet sich an der
Jägerstrafse, aufserdem ist noch je ein Neben-
eingang zum südlichen Seitenschiff und zur
Orgelempore nach der Jägerstrafse und sind
zwei Nebeneingänge nach der Ottilienstrafse
angeordnet. Von letzteren Nebeneingängen ist
der östliche für die Kinder bestimmt und mit
einer kleinen, auf dem Schaubilde (Abb. 5)
sichtbaren Vorhalle versehen. Diese zahlreichen
Ausgänge gestatten eine schnelle Entleerung der
Kirche, so dafs selbst beim Ausbrechen einer
Panik ein Unfall kaum zu befürchten ist.
 
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