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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Weizsäcker, Heinrich: Der Meister von Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0019

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1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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sitz der Pinakothek übergegangen ist. Zeit-
lich dürfte die hier obwaltende Beziehung zu
Köln später anzunehmen sein, als jene zu
Frankfurt, denn die Komposition des aus Köln
herrührenden Bildes zeigt in der Anordnung
des vom Kreuze abgenommenen Leichnams
mit den umgebenden heiligen Personen eine
so weitgehende Abhängigkeit von dem berühm-
ten Altarwerk, das Meister Quinten zwischen
1508 und 1511 für die Antwerpener Liebfrauen-
kirche schuf, dafs seine Ausführung vor diesem
Termin kaum denkbar scheint. Zur geschicht-
lichen Würdigung seines Urhebers hat, wie
schon angedeutet, dieses Bild nächst den Frank-
furter Tafeln das Meiste beizutragen. Vor
Allem die Ortsnachbarschaft, in der es in Köln
mit den für zwei andere Kirchen dieser Stadt
gelieferten Hauptwerken eines zweiten Ant-
werpeners, des sogenannten Meisters vom Tode
Mariae, erscheint, sichert ihm hier seine eigen-
artige Bedeutung. Eine gewisse Kamerad-
schaft der Schule ist ja ohnehin schon mehr-
fach zwischen beiden Künstlern bemerkt worden.
Wenn man jedoch bisher gewohnt war, sich
beide nebeneinander als parallele Erscheinungen
zu vergegenwärtigen, so wird sich ihr Verhält-
nis jetzt auf Grund der für den Beginn der
künstlerischen Laufbahn des „Frankfurters"
neu gewonnenen Daten doch wesentlich anders
darstellen.

Die erste Version der bekannten Dar-
stellung des Sterbebettes der Maria, die früheste
datirte Arbeit des nach ihr benannten Künst-
lers, in welchem neuerdings mit gutem Grunde
der ältere Joos van Cleve vermuthet wird,
rührt aus dem Jahre 1515 her. Hier erscheint
der Autor zwar als ein fertiger Künstler, aber
noch steht er im Beginn der Meisterjahre, in
die der Andere schon um die Wende des
Jahrhunderts eingetreten zu sein scheint. Ab-
hängig sind sie beide in ihren Anfängen von
Quinten Massys, aber jener als ein wesentlich
jüngerer, dieser als ein, mit Quinten nahezu
gleichalteriger Künstler. Erwägt man den Ein-
fluß, den die Antwerpener Schule als solche
in den ersten Jahrzehnten des XVI. Jahrh.
auf die Entfaltung neuer künstlerischer Strebuh-
gen in Köln durch eben jenen Joos van Cleve
ausgeübt hat, so käme man wohl in Versuchung,
sich vor oder neben ihm unseren älteren Künst-
ler in die Rolle eines Vorläufers oder auch

Wegbereiters hineinzudenken, erschiene nicht
dessen Auftreten in Köln doch zu sehr ver-
einzelt und würde er nicht überhaupt an Be-
deutung gar zu weit durch den jüngeren
Rivalen überflügelt. Dennoch darf in einem
Gesammtbilde der Kölner Schule neben dem
Meister vom Tode Maria der ältere Stammes-
genosse nicht übersehen werden, und in einer
Reihenfolge von Nachbildungen altkölnischer
Malerwerke, wie sie diese Blätter mit der Zeit
zur Anschauung bringen wollen, konnte der
Name des „Meisters von Frankfurt" nicht ent-
behrt werden. Die Werke unseres Künstlers
hat Ernst Förster früher einmal als „Weg-
spuren der weiterschreitenden Kunst" bezeich-
net. Damit ist ihnen gewifs nicht zu viel Lob
gespendet; aber sollten sie auch nur Spuren
einer fortschreitenden Entwicklung zu ver-
gleichen sein, so deuten sie doch eben damit
eine für die Rheinlande überaus wichtige künst-
lerische Bewegung an: es ist dieselbe, deren
weiterem Verlaufe Köln die bekannten Meister-
werke von St. Maria in Lyskirchen und St. Maria
im Capitol zu verdanken gehabt hat.

Frankfurt a. M. Heinrich Weizsäcker.

[Dafs die beiden letztgenannten Gemälde aus dem
Jahre circa 1520 bezw. 1524 von ihren kölnischen Stif-
tern Nicasius Hackeney, bezw. Johann Schmitgen direkt
in Antwerpen bestellt waren, ist mehr als wahrschein-
lich. Der Ruf der Antwerpener Schule hatte bereits
seit dem Anfang des XVI. Jahrh. weite Verbreitung
gefunden und die vielfachen Handelsbeziehungen der
Kölner Patrizier mit Antwerpen erleichterte den Ver-
kehr mit den dortigen Künstlern. Diese bezogen so-
gar später (von 1546 an) mit ihren Gemälden den
Kölner Markt, wie sich aus den Kölner Rathsverhand-
lungen ergibt (gemäfs Mittheilung Merlo's in den
»Annalen des historischen Vereins für den Nieder-
rhein« Bd. IX, S. 41). Im Umgang des Minoriten-
klosters hatten sie zur Zeit der freien Kölner Messe
ihren Stand auf Grund der ihnen von den beiden
damals regierenden Bürgermeistern Arnold van Brou-
willer und Peter van Heimbach ertheilten Erlaubnifs,
und als die Kölner Malerzunft sich darüber beim Senat
beschwerte und dieser den Bürgermeistern zustimmte,
ging sie sogar zu Gewaltthätigkeiten über. Direkte
Bestellungen von Seiten Kölner Stifter bei Antwerpener
Malern können also nicht befremden, und es wird
öfter vorgekommen sein, was durch mehrere Beispiele
im Wallraf-Richarlz-Museum erwiesen wird, nament-
lich durch die Tafel des Martin van Heemskerk (f zu
Haarlem 1. Okt. 1574) St. Nikolaus und Sta. Margaretha
mit den Stifterbildnissen kölnischer Patrizier aus der
Schule B. Bruyn's, dafs zu den Heiligendarstellungen
der niederländischen Meister die Kölner Maler nur die
Donatorenfiguren hinzufügten.] D. H.
 
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