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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Schnütgen, Alexander: Spätgothische seidenbestickte Leinenborte
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0020

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17

1807. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

18

Spätgothische seiden-

Mit Ab-

[ie hier abgebildete, dem
germanischen National-
museum in Nürnberg

I gehörige Stickerei, 53l/2
cm lang, 7l/2 im breit, besteht in
einem graziös geführten Ranken-
zug, dessen einzelne Windungen
je eine phantastische Blume oder
Blättergruppe umschliefsen. Die
ganze buntfarbige Seidenstickerei
ist im haute-lisse-Stich, einer Art
von Kettenstich, ausgeführt, die
Blätter und Blumen aber zum Theil
im Lasurstich, insofern dieselben
aus dicht nebeneinandergelegten,
an den Rändern umgebogenen
Goldfäden gebildet sind, gelblichen
Seidenfäden, die mit metallischen
Goldlamellen umwickelt sind. Diese
sind mit weifslichen, schwärzlichen,
blauen Seidenfäden im Ueberfang-
stich derart übersponnen, dafs die
betreffenden Blätter und Blüthen im
Glänze goldener Lichter schimmern
und in Verbindung mit den ganz
in Farben: in Roth, Grün, Blau,
Gelb, Weifs gehaltenen Parthien
eine überaus vornehme, bezaubernde
Wirkung ausüben. Hierzu trägt
auch noch die Zeichnung, wie die
blau- und gelbgrüne Färbung der
sie umrahmenden Rankenzüge bei,
die in ihren eleganten Verschlin-
gungen und wechselvollen Motiven
das Muster beherrschen, ohne die
Wirkung der einzelnen Blumen zu
beeinträchtigen, die trotz ihrer Ver-
schiedenheit sich vortrefflich er-
gänzen. Auffallend ist bei dieser
vornehmen Stickerei, dafs der ein-
fache weifsliche Leinengrund be-
lassen ist, dessen feine Körnung
um so wohlthuender berührt, als
der dünne schwarze Kontur, der die
Zeichnung überall umgibt, sie von
dem lichten Grunde auf's bestimm-
teste abhebt. In der spätgothischen
Periode scheint diese mustergültige
Borte am Niederrhein oder in Plan-

t

bestickte Leinenborte.

bildung.

dem von sehr geübter Hand aus-
geführt zu sein, und wenn die
schimmernde Lasurtechnik einer
Stickerin zu schwierig vorkommt,
so mag sie dieselbe durch den
Kettenstich ersetzen. Nichts möge
aber geändert werden an der ganzen
Linienführung, deren korrekte Stili-
sirung dem Ganzen seinen eigent-
lichen Werth verleiht mit der
schönen harmonischen Abwechse-
lung von Grund und Füllung. Wie
oft wird der eine wie der andere
Vorzug vermifst in den zahllosen
gothisirenden Ranken Stickereien,
welche als ein vielgeplagtes Motiv
die modernen Stäbe, Stolen u. s. w.
verzieren, vielmehr verunstalten.
— Wozu diese Borte ursprünglich
gedient hat, ist mit Sicherheit nicht
zu bestimmen. Ihr Leinenfond legt
die Vermuthung nahe, dafs sie auch
für die Verzierung von Leinenzeug
verwendet werden sollte, und wenn
sie nicht ein aufsteigendes Muster
zeigte, so würde der Schlufs nahe
liegen, sie habe eine Parura ge-
bildet, also das in der Regel frei-
lich etwas kürzere, aber breitere
Band, welches die Oberkante des
kSchultertuches, die Unteikante der
'Albe und die Handkante ihrer
Aermel im späteren Mittelalter zu
schmücken pflegte. Welche Sorg-
falt diesen Schmuckstücken zu
Theil wurde, beweisen manche in
den Kirchenschätzen erhaltenen
Exemplare, deren Fond vielfach
aus Sammet besteht, obwohl dafür
Leinen geeigneter erscheint. — Soll
das vorliegende Muster zur Aus-
stattung einer Dalmatik oder Stola
verwendet werden, so ist ein anderer
Grundstoff, etwa Seide zu wählen,
für den sich aber auch eine starke
Bindung empfiehlt, damit nicht zu
starke Wellung der Borte die zu
ihrer Wirkung erforderliche Kon-
sistenz vorenthalte. Schnutgen.
 
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