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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Denier, Anton: Der Schild von Seedorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0021

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19

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

20

Der Schild von Seedorf.

Mit Abbildung.

in einsam Dörfchen, kaum genannt,
kaum bekannt, liegt an der süd-
westlichsten Bucht des Vierwald-
stättersees — Seedorf. Ein stiller
Fleck Erde, selbst wenig bietend, doch in hoch-
romantischer Alpennatur dastehend. Die ganze
Thalsohle Uris wird ja von einem Kranze grofs-
artiger Berge umrahmt und dies herrliche Pano-
rama erschliefst sich gerade von Seedorf aus
dem Auge in seiner ganzen Pracht. Hoch über
ihm ragen die eisigen Gletscher und zu seinen
Püfsen plätschern und tosen, brausen und wogen
die Wellen des Sees ans schilfichte Ufer. Bietet
Seedorf an sich selbst wenig Anziehendes, so
tauchen doch aus fernen Zeiten einige histo-
rische Erinnerungen auf, welche die Mühe
lohnen, festgehalten zu werden. Einst war See-
dorf ein weit vorgeschobener Posten der Civili-
sation; heute ist es nur mehr das stille Heim
gottgeweihter Jungfrauen. Einst war es der er-
sehnte Ruhepunkt nach gefahrdrohender Schiff-
fahrt über den See, der Schlüssel zu Uris
wilden Thälern, ein Asyl für den ermüdeten
AVanderer, der Sicherheits-, Wacht- und Führer-
posten über das wilde Gotthardsgebirge nach
Italiens sonnigen Gefilden, das Fort im Felsen-
gebirge; heute lassen Bahn und Dampfer den
einsamen Ort links liegen. Einige ärmliche
Bauernfamilien fristen dort ein kümmerlich Da-
sein und fromme Töchter, die der Welt ab-
geschworen, beten dort als Weltvergessene auch
für die Gottvergessenen. Fast wie ein Märchen
aus alter Zeit steht in Seedorf noch ein Schlöfs-
chen da. Dem Untergange schien es geweiht;
da haben sich pietätvolle Männer seiner er-
barmt und aus Vergessenheit und Zerfall ist
das schöne Weiherschlofs wieder in alter Pracht
erstanden. A Pro, ein stolzer Condottiere in
fränkischem Dienst, hatte es um die Mitte des
XVI. Jahrh. erbaut. Ganz abgeschieden von
der Welt liegt's draufsen im sumpfigen Ried.
Noch stehen die Mauern rundum mit ihrem
Zinnenkranz und den Mordgängen. Ein breiter
Graben mit fliefsendem Wasser und einer Zug-
brücke verschlofs einem jeden unlieben Gast
den Zutritt zur Veste. Das Schlöfschen selbst ist
ein schmuckes Ding, mit Rittersaal und lauschi-
gen Gemächern, mit wundervollem Ausblick
auf den See, der zu Füfsen plätschert, mit

Erker und Thürmchen, alles noch ganz spät-
gothischen Charakter tragend. — Nicht weit
davon steht noch ein viel älterer Zeuge, be-
weisend, dafs Seedorf einst auch bessere Tage
erlebte. Es ist der Burgfried der Edlen von
Seedorf. Ein Geschlecht, das im XIII. Jahrh.
blühte und dann rasch erlosch. Epheu hat das
alte, zerfallene Gemäuer umsponnen. Selbst
die Sage hat zu leben aufgehört, die einst diese
Ruine umklungen.

Noch ein drittes Gebäude zieht unsere Auf-
merksamkeit auf sich. Noch blüht's in hellem
und doch stillem Glänze, aber auch von gar
alten Zeiten uns erzählend. Es ist das Nonnen-
kloster Seedorf. Diesem wollen wir einen Blick
weihen, um dann zu einem Denkmal alter Zeit
überzugehen, welches bis in neueste Zeit das
Kloster in seinen Räumen bewahrte. Jetzt ist
das Kloster das traute Heim weltabgeschlossener,
frommer Benediktinerinnen. Einst sah es hier
ganz anders aus: Wohl lebte da auch eine
Schaar gottgeweihter Damen nach der Regel
des hl. Augustin; Chorgebet und Pflege der
Kranken war ihre hohe Aufgabe. Doch das
Ganze gehörte einst dem Ritterorden des hl. Laza-
rus. Neben dem Nonnenkloster stand das feste
Haus der edlen Ritter. Nicht nur Chorgebet
stieg zum Himmel empor, sondern auch Schwert
und Lanze wurden da kräftig geschwungen,
Vorübungen für den heifsen Kampf im heiligen
Lande. Selbst in diesen fernen Thälern, mitten
in der hohen Gebirgswelt, hatte die Gluth der
ersten Kreuzzüge eine wundersame Blüthe er-
schlossen. In heiliger Begeisterung waren tapfere
Männer auch aus den Schweizerbergen mitge-
zogen zur Eroberung des hl. Landes. Dort
kamen sie in Berührung mit den Rittern des
hl. Lazarus. Sie waren hocherstaunt über deren
Muth und Tapferkeit. Immer voran trugen
die Lazariter im heifsen Kampfe die Fahne des
Kreuzes; auf den ersten und gefährlichsten
Posten wollten sie gestellt sein. Die Vorhut
bildeten sie beim Angriff; die Deckung war
ihre Aufgabe beim Rückzug. Todesmuthig
opferten sie ihr Blut und niemals sah man sie
fliehen. Daheim weihten sich die Lazariter
nicht weniger hingebungsvoll der Pflege der
ärmsten aller Armen — den Leprosen. Ist's
zu verwundern, wenn solchen Rittertugenden
 
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