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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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319

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 10.

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byzantinischer Kunstwerke. Nach der gründlichen
Erhärtung dieser Thesen durch den Verfasser dürfte
wohl die byzantinische Frage prinzipiell für immer er-
ledigt sein.

In weniger umstrittene und schon reichlich durch-
forschte Gebiete lenkt die Darstellung ein mit dem
14. Buch: in die Welt der romanischen und gothi-
schen Kunst. Von hier an ändert sich die Methode
des Verfassers; das Streben nach möglichst vollstän-
diger Sammlung und Verarbeitung des erhaltenen
Materials weicht jetzt dem Streben nach Betonung
des Wichtigsten und Beschränkung auf die Punkte
von weiltragender Bedeutung, namentlich soweit sie
noch controvers sind. In solcher Beschränkung zeigt
sich wirklich der Meister, der aus der Ueberfülle mit
sicherer Hand das Wichtigste herausgreift und in die
Diskussion der grofsen Fragen über den Charakter der
romanischen Kunst, über den Ursprung der Gothik
und ihr Wesen, über den Entwickelungsgang der
gothischen Skulptur mit erstaunlicher Kenntnifs der
Litteratur und feinstem eigenen Unheil eingreift. Aber
auch wo Altbekanntes abgehandelt werden mufs, ge-
schieht es immer in geistvoll origineller Form.

Ganz neuen Boden legt in mancher Hinsicht das
19. Buch über die Ikonographie und Symbolik
der mittel alterlichen Kunst, dem Umfang (gegen
'200 Seiten) und Gehalt nach der wichtigste Abschnitt
dieses Bandes. Am wichtigsten ist hier die Frage
nach den Quellen der mittelalterlichen Kunstvor.
Stellungen. Hatte Springer, dessen Verdienst um
Lösung dieser Frage warme Anerkennung findet, als
solche Quellen das Volksbewufstsein, die Predigt und
die kirchliche Poesie in Vordergrund gerückt, so sieht
auch Kraus die Volksphantasie als den Nährboden
der künstlerischen Darstellungen an, aber auf die
weitere Frage, wodurch dieser Mutterboden befruchtet
worden, antwortet er mit einer Unterscheidung zwischen
primären und sekundären Quellen; als erstere erweist
er die heilige Schrift mit den Apokryphen, die Liturgie,
den Katechismus, die christliche Antike, die vorchrist-
liche antike Sage und Geschichte, den Physiologus
und die Bestiarien, die germanische Mythologie, Volks-
überlieferungen und Volkssitten, Schauspiele, politische
Passionen und kirchenpolitische Vorgänge; als sekun-
däre : Legende, Predigt, Kirchenlied, überhaupt die
gesammte kirchliche und die allgemeine poetische
Litteratur. Alle diese Kategorien werden nun der
Reihe nach durchgesprochen, je unter Anführung der
aus ihnen geflossenen Kunstvorwürfe und Kunstwerke.
So reich die in diesem Abschnitt zusammengedrängte
Fülle interessanter Details und feiner Beobachtungen
ist — um nur die Ausführungen über die Kreuzes-
und Madonnendarstellungen und namentlich auch über
die mittelalterliche Symbolik zu nennen —, sein Haupt-
werk liegt darin, dafs er erstmals die Ikonographie
des Mittelalters auf festen Boden stellt, auf welchem
nun leicht weitergebaut werden kann, — eine schöne
Aufgabe für jüngere Kräfte.

Dafs in einem Buche mit so viel lausend Einzel-
daten und litterarischen Belegen sich manche kleine
Versehen finden, ist fast selbstverständlich. Wir wollen
es gröfseren Geistern überlassen, daraus ein besonderes
Wesen zu machen, und unsere Notamina lieber dem

Verfasser selbst einhändigen, zugleich mit dem Wunsche,
dafs das Jahr 1898 uns den Abschlufs des schönen
Werkes bringen möge.

Freibur^ '<■ Hr. Paul Keppler.

Der Kampf um die neue Kunst. Von Karl
N e u m a n n, Privatdozent der Geschichte und Kunst-
geschichte an der Universität Heidelberg. 2. Aufl.
Berlin, Walther (Bechly) lö97. 268 S. 8°.
Der ganze kulturhistorische Prozefs, in welchem
die moderne Kunst, speziell Malerei mit all ihren
Tüchtigkeiten und Schwächen sich herausbildete, das
Milieu (um einen Lieblingsausdruck derselben zu ge-
brauchen), in welchem sie athmet und schafft, wird
in den fünf Essais dieser Schrift i Kunst und Publikum ;
Geschichtliche Bildung und Kunst; Kunst und Natur-
wissenschaft; Vorherrschaft der Landschaftsmalerei;
gegenwärtige Lage) wirklich unserem Verständnifs
näher gebracht. Spielt auch in dieser Entwickelungs-
geschichte die Formel: wie alles so kam, weil es so
kommen mufste und das tout comprendre est tout
pardonner eine grofse Rolle, so läfst der Verfasser
doch andererseits wieder eine gesunde ästhetische
Kritik walten und er richtet manch' scharfes Wort
gegen die Herrschaft der Mode, gegen das leicht-
sinnige Produziren, gegen die Verachtung von Kontur
und Zeichnung, gegen die Herabdrückung der Figur
zur blofsen Staffage und andere Unarten moderner
Malerei. Die unumschränkte Herrschaft der Land-
schaftsmalerei hat auch für ihn viel Bedenkliches, und
er erhofft eine Zukunftskunst, welche nicht ausschliefs-
lich die Form kultivirt, sondern es unmöglich macht,
zwischen Form und Gehalt zu scheiden. Die fünf
Essais wie die beigegebenen Einzelstudien über Christian
Rauch, Anselm Feuerbach, Arnold Böcklin und die
Betrachtungen über die Münchener Ausstellungen von
1888 können der Lektüre bestens empfohlen werden.

P. K.

Der deutsche Cicerone, Führer durch die Kunst-
schätze der Länder deutscher Zunge von G. Ebe.
I. Band, Architektur I. Leipzig 1897, Otto Spamer.
(Preis geb. Mk. 6,50.)
Obwohl der Titel etwas anspruchsvoll und an Un-
genauigkeiten, selbst Unrichtigkeiten kein Mangel ist,
so kann diesem Werke doch das Zeugnifs nicht ver-
sagt werden, dafs es sehr zeitgemäfs, gut disponirt,
mit viel Sachkenntnifs und Fleifs zusammengestellt,
daher ein brauchbarer Reisebegleiter ist. Gerade in
dem weiten Gebiete, dem riesigen Material und der
knappen Formulirung liegt die Schwierigkeit und diese
wird durch die zahlreichen Invenlarisirungswerke, die
in den beiden letzten Jahrzehnten erschienen sind,
nicht beseitigt. Auf einen Grundstock kommt es zu-
nächst an; mögen nun die Kunsttouristen für schnellen
Verbrauch der I. Auflage, die Kunstkenner für um-
fassende Berichtigungen sorgen, dann kann die II. Auf-
lage um so viel besser werden. Aber schon für den
II. Band, welcher die Architektur vom Beginne der
Renaissance bis in unsere Tage und für den folgenden
der Plastik, Malerei, Kunstgewerbe umfassen soll, sei
sorgfältigste Revision angelegentlichst empfohlen I D.
 
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