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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Renard, Edmund: Kirchliches Silbergeräth auf der Ausstellung von Werken alten Kunstgewerbes aus Sächsisch-Thüringischem Privatbesitz in Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0237

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359

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

360

Kirchliches Silbergeräth auf der Ausstellung von Werken alten Kunstge-
werbes aus Sächsisch-Thüringischem Privatbesitz in Leipzig.

Mit Abbildung.

kelches zu Gunsten eines repräsentativen Auf-
baues; der eine Kelch (Katalog Nr. 3)12) trägt
den Charakter des hochschaftigen, rein tek-
tonisch konstruirten Kelches, dessen hervor-
ragendstes Beispiel wohl der spätgothische
Kelch des Domes in Osnabrück ist; ein flacher
Fufs in Sechspafsform, der untere Theil des
Schaftes in Form einer sechsseitigen Kapelle
mit Strebepfeilern und Fialen, der Nodus
stimmt so auffällig in den Einzelformen und
Verhältnissen mit demjenigen des vorgenann-
ten Kelches aus Krimmitschau überein, dafs
eine verwandte Herkunft beider Kelche kaum
von der Hand zu weisen ist. Dieser Wer-
dauer Kelch, der sich durch seine edlen
Formen wie durch die Beherrschung der
reinen Metall-Technik auszeichnet, ist eines
der in Sachsen seltenen Exemplare,13) bei
denen die Übertragung vollkommener Bau-
theile vorherrscht.

In Form und Gröfse verwandt, aber an
Prachtaufwand weit überlegen, ist der hier ab-
gebildete zweite Kelch der Werdauer Kirche
(Katalog Nr. 17);u) der sechsblätterige Fufs
steigt kegelförmig an und ist durch eine Bogen-
stellung in sechs Felder getheilt, in denen die
Reliefs der Kreuzigung, der Evangelisten -
Symbole und des reufsischen Wappens auf-
gesetzt sind. Die Eigenart des Kelches liegt
in dem reichen Schmucke von Rubinen, die
um den Fufs und neben dem reufsischen
Wappen in hohen kegelförmigen Kasten-
fassungen aufgesetzt sind, die einzelnen Kasten
messen 8—10 mm Höhe bei einem oberen
Durchmesser von 3—4 mm; mir ist kein
anderes Beispiel dieser Dekorationsweise be-
kannt. Der Nodus zeigt die gewöhnliche
spätgothische Form mit durchbrochenen Fisch-
blasen, die Rotulen werden durch Almandine
gebildet. Auch die Kuppa ist durch

II. (Schluß.)

inige prächtige Kelche geleiten uns
zur Mitte des XV. Jahrh., neben
dem Mariensterner Kelch die edel-
sten kirchlichen Geräthe der Aus-
stellung. Der Gahlenzer Kelch (Katalog Nr. 9)10)
gehört noch dem Beginn des XV. Jahrh. an;
der kegelförmige Fufs geht mit einem Knick in
die Fufsplatte über, der Nodus ist demjenigen
des Frankenberger Kelches verwandt, zeigt je-
doch schon eine kräftigere Ausbildung der Ro-
tulen. Auf dem kegelförmigen Theil des Fufses
sind sechs vertikale, zu Knoten verschlungene
Bänder gravirt, die auf der Fufsplatte durch einen
Bogenfries verbunden sind; auf dem Rande
des Fufses steht die Stiftungsinschrift: FRIDE-
RICUS ■ DE ■ SHONBERG ■ CONPIRA-
VIT (sie!) • CALICEM ■ ISTVM ■ ORATE ■
PRO ■ EO ■ Das gegossene aufgelöthete Sig-
naculum ist späteren Ursprungs.

Augenscheinlich verwandter Herkunft ist
de-r kleine Kelch aus Krimmitschau (Katalog
Nr. 2) n), er hat einen gleich gestalteten Fufs
mit einem Knick und auch gleiche Anord-
nung des Schmuckes, indem auf den Fufs
sechs vertikale Zweige aufgelegt sind, die auf
der Fufsplatte in je zwei Eichblätter mit
Eichel endigen und hier sechs gravirte Me-
daillons mit der Kreuzigung, Maria und den
Evangelistensymbolen umfassen. Dagegen trägt
der Kelch den ausgesprochenen Balkennodus
der Spätgothik; der eigentliche Kugelkörper
des Nodus ist ganz gewichen, der Nodus
besteht nur noch aus drei reich profilirten, in
der Axe des Kelches sich überschneidenden
Balken, in deren Winkel Eichblätter gelegt
sind. Der Nodus wird hier zu einem Zierglied,
während er ursprünglich zur besseren Hand-
habe dienen soll. Die einheitliche Durchbildung
des Eichenlaubes als einzigen Schmuckmotivs,
dielebendige.naturalistischeDetaillirungmachen
diesen Kelch besonders anziehend.

Die zwei herrlichen Kelche von Werdau,
beide der Mitte des XV. Jahrh. angehörend,
verlassen die Form des niedrigen Gebrauchs-

W) Steche, Heft 6, Flöha, S. 69.

n) Steche, Heft 12, Zwickau, S. 14, Fig. 9 u. 10.

eine

Vi) Steche, Heft 12, Zwickau. S. 74, Fig. 29.

13) z. B. scheint der im Westen häufigere Kelch-
typus, bei dem der Nodus durch eine sechssei-
tige Kapelle ersetzt wird, gar nicht vorzukommen;
ebenso begegnet man in Sachsen auch selten der
sechsspitzigen Form des Kelchfufses mit konkaven
Seitenflächen, sondern findet durchweg die Sechspafs-
form des Fufses.

") Steche, Heft 12, Zwickau, S. 70, Fig. 27 u. 28.
 
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