Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0253

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
391

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

392

keit gefesselt, Verehrung genossen, Bewunderung er-
regt, durch seine vielfachen monumentalen Malereien
erbaut und begeistert, durch seine zahllosen fromm-
sinnigen Gemälde gehoben und hingerissen, durch
seine mannigfaltigen poesievollen Illustrationsbilder
angeregt und belehrt hat. Zu anerkennenden Be-
sprechungen haben schon während seines Lebens seine,
namentlich durch anmuthige Komposition und edle
Linienführung ausgezeichneten Schöpfungen oft Ver-
anlassung gegeben und nach seinem Tode hat es an
Beschreibungen seines harmonischen Lebenslaufes und
seiner so vielseitigen wie fruchtbaren Thätigkeit nicht
gefehlt. Aber das Bild, welches sie lieferten, war
unvollständig, weil sie (von der Korrespondenz
mit Reichensperger abgesehen) ausser Acht lassen
mufsten die vielfachen sehr innigen und einflufs-
reichen Beziehungen, welche Steinle mit hervorragen-
den Männern und Frauen unterhielt. Da sie in einem
lebhaft und sorgfältig gepflogenen Briefwechsel Aus-
druck gefunden haben und aus ihm glücklicherweise
das Meiste und Wichtigste sich erhalten hat, so durfte
die Familie diesen Schatz der Welt nicht vorenthalten,
und dafs er ihr durch die Hand des Sohnes schon
jetzt geboten wird, verdient wärmsten Dank. Denn
in das innere Leben des grofsen Künstlers führt er
uns ein, zeigt ihn uns in seiner ideellen Veranlagung,
in seiner so klaren wie tiefen, ganz von der Religion
beherrschten Auffassung, in seiner vornehmen Ge-
sinnung, in seinem weiten Herzen, seinem frommen
Wandel, und flöfst uns so grofse Hochachtung
vor einem Künstler ein, dessen Quelle und Ziel
Gott, dessen Zeit aber ganz in Anspruch genommen
war durch die Aufgaben, welche die Welt ihm stellte.
Am ergiebigsten, zugleich am inhallreichsten erscheint
hier der briefliche Austausch mit Friedrich Overbeck,
v. Bethmann-Hollweg, Herrn und Frau Rath Schlosser,
Clemens Brentano, Emilie Linder, August Reichens-
perger, Adolf v. Brenner und dafs darin aufser künst-
lerischen Angelegenheiten viele Zeitereignisse be-
sprochen, namentlich kirchlich-politische Fragen er-
örtert werden, gibt den Verhandlungen einen beson-
deren Reiz. — Manche Einzelheiten aus der Korres-
pondenz mit diesen wie mit verschiedenen anderen
geistesverwandten Freunden hat der Herausgeber in
das Lebensbild aufgenommen, welches er auf
166 Seiten dem Briefwechsel vorausschickt. Dieses
begleitet den Vater durch das ganze Leben und ver-
folgt ihn durch dessen einzelne Jahre, wie im Anhang
nach Jahren geordnet ein Verzeichnifs seiner Werke
geboten wird, welches seiner relativen Vollständigkeit
wegen besonders schätzenswerth ist. Das Lebens-
bild bietet in Bezug auf das künstlerische Schaffen,
dessen Eigenart und geschäftliche Umstände zu
den brieflichen Notizen mancherlei Ergänzungen,
von denen mehrere polemisch gefärbt sind, ohne die
genauere Charakterisirung des Meisters, zumal seiner
Beziehungen zu den deutschen Künsterheroen des
Mittelalters, seiner stilistischen Grundsätze u. s. w.
wesentlich zu fördern, über welche nähere Aufklä-
rung sehr wünschenswerth wäre. Wenn der Verfasser
die von Steinle leider nicht renovirten, sondern er-
setzten Engel im Hochchor des Kölner Domes als
„alte Gesellenarbeiten" bezeichnet, so übersieht er, dafs
sie zu dem Allerbesten gehörten, was die deutsche

Wandmalerei in der I. Hälfte des XIV. Jahrh. hervor-
gebracht hat, und in Bezug auf die von Steinle in der
Kapitolskirche zu Köln geschaffenene Krönung Maria
würde die Bemerkung, dafs „die herrschend gewordene
archaisirende Richtung" die weitere Ausmalung durch
ihn verhindert habe, eine eigenthümliche Beleuchtung
erfahren haben durch die Beifügung, dafs diese Krö-
nung Maria eine Nachbildung des gothischen Mosaiks
in der Apside von St. Maria Maggiore zu Rom ist.
________ Schnütgen.

' Von-^.den Kunst- und Geschichtsdenkmä-
lern des Grofs herzogthums Mecklenburg-
Schwerin, bearbeitet von Professor Dr. Friedrich
Schlie, deren I.Band in unserer Zeitschrift Bd. IX,
Sp. 281—283 eingehend besprochen wurde, schreitet
die Veröffentlichung rüstig vorwärts. Der II. Band, der
mehr als 700 Seiten umfafst, ist bereits erschienen, und
die freudige Aufnahme, welche sein Vorgänger nicht
blofs im Lande gefunden hat, ist auch ihm gewifs,
denn er übertrifft ihn noch an Reichthum des Inhaltes,
und seine Wohlfeilheit (nur 6 Mk. wenn er direkt von
der Bärensprung'schen Buchdruckerei in Schwerin
bezogen wird), ist beispiellos. Er behandelt die
Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen,
Reh na, Gadebusch und Schwerin, von denen
namentlich der erstere wegen des enormen in der
alten Hansestadt Wismar erhaltenen Denkmäler-
schatzes ein ganz ungewöhnliches Interesse bietet. Die
drei grofsen, noch jetzt sehr reich ausgestatteten Back-
steinkirchen St. Marien, St. Jürgen, St. Nikolai sind
mächtige Zeugen der alten Herrlichkeit, mittelalter-
liche Profanbauten hier noch in grofser Zahl erhalten
und der aus norditalienischen und flandrischen Ein-
flüssen eigenartig herausgewachsene Fürstenhof hat
in Deutschland nicht seines Gleichen. Und was hat
hier unter dem Schutze einer konservativen Bevölke-
rung sich nicht erhalten an Wand-, Glas- und Tafel-
gemälden, an Altären, Figuren und Epitaphien, an
Brüstungen und Gestühl, an Erzeugnissen des Bronze-
gusses, der Gold- und Eisenschmiedekunst! Eine
wahre Augenweide für den Archäologen, ein wahres
Arsenal für den Künstler! Aber auch die Dörfer
dieses Bezirkes bergen noch manche architektonische,
plastische, kunstgewerbliche Kostbarkeit und in den
vier anderen Amtsbezirken gibt es noch viele
Kirchen und Häuser, Taufsteine und Grabdenkmäler,
Schnitzwerke und Metallgeräthe von eigenartiger Be-
schaffenheit, zumal in der Residenzstadt, deren Dom
und Schlofs kunsthistorisch äufserst merkwürdig sind
und mit dem Museum mancherlei hervorragende Klein-
kunstschätze bergen. Jahrzehnte hindurch waren be-
reits die Augen der drei hervorragendsten Geschichts-
forscher des Landes Lisch, Wigger und Crull, auf sie
gerichtet gewesen, aber Schlie gebührt das Verdienst,
in der ihm eigenen klaren und anschaulichen Weise
ihre Forschungen zusammengefafst und durch zahllose
eigene, durchaus zuverlässige Beobachtungen und Fest-
stellungen ergänzt zu haben. Wissenschaftlich be-
währt und gemeinverständlich formulirt, liegen sie vor
in diesem, mit vortrefflichen Illustrationen verschwen-
derisch ausgestatteten Bande, auf den das Land mit
Stolz hinschauen kann, als auf einen durchaus würdigen
Zeugen seiner glorreichen Kunstgeschichte und seiner
patriotischen pietätvollen Gesinnung. Schnütgen.
 
Annotationen