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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Keppler, Paul Wilhelm von: Kanzeln aus mittelalterlichen Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0021

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19

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 1.

20

Kanzeln aus mittelalterlichen Dorfkirchen.

Mit 20 Abbildungen.

s ist wahr, der Altar, nicht die Kanzel
ist der Mittelpunkt des katholischen
Gotteshauses, das Opfer, nicht die
Predigt der Brennpunkt unserer Li-
turgie. Aber zwischen Eucharistie und Predigt,
zwischen Altar und Kanzel walten geheimnifsvolle,
nahe Beziehungen. Schon die Verheifsungsrede
Joh. Kap. 6 geht vom Brod des Lebens, das im
Glauben angeeignet wird, über zur eucharistischen
Speise, welche unter Brodsgestalt das Fleisch und
Blut des Gottmenschen enthält. An die leben-
dige, persönliche Gegenwart Jesu in der Eu-
charistie schliefst sich von selbst an seine Gegen-
wart im Worte der Predigt; denn der incarnirte
und opfernde Gottessohn ist vom lehrenden
nicht zu trennen. Dort lebt der ewige Logos
fort unter der Hülle von Brod, in der Predigt
unter der Hülle des menschlichen Wortes; dort
setzt er sein Hohepriesteramt fort, hier sein Lehr-
amt. Auch die Kanzel ist eine Art Tabernakel
des göttlichen Logos, gefertigt von der bilden-
den Kunst, auch die Predigt eine Art Monstranz
des Logos, gefertigt von der Kunst der Rede
aus dem Gold und dem Edelgestein der christ-
lichen Lehre.

Es ist darum auch nicht Zufall, dass in der
alten Kirche Eucharistie und Predigt zeitlich,
Kanzel und Altar räumlich einander sehr nahe
gerückt waren, — jene zeitlich, sofern die Predigt
infra missarum solemnia stattfand, diese räum-
lich, sofern die Kanzel die nächste Nähe des
Altares nicht verliefs, von dem Ambo der Altar-
abside, oder von den Cancellen des Altarraumes,
oder vom Lettner am Abschlufs des Chores aus
gehalten wurde.

Als sich später die Nothwendigkeit ergab,
die Kanzel ganz ins Langhaus zu versetzen und
jene zarten Bande der Zusammengehörigkeit etwas
zu lockern, bewährte doch das Mittelalter darin
sein Verständnifs für die Würde der Kanzel,
sein künstlerisches und liturgisches Feingefühl,
dafs es ihm widerstrebte, dieselbe nur wie ein
gewöhnliches Inventarstück aus Holz zu erstellen
und irgendwo an einem Pfeiler oder einer Wand
anzuschiften. jWo immer es möglich war, weit-
aus in den meisten Fällen, wurde sie aus Stein
erbaut und der Architektur der Kirche nicht
blofs an- sondern eingegliedert. Und das nicht
nur in grofsen Domen, auch in kleinen Land-

kirchen. In jenen staunen wir an die grossen,
herrlichen Kanzeln, Wunderwerke der Fein-
skulptur, übersponnen mit dem ganzen Reichthum
gothischer Ornamentik, durchwirkt mit bedeut-
samem Bildwerk. Aber neben ihnen soll man
nicht übersehen die einfachen und doch so
würdigen kleinen Steinkanzeln der Dorfkirchen,
welche weder des monumentalen Charakters
noch der zierlichen Grazie ermangeln. Beson-
ders in« Süddeutschland sind noch so manche
dieser Art erhalten und wenn wir einzelne zur
Darstellung bringen und kurz besprechen, leitet
uns dabei der innige Wunsch, dass die Holz-
kanzeln aus ihrer unbefugten Alleinherrschaft
allmählich wieder verdrängt werden, dafs man
namentlich bei kirchlichen Neubauten wieder
mehr auf organisch in den Bau eingegliederte
Steinkanzeln es absehen möchte. Dieser Wunsch
leitet unsere Auswahl; die drei hier abgebildeten
und nachfolgende weitere Exemplare sind Vor-
bilder, welche mit keinen oder geringen Aende-
rungen, ohne viel Kostenaufwand nachgeahmt
werden können. Die Aufnahmen danken wir
dem Herrn Architekten Carl Meckel junior in
Freiburg i. Br.

1. Steinkanzel in der Kirche von Stein im
Pfinzgau (bei Königsbach, Station der Linie
Durlach-Pforzheim). Die Kirche aus der zweiten
Hälfte des XV. Jahrh. ist gut erhalten, einschiffig,
flachgedeckt, der Chor gewölbt. An der Ostwand
des Schiffes, am Triumphbogen, ist die Kanzel
angebracht, von dem Chorraum und der Sa-
kristeithüre aus unmittelbar zugänglich auf einer
die Chorbogenwand durchbrechenden Steinstiege
von sechs Stufen. Sie trägt, auf vier Schilde
vertheilt, die Jahrzahl 1490 und auf einem Felde
der Brüstung einen Meisterschild mit Meister-
zeichen. Abgesehen von einem kleinen Theil
der Brüstung, welcher im XVII. Jahrh. angefügt
wurde, ist sie ganz im ursprünglichen Zustand
erhalten; nur steckt der Kanzelfufs jetzt zum
Theil in dem später erhöhten Fufsboden.

Der nach oben im Stichbogen auskragende
Schaft der Kanzel hat schlichte Stabgliederung
mit hübsch profilirten kleinen Sockeln. Der
Hauptkörper der Kanzel ist, wie der Grundrifs
zeigt, aus dem Sechseck konstruirt und zugleich
zierlich und energisch gegliedert, namentlich
durch die wirkungsvoll profilirten Stabbündel,
 
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