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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Pfeifer, Hans: Der siebenarmige Leuchter im Dome zu Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0034

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39

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. I.

40

der Marienaltar, eine Stiftung aus der Zeit
Heinrich des Löwen ist. Da die Blattformen
mehr Freiheit zeigen als diejenigen der Säulen
des Marienaltars, so wird man nicht fehlgehen,
die Entstehungszeit des Leuchters nach 1188,
dem Stiftungsjahre des Altars, etwa für das Jahr
1190, anzunehmen.

Wo ist der Leuchter hergestellt? Der Tradi-
tion nach soll Heinrich der Löwe den Leuchter
aus dem Orient nebst anderen Kostbarkeiten
mitgebracht haben. Diese Annahme mufs in
das Gebiet der Sage, mit welcher das Leben
und die Thaten des Löwenherzogs reichlich
durchflochten sind, verwiesen werden. Technik
und Ornamentik zeigen keine orientalischen Ein-
flüsse; wohl aber weist die Verwandtschaft mit
dem Rheimser Leuchter auf französischen Ein-
flufs hin, ohne dafs damit behauptet werden
kann, der Leuchter sei in Frankreich entstanden.
Gerade zur Regierungszeit Heinrich des Löwen
sehen wir von Frankreich her auf den Gebieten
der Kunst und Wissenschaft durch die Cister-
cienser und andere Ordensstiftungen neue Ideen,
neue Kunstformen dem Osten zugeführt, ein
Einflufs, der nicht nur auf dem Gebiete der
Baukunst, sondern auch des Kunstgewerbes,
das seine Hauptthätigkeit im Dienste der Kirche
entfaltete, bemerkbar ist. In Niedersachsen
stand der Kunstgufs schon zu Heinrich des
Löwen Zeiten von Alters her in hoher Blüthe.
Anderthalb Jahrhunderte (1015) vor Heinrichs
Zeit hatte Bernward, der dreizehnte Bischof von
Hildesheim, seine Bronzethüren des Domes mo-
dellirt und gegossen, sind zahlreiche Bronze-
leuchter, die Bernwardssäule und andere Objekte
in Bronzegufs aus der Werkstatt dieses Meisters
hervorgegangen. Die Hildesheimer Giefsstätte
hat sich noch lange nach Bernward auf der
Höhe der Zeit erhalten, wie der aus der Herr-
scherzeit Heinrich des Löwen stammende bron-
zene Taufkessel mit reichem Figurenschmuck
im Dome zu Hildesheim bezeugt. Eine grofse
Anzahl von romanischen Bronzegufs-Gegen-
ständen, wie Leuchter, Tragaltärchen, Schreine,
Rauchfässer u.s.w. sind, aus Sachsen stammend,
noch erhalten, theils in Sammlungen, theils noch
an Ort und Stelle. Die Kunst des Bronzegusses
war also damals verbreitet und wurde nament-
lich bei den Klöstern und Stiften gepflegt. Diese
kirchlichen oder klösterlichen Werkstätten ar-
beiteten aber nicht nur allein für die Kirche,
sondern auch Gegenstände profaner Art, wie

Sattelzeugbeschläge, Schatullen, Tischgeräthe
u. s. w. Hierher wird man auch den Burg-
löwen zu rechnen haben, der, ein Kunstwerk
ungewöhnlicher Art, sicher keinen gewöhnlichen
Gropengiefser zum Meister gehabt hat.

So wenig man eine Glocke des XII. Jahrh.
als von fern her bezogen, ansehen wird, wird
man auch behaupten wollen, dafs der Bronze-
gufs des Burglöwen, des Marienaltars und des
siebenarmigen Leuchters weit ab von Braun-
schweig erfolgt sei. Gerade romanische Glocken
zeichnen sich durch einen feinen Gufs, reiche
Ornamentiiung — ich erinnere an die voll-
ständig mit Flechtornament überzogene roma-
nische Glocke von Hunzen — aus, und wie
man diese wohl in den meisten Fällen, schon
um den beschwerlichen Transport zu vermeiden,
an Ort und Stelle gegossen hat, so ist wohl
anzunehmen, dafs man auch künstlerisch her-
vorragendere Gufsgegenstände am Orte der Ver-
wendung derselben herzustellen verstanden hat.
Und wie viel mehr noch in einem Verkehrs-
centrum, wie es Braunschweig zur Zeit Hein-
rich des Löwen geworden war. Es wird Nie-
mandem einfallen zu behaupten, dafs die beiden
ältesten Glocken des Blasiusdomes, „Blasius
major" und „Blasius minimus", wo anders als
hier gegossen sind.

Wo die Giefshütte des siebenarmigen Leuch-
ters hier gestanden hat, ist wohl nicht mehr
nachzuweisen. Neumann, der Herausgeber des
»Weifenschatzes«, welcher die Ausführung des
Leuchters eine „dürftige" nennt, ist aus diesem
Grunde geneigt, dieselbe einer profanen Giefs-
hütte, den Beckenwerken und Gropengiefsern
zuzuschreiben. Diese, wie auch Glockengiefser,
mögen zu Ende des XII. Jahrh. in Braunschweig
schon vorhanden gewesen sein, wie denn auch
auf der Stelle des jetzigen Bruches eine — nach
Dürre6) — 1405 vomRathe vermiethete Giefserei
oder Treibhütte schon zu Heinrichs Zeiten be-
standen haben kann, die dem dortigen Oker-
arme die Bezeichnung „driewe" gegeben hat.
Allein Prof. Neumann irrt, wenn er die Aus-
führung des Leuchters eine „dürftige" nennt;
er ist vielmehr, wie wir noch sehen werden,
ein Gufswerk von hervorragender Schönheit, das
einen gewöhnlichen Gropengieser zum Meister
nicht gehabt haben kann. Wie der Löwe und
der Marienaltar, so wird auch der siebenatmige

6) Dürre, »Geschichte der Stadt Braunschweig im
Mittelalter« (Brauuschweig 1861) S. 649.
 
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