Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

DOI Artikel:
Braun, Joseph: Der romanische Taufstein der Pfarrkirche zu Neuenkirchen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0059

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
83

1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

84

gehabt, sondern sich nach der Gröfse des
Materials und wohl auch nach dem Wunsch
des Bestellers gerichtet. Immerhin bewegen
sich, die Gröfsenverhältnisse dieser Taufbecken,
wie es übrigens auch nach dem gemeinsamen
Ursprung leicht begreiflich ist, innerhalb ziemlich
enger Grenzen. Die Höhe übersteigt nie 0,95 m
und geht anderseits nur in wenigen Fällen unter
0,85 m herab, der obere Durchmesser des
Beckens hält sich aber der Regel nach zwischen
0,80 bis 0,90 m. Gröfsere oder kleinere Maafse
desselben sind Ausnahmen.

Es erübrigen noch die zwei Fragen nach dem
wann und dem woher, der Entstehungszeit
und der Herkunft des Neuenkirchener Tauf-
steins und seiner Genossen. Was die letzte
anlangt, so glaubt Nord hoff, es seien die Tauf-
gefäfse vielleicht das Erzeugnifs der Bentheimer
oder Gildehauser Gruben,20) doch meint er, der
Stein des Wisseier Taufbeckens,80) nach Aus'm
Werth von schwärzlicher Farbe,81) weise nicht
auf Bentheim hin. Betreffs des Recker Tauf-
brunnens macht Hartmann die Bemerkung, er
scheine aus Bentheimer oderBevergerner Quader-
sandstein zu bestehen. Dagegen bezeichnet
Haupt das Material, das zu den Taufgefäfsen
von Keitum und Witting verwandt worden ist,
als rothen rheinischen Sandstein.82) Die Tauf-
steine im Hannoverschen bestehen allesammt
aus hartem, gelblichem,88) das Taufbecken von
Nordherringen aber, wenn wir Nordhoff recht
verstehen, aus röthlichem Sandstein.84) Es
leuchtet ein, dafs es unter solchen Verhältnissen
sehr grofse Schwierigkeiten hat, den Ursprungs-
ort unserer Taufsteine näher zu bestimmen.
Dafs in rheinischen Gruben irgend einer der-
selben entstanden sei, ist sehr unwahrscheinlich,
weil den Rheinlanden diese Taufbrunnenform
fremd ist. Der einzige rheinische Taufstein dieser
Art, der zu Wissel, ist offenbar von aufsen einge-
führt. Sollten also die beiden Schleswigschen
Taufgefäfse wirklich aus rothem rheinischen
Sandstein angefertigt sein, so wird man wohl anzu-

29) »Kunst- und Geschichtsdenkmäler« a. a. O.

30) »Jahrbücher« a. a. O. S. 49.

81) Aus'm Werth »Kunstdenkmäler,« TextS. 22.

32) a. a. O.

«) Mithoff a. a. O. Bd. VI S. 7 und Bd. VII
S. 21.

34) a. a. O. Die Taufsteine im Emsland sind aus
gelblichem Stein angefertigt; daher scheint die Bemer-
kung: „Diese Form besteht aus röthlichem Sandstein,"
sich nur auf das Nordherringer Taufbecken zu beziehen.

nehmen haben, dieselben seien an Ort und Stelle
oder doch sonst irgendwo im Norden aus vom
Rhein eingeführtem Stein gemacht worden. Für
die Ansicht, das Material des Neuenkirchener
und der sonstigen hier in Frage stehenden
Taufsteine stamme aus den Brüchen von Bent-
heim oder Gildehaus,86) und es seien daher in
ihnen oder doch in ihrer Nähe unsere Tauf-
gefäfse hergestellt worden, spricht der bemer-
kenswerthe Umstand, dafs dieselben allerdings
sich der Mehrzahl nach in näherer Entfernung
um die genannten Brüche herumgruppiren,
während sie in weiterm Abstand nur vereinzelt
vorkommen.

Auch bezüglich der Entstehungszeit der
Taufsteine läfst sich nur Weniges sagen. Dafs
sie romanischen Stiles sind, ist unzweifelhaft.
Die Bildung des Untersatzes, die Ornamente
des Beckens, der Bogenfries, das Flechtwerk,
die Ranken, die am Südkirchener Taufbecken
auftretenden, mit dem Würfelkapitäl ausgestat-
teten Miniatursäulchen beweisen das mit aller
Bestimmtheit. Aber damit ist freilich noch
nicht entschieden, ob die Taufen dem XI. und
XII. oder gar der ersten Hälfte des XIII. Jahrh.
angehören. Der Groenloer Taufbrunnen wird
im Rijksmuseum als aus dem XI. Jahrh. stam-
mend bezeichnet, wie uns scheint, ohne genü-
genden Grund. Die rohe Arbeit, um derentwillen
man auf ein hohes Alter schliefsen möchte, ist
bei unsern Taufsteinen nicht die Folge einer
beginnenden Entwicklung, sondern einer nur
handwerksmäfsigen Technik. Unseres Erachtens
dürften die Taufsteine wohl kaum vor der
zweiten Hälfte des XII. Jahrh. entstanden sein ;36)
einzelne mögen selbst noch in den Beginn
des XIII. Jahrh. hineinreichen. Darauf weist
sowohl die entwickelte und mit Verständnifs
durchgearbeitete Gesammtanlage mancher der-
selben, als insbesondere auch der leichte und
flotte, schon den Uebergangsstil zum Ausdruck
bringende Charakter der Rankenfriese hin. Be-
stimmte Nachrichten über die Entstehungszeit

86) Die Gildehauser Gruben wurden schon im
XIII. Jahrh. schwunghaft betrieben (Mithoff a. a. O.
Bd. VI S. 55). Die Bentheimer sollen noch älter sein.

36) Clemen setzt (a. a. O.) das Taufbecken zu
Wissel ebenso wie die dortige Kirche in die erste
Hälfte des XII. Jahrh., doch dürfte weder der Charakter
des einen noch die Erbauung der andern diese frühe
Datirung verlangen, zumal nicht feststeht, dafs das
Gotteshaus, welches 1167 urkundlich zum ersten Mal
erwähnt wird, schon vor 1150 vollendet dastand.
 
Annotationen