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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schnütgen, Alexander: Die neue Dreikönigenfahne des Kölner Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0070

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99

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

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Nr. 4.

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Schreibung der Erfurter Rathsfahne (in Bd. VII
Sp. 205 ff. dieser Zeitschr.) bereits angedeutet.
Dem Fahnenmaler scheint sie vorzugsweise zur
Ausführung anvertraut worden zu sein, wie die
Originale in Fröndenberg, im Kloster Lüne,
in Erfurt, in dem Mährischen Museum zu
Berlin, und in dem Norwegischen zu Bergen.
Auch die grofsen und kleinen, dem Schlufs des
Jahrhunderts angehörigen seidenen Stadtbanner,
die vor circa 20 Jahren, in sehr defektem Zu-
stande, aus Kisten des Kölner Archivs hervor-
geholt wurden und, sorgfältigst hergestellt, jetzt
den kostbarsten Schmuck eines Saales der Hahnen-
tborburg bilden, sind sämmtlich mit dem Pinsel
ausgeführt, unter reichlicher Verwendung von
Gold und Silber auf Weifs und Roth. Gestickt
sind die Exemplare in den Domen zu Halber-
stadt und Osnabrück; und dafs man sich auch
häufig damit begnügte, gemusterte Stoffe ohne
andern Schmuck als den von Franssen und
Quasten zu benutzen, beweisen nicht nur viel-
fache Darstellungen auf alten Gemälden, son-
dern namentlich auch verschiedene Abbildungen
im berühmten „Halleschen Domschatz". Auf
Tafel 176 desselben ist ein Stück Sammet-
brokat (rother Granatapfel auf Goldgrund) ab-
gebildet, welches bis zur Hälfte eingeschlitzt
und nur mit Franssenabschnitten verziert, ver-
mittelst Diagonalverschnürungen an einer ver-
silberten Querstange mit vergoldeten Eck-
knöpfen hängt, bekrönt von einem Silberkreuz
mit Emailschmuck, also mit sehr kostbarem
Aufsatz. Eine andere Fahne in demselben
Schatz (Tafel 234) verdankt ihren einfachen
Granatapfelschmuck Perlen, die auf gelbem
Damast aufgenäht sind. — Auf den Tafel-
gemälden sind besonders in die kirchlichen
Prozessionen und Empfangsszenen Kreuzfahnen
aufgenommen, so in die Darstellungen aus der
Legende der hl. Ursula im Kölner Museum.
Zum Empfange der heiligen Schaar erscheint
hier dreimal der Bischof mit seinem Klerus
unter dem Vorantritt von zwei Chorknaben,
welche rothe Kreuzfahnen mit gelben Verzie-
rungen tragen. — Regelmäfsig hält schon auf
den Bildern des XIV. Jahrh. der auferstandene
Heiland als Siegeszeichen die Kreuzfahne in
der Hand und von dem rothem Kreuz auf
weifsem Grunde, welches dieselbe beherrscht,
bildet der untere Längsbalken gewöhnlich den
mittleren der drei vom Winde bewegten
Fanones. Gemeinsam ist allen diesen Kreuz-

fahnen die oblonge Form und die mehrfache
untere Einschlitzung, die zuweilen sogar bis
in die obere Hälfte hinaufreicht, zumal wenn
sonstiger Dekor fehlt. Dieser Dekor besteht
zumeist in Gruppen oder Figuren und fast
immer sind sie unter Baldachin gestellt, sodafs
also auch hier die Architektur zur Geltung
kommt, entsprechend der von der gothischen
Periode gepflegten Vorliebe für architektonische
Formen, selbst da, wo es sich zunächst nur
um dekorative Wirkung handelt. Auch jetzt
dürfte noch diese Behandlung den Vorzug ver-
dienen, wenn Standfiguren oder Szenen den
Glanzpunkt der Fahne bilden sollen, da sie erst
durch architektonische Bekrönung den richtigen
Abschlufs und die das Ganze beherrschende
Stellung erhalten. Freilich werden dann die
unteren Fanones auf ein bescheidenes Höhen-
mafs zurückzuführen sein, weil sonst die Fahne
eine Länge gewinnt, die ihre Handlichkeit zu
sehr beeinträchtigt. Neben dieser architekto-
nischen Bekrönung hat aber auch die mehr
ornamentale Behandlung, wie sie vereinzelt auch
bei gothischen Glasmalereien und Miniaturen
begegnet, ihre volle Berechtigung, und wenn
sie geschickt angewendet ist, also den figürlichen
Darstellungen als ungezwungene gefällige Ein-
fassung dient, so mag der mehr teppichartige
Charakter, der dadurch bewirkt wird, sogar als
ein gewisser Vorzug erscheinen. Von der
ganzen Anordnung, die vor Allem klar, anmuthig
und stilgerecht sein mufs, hängt die Wirkung
der Fahne zumeist ab, weswegen auf die Ge-
winnung einer guten Zeichnung der gröfste
Werth zu legen ist. Auf das Opfer für eine
solche, welche in der Regel in natürlicher
Gröfse und mit genauer Angabe der Farben
ausgeführt sein mufs, darf daher nicht verzichtet
werden. Angefertigt kann sie nur werden von
einem Zeichner, der den betreffenden Formen-
kreis beherrscht, nicht blofs den figuralen, sondern
auch den ornamentalen und architektonischen,
und diese Formen auch auf die Fläche zu über-
tragen versteht unter Berücksichtigung der
Umstände, welche für die Stickerin ins Gewicht
fallen, wenn ihr die Ausführung übertragen
werden soll. Die Technik, über die sie verfügt,
ja gerade diejenige, die im gegebenen Falle
zur Anwendung gelangen soll, darf von der
Zeichnung die gerade dafür angemessene Aus-
wahl der Formen verlangen, denn nur den
allergewandtesten Stickerinnen gelingt es, die
 
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