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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Semper, Hans: Ueber eine besondere Gruppe elfenbeinerner Klappaltärchen des XIV. Jahrh., [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0113

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173

1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

174

Ueber eine besondere Gruppe elfenbeinerner Klappaltärchen des XIV. Jahrh.

III. (Schlufs.)

zunächst die

|enn wir zunächst die Architektur-
formen dieser Altärchen nach ihrem
Stile prüfen, so fällt an ihnen eine
gewisse Einfachheit und Strenge auf,
Welche an französische Uebergangs- und Früh-
gothik erinnert. Die Spitzbogenarkaden, welche
die Nischen und Relieffelder überspannen, sind
durchwegs gedrückt, die Archivolte besteht aus
einem starken Rundstab von demselben Durch-
messer, wie der des Stammes des schlanken
Säulchens, über dessen Kapital der Bogen-
fufs ansetzt. Auch das einfache Dreipafswerk,
welches die Bogenöffnung verziert, ist aus
dünneren Rundstäbchen mit einem Plättchen
gebildet. Die runden Basen der schlanken
Säulchen ruhen meist auf einem viereckigen,
doppelt abgestuften Sockel, ähnlich wie die
Säulchen an der Fassadengalerie der Frauen-
kirche zu Dijon (1230) (vergl. Gurlitt »Die
Architektur Frankreichs« Tafel 5); in einzelnen
Fällen (Altärchen in Halberstadt und im
Louvre n. 66) besteht die Basis aus einem
oder zwei Wülsten, während der Sockel in
einer konkaven Kurve nach unten ausladet.
Die Kapitale zeigen eine oder zwei Reihen
von knollig endenden Blättern übereinander,
wie sie der gothischen Architektur des XIII.
Jahrh. in Frankreich und Deutschland eigen
waren.1) Die Wimperge und Arkaden dieser
Altärchen sind meist mit Krabben und Kreuz-
blumen geschmückt, erstere entweder in der
Form von zurückgebogenen, knollig endenden
Blättern (so am Altärchen von Halberstadt
und an dem von Bologna) oder häufiger als
kriechende Blätter, in der Art, wie sie zuerst
am Portal der Kathedrale von Reims, sowie
an der Porte rouge der Kathedrale von
Paris vorkommen (zwischen 1257—1270),2)
während die Blattknollen schon früher üblich
waren. Mit den Frauenschuhen der deutschen
Gothik, wie mit dem reichen Akanthus- und
Blumenschmuck der italienischen Krabben,
haben die Krabben unserer Altärchen nichts
gemein. Das Altärchen aus der Sammlung Du-
bruge Dumenil8) zeigt auf dem First des Kreuz-

1) Vergl. die Säulchen der oben citirten Galerie
der Frauenkirche von Dijon.

2) Siehe Viollet-le-Duc »Dictionnaire raisonne
de l'architecture« IV, 413.

•') Labarte 1. c. I, p. 124, PI. XVII.

daches Zinnen, die mit naturalistisch gebil-
deten, nicht gebuckelten Weinblättern in Relief
verziert sind, wie sie ähnlich im Synodalsaal
von Sens4) (1240), sowie an den Kapitalen
der Vorhalle der Kathedrale von Chartres
(XIII. Jahrh.) vorkommen.6)

Auch für die Form der Kreuzblume an
dem Altärchen des Fürsten von Liechtenstein,
welche an einen von einem Blattkranz um-
gebenen Ananas oder Pinienzapfen erinnert,
liefern die Kreuzblumen der Glockenthürm-
chen an der südlichen Vorhalle der Kathe-
drale von Chartres analoge Beispiele.6)

Was endlich die Rosetten betrifft, welche
als plastischer Schmuck zur Füllung von Flächen
oder Bändern an mehreren der von uns be-
sprochenen Altärchen vorkommen (so an dem
von Schnütgen in dieser Zeitschrift veröffent-
lichten, sowie an jenem im Museo Civico zu
Bologna), so werden dieselben nicht nur über-
haupt häufig in der gothischen Architektur
Frankreichs, als Füllungsornament verwendet
(so z. B. an dem Pfeiler, . vor welchem die
Statue des hl. Firmin, steht, am linken Seiten-
portal der Westfassade der Kathedrale von
Amiens aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrh.),7)
sondern sie kommen besonders häufig auch
an Elfenbeinarbeiten des XIII. bis XV. Jahrh.
vor, welche anderen Richtungen angehören,
als die vorbesprochenen, über deren französi-
schen Ursprung aber kein Zweifel besteht.8)

4) Viollet-le-Duc 1. c. VIII, p. 262, Fig. 72.

5) Adams »Recueil de sculptures gothiques« PI. 81.

6) Adams PI. 80 u. 83.

7) Photographie Mieusement N. 1142, Paris.

8) So z. B. an einer Elfenbeintafel des XIII. Jahrh.
in der Bibliotheque nationale zu Paris (neue Nummer
5564; Nummer des Katalogs von Chabouillet n. 3270),
an welcher drei Reihen von Darstellungen (1. Christus
thronend zwischen Maria und Johannes, 2. fünf Apostel-
figuren, 3. die heiligen drei Könige) durch Querleisten
mit Zahnschnitt und Rosetten getrennt sind.

Ferner an einem Diptychon der Sammlung Esca-
lopier (Abgufs im Kensington-Museum n. 1854, 72.
Westwood p. 181, n. 407. Phot. Philpot n. 2734.
Jedes Blatt des Diptychons enthält übereinander drei
Darstellungen aus der Passion Christi, die durch Hohl-
kehlleisten mit Rosetten getrennt sind. — Das näm-
liche Ornament findet sich an den Trennungsleisten
der in je zwei Reihen geordneten Darstellungen auf
einem Diptychon des Louvre (Abgufs im Kensington-
Museum 454, 73, 73; Westwood p. 177). Ferner
auf zwei Diptychontafeln des Musee des antiquite's zu
 
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