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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Schroers, Heinrich: Studien zu Giovanni da Fiesole, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0189

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'299

: 1898.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

800

Ziele mit Begeisterung erfafst und verwirklicht
worden. Er selbst schrieb eine Summa theo-
logica und eine Kirchengeschichte (Chronicorum
opus) in drei Folianten. Die berühmte Biblio-
thek entstand, die Tommaso Parentucelli, der
nachmalige Papst Nikolaus V., ordnete, und
die die erste öffentliche Büchersammlung Italiens
war. Zu gleicher Zeit machte Giovanni da Fie-
sole das Kloster zu einem Heerde kirchlicher
Malerei. Diese Bestrebungen empfingen ihren
hohen religiösen Schwung aus dem Leben
äufserter Entsagung, wie es einst der gefeierte
Arme von Assisi gelehrt hatte. Antoninus be-
tonte mit feurigem Nachdruck das grofse Prin-
zip der Armuth als das unantastbare Grund-
gesetz des Ordens.7) Ebenso Fra Angelico.
Als er auf die Wand des obern Korridors die
wundervolle Madonna und zu ihren Füfsen
S. Dominikus malte, schrieb er auf das ge-
öffnete Buch, das der Heilige in der Hand hält,
das sog. Testament des Stifters und liefs ihn
die Hand gerade auf den Satz legen: „Pau-
pertatem voluntariam possidete; maledictionem
Dei et meam imprecor possessionem inducenti
in hoc ordine."8) Um die Mitte des Jahr-
hunderts gab man die strenge Form der Ar-
muth auf, aber Savonarola war es, der sie
wieder herstellte und der zugleich mit ihr auch
die Studien und die Kunstübung zu neuem
Leben in diesen heiligen Mauern zu erwecken
suchte.9) S. Marco unter seiner Leitung ist
nur die Fortsetzung von S. Marco in den Tagen
des Beato Angelico: derselbe Geist, der die
Gründer leitete, erfüllte auch Savonarolas Wir-
ken und die von ihm beeinflufste Kunst. Darum
läfst sich erwarten, dafs auch damals das Kreuzes-
mysterium über S. Marcos Hallen thronte und
den Pinsel des engelgleichen Malers beseelte.
Wir treten in den Kreuzgang, den seine
Kunst geschmückt hat, mild und schön, wie
ein „Regenbogen auf schmilzender Wolke".10)

Bologna 1864) let. V pag. 38 — Vgl. auch Marchese
»Memorie« I, 181 sg. und A. Rösler »Kardinal Jo-
hannes Dominici O. Pr. 1357—1419c (Freiburg 1893)
S. 11 f., 19.

'•) Chronic, opus (Lugdur.i 1586-1, P. III Tit. XXIII
c. IV § XIII pag. 628.

•j Auch auf der Krönung Marias im Louvre, die
für das Kloster in Fiesole gemalt war, hat Dominikus
dieselbe Buchinschrift.

9J Marchese »Suntostorico« (Scritti vari I) p. Ibi.

10) George Eliot »Romola« B. III eh. XXIII
(II, 243).

Noch ehe das vor Ergriffenheit zitternde Auge
die Stelle im Klostergarten erspähen kann, wo
unter einem Strauch von Monatsrosen sitzend
Fra Girolamo einst den Bürgern die geheime
Offenbarung S. Johannes' auslegte,11) der „Pro-
phet" die Prophezie des Neuen Testamentes,
wird es gefesselt durch eine grofse Kreuzigung
auf der Wand gerade dem Eingange gegen-
über. Auf der folgenden Wand blickt uns aus
einer spitzbogigen Lünette der im Grabe ste-
hende Christus entgegen: so eben hat man ihn
vom Kreuze herabgenommen, noch rinnt das
Blut aus den Wundmalen, noch sind die im
Tode herabgesunkenen Arme halb in Kreuzes-
form ausgestreckt. Ueberraschend berührt dann
an der dritten Wand die Darstellung, wie der
Heiland als Pilger von zwei Dominikanern
empfangen wird, ein oft bewundertes, aber nie
recht verstandenes Bild. Gerade in die Mitte
des Bogenfeldes hat der göttliche Wanderer
seinen Stab gestellt, mit der einen Hand ihn
aufrecht haltend; quer darüber ist der andere
Arm gelegt, der sich mit dem Arm eines der
Mönche begegnet und eine gerade Linie, den
Querbalken eines Kreuzes, mit ihm bildet.
Auch in dieser Gruppe idyllischen Friedens
ist das Kreuz der bedeutungsvolle Mittelpunkt.12)
Der Kapitelsaal birgt das gröfste Wandgemälde,
das Fra Giovanni geschaffen hat; das gröfste
dem Umfange nach — bedeckt es doch die
ganze hintere Wand des mächtigen Raumes —
und das gröfste seinem künstlerischen Werthe
nach, das auch ein „Leonardo da Vinci weder
besser komponirt noch besser gezeichnet hätte,
und auf das Rafael stolz gewesen sein würde".13)
Und wieder ist es der Gekreuzigte, hier zwischen
den Schachern hängend und umgeben von den
Heiligen der Kirche und der Orden. Auch
in dem grofsen Refektorium befand sich ehe-
mals an der Stelle, die seit 1536 das Fresko
der wunderbaren Engelspeisung von der Hand
Antonio Soglianis ziert, eine Kreuzigung An-
gelicos.u)

") Marchese »Sunto storico« p. 144.

,i!) Von allen, die über Fiesole schrieben, hat nur
Tumtati pag. 164 dies erkannt und einen mystischen
Sinn darin vermutet, ohne ihn zu finden. Ich werde
im nächsten Hefte auf die Erklärung des Hildes ein-
gehen.

13) Ch. Blanc »Hist.de la Renaissance artistique
en Italie« I, 356.

u) Marchese »Memorie« I, 292.
 
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