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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Nachrichten
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157

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

158

Nachrichten.

Die Alterthümer-Ausstellung in Pader-
born, von der Abtheilung Paderborn des Vereins für
Geschichte und Alterthumskunde Westfalens zur Feier
seines 75jährigen Bestehens veranstaltet für die Zeit
vom 27. Juni bis 9. Juli, hat in dem engeren Kreise,
für den sie bestimmt war, reichliche Anerkennung ge-
funden, und soll auch an dieser Stelle der ehrenvollen
Erwähnung nicht ermangeln.

Von dem Vereinspräsidenten Pfarrer Dr. Mertens
unterstützt, haben vornehmlich Baurath Biermann
und Oberlehrer Dr. th. Kuhlmann das mühsame
Zusammensuchen und -holen der Gegenstände aus
dem scharf umgrenzten Vereinsgebiete, die Aufstellung
und Katalogisirung derselben sich angelegen sein
lassen, und der Geschicklichkeit, mit der das Alles in
wenigen Tagen für wenige Tage besorgt ist, gebührt
volles Lob. Die grofse, von den beiden Längsseiten
vortrefflich beleuchtete Gymnasialaula vermochte die
beiläufig 2000 Gegenstände, die zumeist in grofsen,
eigens dafür angefertigten Vitrinen untergebracht waren,
kaum zu fassen, und der Umstand, dafs die Wände
ganz intakt gelassen werden mufsten, erschwerte noch
die Aufstellung, namentlich der Gemälde und Para-
mente. Flache Glaskasten an den beiden langen
Fensterreihen aufgestellt, würden freilich die Über-
sichtlichkeit der zahlreichen kleinen Objekte noch
erhöht, hohe, schmale Glasschränke in der Mitte das
S;udium der gröfseren noch erleichtert haben, und
gewifs mag mancher Gegenstand, den nur übermäfsige
Rücksicht gegen den bereitwilligen Besitzer zugelassen
hatte, den Eindruck gemacht haben, Licht und Luft
den vollberechtigten Nachbarn zu versperren, die zu
Entwickelungsreihen zusammengestellt, als sehr lehr-
reiche Kulturbilder sich bewährt haben würden. Schon
die chronologische Ordnung der einzelnen Gruppen ist
ein vortreffliches archäologisches Bildungsmittel, kommt
die gerade für lokale Ausstellungen so wichtige und
in der Regel auch leichter erreichbare topographische
Berücksichtigung hinzu, so ist der Vortheil um so
gröfser und nachhaltiger.

In Bezug auf Zeit und Material hatte mit Recht
keine eigentliche Beschränkung stattgefunden, so dafs
sowohl die frühgeschichtliche Kultur wie die Kunst
der letzten Jahrhunderte vertreten war, auch Glas,
Thon und Porzellan, Zeichnungen und Drucke nicht
ausgeschlossen waren. Dafs trotzdem das Mittelalter
und die kirchliche Kunst den Schwerpunkt bildeten, ver-
steht sich in diesem von der christlichen Kultur so
reich gesegneten Bezirk eigentlich von selbst. Fast
noch mehr als anderswo, hatte hier die Kirche bis
in die Periode des Barocks das Kunstschaffen nicht
nur beherrscht, sondern auch mit einem eigenartigen
Stempel versehen.

Das gilt zunächst von den kirchlichen Metall-
geräthen, dem eigentlichen Glanzpunkt der Aus-
stellung. Fünf Tragaltäre, darunter der berühmte des
Paderborner Domes mit seinen zahlreichen vollendeten
Techniken, wie der durch das seltene Ausschneide-
verfahren merkwürdige im Besitze der Franziskaner,
illustrirten vortrefflich das Goldschmiedegewerk der
romanischen Zeit, die auch durch eine gröfsere Anzahl

| von gut stilisirten und sauber ausgeführten, namentlich
in Kruzifixen, Leuchtern und Rauchfässern bestehenden
Gufsstücken vertreten war. Am schwächsten kommt
daran der Grubenschmelz zur Geltung, abgesehen von dem
kleinen Schreine aus Clarholz und seinem noch kleineren
Seilenstück, welche mit dem emaillirten Kreuz auf
Limoges hinweisen. Aus seinen Fabriken wird im
XIII. Jahrh. die Ausfuhr nach Westfalen noch geför-
dert sein durch den Umstand, dafs hier das Email
über rohe Anfänge nicht hinausgediehen war, obwohl
das länger in Uebung gebliebene Niello von tüchtigem
Können Zeugnifs ablegte, so namentlich auf den älteren,
bis in den Schlufs des XIII. Jahrh. zurückreichenden
Kelchen, die sich, bei drei Dutzend an Zahl, zu einer
ebenso mannigfaltigen wie lehrreichen, bis in das
XVIII. Jahrh. vorragenden Gruppe vereinigten. Die
evangelischen Kirchen zu Lippstadt hatten die ältesten
Exemplare geliefert, die St. Nikolaikirche in Höxter
ein spätgothisches, dessen Grubenschmelzschaft als
ganz vereinzelte Nachblüthe erscheint, zugleich als
eine Art von Vorläufer für die beiden prächtigen
Goldemailkelche der Spätrenaissance. — Auch an
mustergültigen Monstranzen fehlte es nicht, die erst
mit dem Beginne des XV. Jahrh. häufiger begegnen,
und in Westfalen durch charakteristische Fufsbehand-
lung (grofser Durchmesser und reiche Gliederung mit
Ausbuchtungen an den Einziehstellen) und eigenartigen,
an den Profanbau anlehnenden Aufbau sich aus-
zeichnen. Mehrere gute Ciborien und Pyxiden, Reli-
quienostensorien und -Arme ähnlicher Behandlung er-
gänzten diese Gruppe und lieferten im Bunde mit
Vortragekreuzen, Oelgefäfsen, Mantelagraffen, Bischofs-
stäben, namentlich aber mit getriebenen Standfiguren
kostbare Beiträge zur westfälischen Goldschmiedekunst
des späteren Mittelalters, denen vor allen die hei-
mischen Goldschmiede in viel höherem Mafse ihre
Aufmerksamkeit zuwenden sollten. Dafs es hier ge-
rade auf diesem Gebiete auch bis in die späte Re-
naissance an hervorragenden Leistungen nicht fehlte,
beweisen die Arbeiten Eisenhoit's, dem das spät-
gothische Vortragekreuz von Warburg offenbar als
Vorbild gedient hat, und auf den zwei Standkreuze
wie das Schützenkleinod von Warburg wohl mit Recht
zurückgeführt werden.

Neben dem Metallgeräth erschien die mittel-
alterliche Plastik in einer stattlichen Reihe guter
Holzfiguren, die vom Ende des XII. bis zur Mitte des
XVI. Jahrh. ein ziemlich vollständiges Entwickelungs-
bild boten, die Eigenthümlichkeiten der westfälischen
Schulen in ihrer strengen Haltung, knappen Fältung,
rundlichen Kopfbehandlung deutlich genug verrathend.
Die beiden interessantesten derselben: eine spätroma-
nische sitzende und eine frühgothische stehende Ma-
donna hatten offenbar noch in der jüngsten Zeit eine
Erneuerung der Polychromie erfahren, der man es mit
Schmerz ansah, dafs ihr eine verhältnifsmäfsig gut
erhaltene alte Bemalung zu Grunde lag. Besondere
Aufmerksamkeit verdiente die spätgothische Doppel-
madonna unter grofsem Baldachin aus der evange-
lischen Kirche zu Landau (Waldeck), ein für den
Triumphbogen bestimmtes, höchst wirkungsvolles Bild,
 
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