Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0066

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
91

1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 3.

92

schienene I. Band, der mit der ältesten christlichen
Malerei und Skulptur anfangend, die Entwicklung
sämmtlicher Kunstzweige bis zur Zeit Justinians ver-
folgt, und hierbei ein so reiches Illustrationsmaterial
in systematischer Anordnung verwendet, wie es bisher
noch in keinem Handbuche zur Vorlage gelangt ist.
Nicht nur in Italien, wo die Denkmäler der altchrist-
lichen, byzantinischen, oströmischen Periode noch so
zahlreich sind, sondern auch in den auswärtigen
Sammlungen, hat der Verfasser seine Belegstücke zu-
sammengesucht, 462 auf 558 Seiten, und an der Hand
dieser fast ausnahmslos auf photomechanischem Weg
erzeugten, durchweg klaren Abbildungen entwickelt
er seine Theorien auf wissenschaftlicher Grundlage,
aber unter Hervorkehrung der für die volksthümliche
Belehrung mafsgebenden Gesichtspunkte. — Im I. Ab-
schnitt werden vornehmlich die Katakombenmale-
reien vorgeführt, zum Theil in ihrem Zusammenhange
mit der Architektur, sodann die ersten Erzeugnisse
der christlichen Plastik, ■ sei es als Einzelgestalten und
Gruppen, sei es als Theile von Bauten, wie der Kon-
stantinsbogen; der Zusammenhang mit der Antike
nach Form und Inhalt wird überall betont. — Der
II. Abschnitt ist ausschliefslich der Architektur ge-
widmet, den verschiedenen Formen der gottesdienst-
lichen Gebäude: den Rundbauten, Basiliken, Um-
bauten. — Den III. Abschnitt beherrscht die Ma-
lerei in ihren verschiedenen Formen: die allmählig der
Dekadenz verfallene Wandmalerei, die glorreich ent-
faltete Mosaikmalerei, die merkwürdigen Miniaturen,
die glänzenden Seidengewebe, deren Heimath der
Orient ist, endlich die eigenartigen Goldgläser. —-
Der IV. Abschnitt beschäftigt sich mit der Skulptur,
der über 300 Illustrationen gewidmet sind; die Büsten
und Statuen, die zahllosen, ungemein lehrreichen Sar-
kophage von Rom, Ravenna etc. werden hier behan-
delt, die figurirten Säulen, die Schnitzwerke in Elfen-
bein, Bein, Holz, die Treib- und Gufsarbeiten in
Metall, so dafs also auch das reiche Gebiet der Klein-
künste Berücksichtigung findet. — Ueberall versteht
es der Verfasser, die kunstgeschichtliche Bedeutung
zu markiren, die Technik zu erläutern, den Bilderkreis
zu erörtern. Also ein ungemein instruktives Werk,
dessen Fortsetzung mit Spannung erwartet wird. B.

Berühmte Kunststätten. Nr. 9 Siena von
Louise M. Richter (4 Mark), Nr. 10 Ravenna
von Walter Goetz (3 Mark). E. A. Seemann,
Leipzig und Berlin 1901.
Nicht zu den besuchtesten, aber zu den merkwür-
digsten Städten Italiens zählen Ravenna und Siena,
von denen jene der Völkerwanderungszeit und
Dante, diese vornehmlich dem Mittelalter ihre Be-
deutung verdankt. Kultur- und kunsthistorisch tritt
sie abgerundet hervor in den soeben erschienenen
reich illustrirlen Monographien, die sich als vor-
treffliche Führer bewähren werden bei dem Besuche
der Städte und noch mehr als Erinnerungsblätter
daran. — Da Ravenna im Unterschiede von fast
allen Städten Italiens weder im Alterthum noch in
der Renaissance eine Rolle spielte, auch im Mittel-
alter nur durch Dante, so entfällt der Löwenan-
theil (76 Seiten) auf die Zeit der Völkerwanderung,

das Zeitalter der Galla Placidia und Theodorichs des
Grofsen. Ueber 100 auf photographischen Aufnahmen
beruhende gute Abbildungen sind dieser Periode
gewidmet, und wie viele Denkmäler haben dabei noch
übersehen werden müssen, besonders in dem neu ge-
gründeten Museum I Die für die Entwicklung der alt-
christlichen Kunst so bedeutsame Architektur ist
namentlich durch Innenbilder, die eigenartige Plastik
durch Kapitelle und Sarkophage, die Wandmalerei
durch die unvergleichlichen Mosaiken vertreten, die
Kleinkunst durch Elfenbeinreliefs; also Studienmaterial
in Hülle und Fülle, geschickt ausgewählt und einge-
flochten in die ernste Geschichte der monumentalen
Stadt.

Ganz anders ist das Bild der liebreizenden Stadt
Siena, deren Gröfse erst in der gothischen Periode
beginnt, kirchlich vorwiegend am Dom sich entfaltend,
der ein Torso geblieben ist, bürgerlich am Palazzo
Publiko und um den einzigen Marktplatz. Mit Recht
ist dem Dom und den gothischen Bauwerken, unter
denen die Paläste eine grofse Rolle spielen, ein eigenes
Kapitel gewidmet, ebenso der mittelalterlichen Plastik
wie der altsienesischen Malerei, und mehr als 60 Ab-
bildungen, die sehr lehrreich zusammengestellt sind,
erläutern den anregenden Text. Noch gröfser ist die
Anzahl der für die Renaissance, besonders die frühere,
ausgesuchten Illustrationen, welche nicht nur der Ma-
lerei, sondern auch den Skulpturen in Stein und
Bronze, auch der Bodenmosaik und den metallischen
Künsten gewidmet sind. Dieses verlockende Material
dürfte Manchen zum Besuche reizen, bei dem Jeder
noch viel mehr finden wird, als er glaubte erwarten
zu dürfen, namentlich in dem wunderbaren Dom und
herrlichen Rathhaus, deren Ausstattung vortreffliche
Erhaltung bezw. Restauration auszeichnet. —- Ein
kleines Abbild von Siena ist die befestigte Bergstadt
St. Gimignano, die am Wege liegt und leicht mit-
besucht werden kann, wie sie in der zweiten Auflage
leicht angeschlossen werden könnte. Schnütgen.

La sculpture ä Troyes et dans la Cham-
pagne meridionale au XVI. siecle. Etüde
sur la transition de l'art gothique i fltalianisme.
Par Raymond Koechlin et Jean J. Mar quet
de Vasselot. Arman Colin & Cie., 5 rue de Me"-
zieres, Paris 1900.
Frankreich war namentlich in der zweiten Hälfte
des Mittelalters die produktivste Werkstatt für die
kirchliche Skulptur, die Champagne auf diesem Ge-
biete von besonderer Fruchtbarkeit. Zahlreicher als
anderswo haben sich hier auch ihre Gebilde erhalten,
und der Mühewaltung, sie nicht nur in Troyes, son-
dern auch auf dem Lande, auf der Wanderschaft von
Ort zu Ort aufgesucht, aufgenommen, studirt zu ha-
ben, ist das vorliegende grofse Werk zu danken,
welches auf eignen Tafeln 116 vortreffliche Abhand-
lungen von bis dahin unbekannten, wenigstens unver-
öffentlichten Steinfiguren bezw. Gruppen umfafst. An
der Hand derselben wird der Nachweis geführt, dafs
hier schon im XII. Jahrh. die Plastik thätig war, im
XIII. und XIV. Jahrh. zu hoher Blüthe, aber nicht zu
charakteristischer Entfaltung gelangte, unter den Kriegs-
bedrängnissen im XV. Jahrh. vollständig ruhte, bis


 
Annotationen