Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Braun, Joseph: Zur Entwicklung des liturgischen Farbenkanons, [2]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0080

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sion liest. Der Diakon, welcher am Grün-
donnerstag die Lektion, die Epistel und das
Evangelium zu singen hat, erscheint in eine
alba rubea, d. i. in eine rothe Tunika ge-
kleidet.

In Rom trug der Papst in der ersten Hälfte
des XII. Jahrh. nach dem 11. Ordo Mabillons
am Ostertag und in der Osterwoche beim
Gottesdienst eine weifse Planeta.21) Der wohl
etwas spätere 10. römische Ordo verzeichnet
auch für den Gründonnerstag weifse Gewän-
der.22) Für den Charfreitag schreibt derselbe
Ordo den ornatus quadragesimalis, also dem
alten römischen Brauch gemäfs, wohl Schwarz
vor.23) Nach dem 12. vom Kardinal Cencius
Sabellius zwischen 1192 und 1198 verfafsten
Ordo bediente sich der Papst, wenn er am
Stephanstage nach S. Stefano ritt, einer
weifsen, bei der Messe aber einer rothen Kasel.
Für die Messe an Lichtmefs und am Ostertag
notirt der Ordo eine weifse Planeta.2*)

Ein Pontificale von Besancon aus dem
Beginn des XII. Jahrh. erwähnt planetae pur-
pureae,25) ein von Chevalier herausgegebenes
Ordinarium von Laon aus dem dritten Viertel
desselben läfst den Bischof in einer casula
crocei coloris, in gelber Kasel die Charfreitags-
ceremonien vornehmen.26)

Natürlich sind das alles nur vereinzelte
Daten. Sie beweisen indessen, dafs die Nei-
gung der Zeit auf die Ausbildung einer litur-
gischen Farbenregel hinausging. Sie lassen es
aber auch nicht als sonderlich wahrscheinlich
erscheinen, dafs der Farbenkanon, wie man
wohl behauptet hat, in Rom entstanden sei
und von dort sich nach auswärts verbreitet
habe. Derselbe wird sich vielmehr an ver-

") n. 45 (Migne P. I. LXXVIII, 1043).

M) n. 8 (ibid. 1010).

33) n. 13 (ibid. 1013).

24) c. 3, 4, 15 (ibid. 1067, 1069, 1078). Für
den Charfreitag vermerkt auch der 12. Ordo quadra-
gesimalia indumenta (ibid. 1075).

26) Marlene »De antiq. eccl. rit.« 1. 4, c. 23;
(edit. Antuerp. 1764). II, 135. Ein Kodex aus S.
Germain-des-Pres (XII. Jahrh.) giebt für Charfreitag
planetae fuscae an (ibid). Vergl. auch den »ordo
vulgatus« bei Hittorp »De divin. oft.« (Paris 1610.)
p. 24, 71.

2e) Chevalier »Ordinaires de l'eglise cathe'drale
de Laont, p. 113. Das Ordinarium ist das Werk
des Dekans Lisiardus (1153—68), doch später un-
zweifelhaft unterpolirt, da p. 53 das Fest des 1170
ermordeten Thomas Becket erwähnt wird.

Nr. 4.

schiedenen Orten mehr oder weniger gleich-
zeitig, wenngleich im Grofsen und Ganzen
nach verwandten Anschauungen ausgebildet
haben. Das erklärt auch am einfachsten die
Abweichungen, die schon zu Innocenz' III.
Zeit hinsichtlich einzelner Tage und Zeiten
des Kirchenjahres bestanden und bald sich
noch weit greller bemerkbar machten.

Man hat Innocenz III. selbst für den Ur-^
heber der Farbenordnung angesehen, die er
in seiner Schrift über das Mefsopfer mittheilt.
Allein ohne Grund. Man braucht nur mit
ein wenig Aufmerksamkeit die Ausführungen
des Papstes anzusehen, um zu erkennen, dafs
er beschreiben will, nicht was er selbst ge-
schaffen, sondern was seiner Zeit Brauch der
römischen Kirche war. Es mufs schon vor
Innocenz III. die Farbe der gottesdienstlichen
Gewänder, sei es durch den Usus oder durch
irgend eine besondere Verordnung, eine Reg-
Iung erfahren haben. Das deutet zur Genüge
der Umstand an, dafs bereits der unter
Cölestin III. entstandene 12. Ordo den Papst
am Stephanstage bei der Messe eine rothe
Kasel tragen läfst.

Dagegen ist unzweifelhaft Innocenz' III.
Schrift für die anderwärtige Aufnahme des
römischen Farbenkanons von gröfstem Einflufs
gewesen. Einen nicht geringen Antheil an
der Verbreitung der liturgischen Farbenregel,
wie sie in Rom in Brauch war, hat allerdings
auch Durandus durch sein weitverbreitetes
Rationale und sein Pontificale gehabt.27)

Den Farbenkanon, wie er zu Rom in der
zweiten Hälfte des XIII. Jahrh. bestand, gibt
aufser Durandus theilweise auch das auf Be-
fehl Gregors X. herausgegebene Caeremoniale
romanum,28) denjenigen des frühen XIV. Jahrh.
der Ordo des Jacobus Gajetanus.29) Zu Du-
randus Zeit war in Rom noch als Nebenfarbe
von Grün Gelb gebräuchlich. In dem Farben-
kanon des 14. Ordo wird Gelb dagegen nicht
mehr erwähnt. Doch ist noch immer, wie
auch bei Durandus vermerkt wird, Violett in-
sofern gleichwerthig mit Schwarz, als es „nicht
als unpassend" bezeichnet wird, an den Tagen,
denen Schwarz zukommt, sich violetter Ge-
wänder zu bedienen.

37) 1. 3, c. 18; Martene »De antiq. eccl. rit.«
1. 1, c.4, art. 12, ordo 28; (ed. Anluerp. 1764). I, 225.

28) n. 18sqq. (Migne P. 1. LXXVIII, 1116 sq.).

29) c. 49 sqq. (ibid. 1154 sq.).
 
Annotationen