Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Endres, Joseph Anton: Romanische Deckenmalereien und ihre Tituli zu St. Emmeram in Regensburg, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0153

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
235

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr- 8.

236

Romanische Deckenmalereien und ihre Tituli zu St. Emmeram in Regensburg.

II.

Nabuchodonosor de quo hy habeniur versus

ie Deckengemälde von St. Emmeram
vertheilten sich auf drei in sich
abgeschlossene Cyklen in der Weise,
dafs je ein Cyklus das Rechteck
über dem Chor, dem Mittelschiff und dem
westlichen Querschiff der Kirche ausfüllte.

Wenn wir an den Schöpfungen der Regens-
burger Buchmalerei zur Zeit ihrer höchsten
Blüthe die Einheitlichkeit, Tiefe und Kraft der
dargestellten Gedanken zu bewundern Gelegen-
heit haben,8) so trifft das Gleiche auch von
unseren Deckenbildern zu. Die drei Bilderkreise
reihen sich derart aneinander, dafs sie ein ein-
heitlicher Gedanke deutlich miteinander ver-
bindet.

Es ist der Gedanke der Erlösung der
Menschheit, welche in ihrem weltgeschichtlichen
Verlaufe zur Darstellung gelangt, und darum
die Weltgeschichte selbst, wie sie das christ-
liche Mittelalter in grofsen Zügen dachte. Die
Gedankenfolge geht von Westen nach Osten.
Im Nordwesten befindet sich nämlich der Ein-
gang der Kirche. So konnte der in die Kirche
Eintretende das grofse Drama vom Weslchor
beginnend und gegen den Chor fortschreitend
in seiner ganzen Entwicklung verfolgen. Im
Westschiffe befand er sich gleichsam in der
Vorhalle zum Christenthum. Er schaute dessen
Vorbereitung in der heidnischen Vorzeit. Das
Schiff der Kirche erzählte ihm von der That-
sache der Erlösung, deren Werk in Christen-
thum und Kirche fortbesteht. Aus dem Chore
winkte ihm die Vollendung des Erlösungswerks
in der „curia pacis", dem himmlischen Jeru-
salem, entgegen.

Doch lassen wir nunmehr unseren Bericht-
erstatter zu Wort kommen über die Bilder und
ihre erklärenden Texte, welche er im XV. Jahrh.
noch im westlichen Querschiff der Kirche oder,
wie sich die Emmeramer mit Vorliebe aus-
drückten, im Dionysiuschore, schaute:

In Summitate cJwri s. Dionysij habetur visio
Danielis de Quatuor regnis fortissimis da-
nielis VII. videlicet.

de regno Chaldeorum, persarum ei medo-
rum, Grecorum et Romanorum. Primum reg-
num Chaldeorum Signatur per leenam cui insidet

8) Vgl. Swr.rzenski 100 ff.

Signas ecce lea babilonis magna trophea
Sed quid nobilitas quam non vult diua

potestas.
De secundo videlicet regno Persarum et
Medorum, quod Signatur per vrsum cui insidet
Cirus Rex persarum et medorum habetur hoc
distichon

Ursa rapax et dente minax le persida pugnax
Dalque medum signisque ferum titulisque

superbum.
De tercio regno videlicet grecorum signaio
per pardum cui insidet Alexander magnus
Macedo ibidem legunlur hec bina carmina
Dal celer excursus pardi Macedo tibi cursus
Et regni laceras grecorum monstral habenas
(Fol. 52 b). De quarto Regno videlicet
Romanorum Quod erit Vlfimum ex quo orielur
Regnum antichristi signaium per bestiam
lerribilem et mirabilem habentem X cornua
e quorum medio aliud partium cornu oritur
cui insidet Julius priinus Rex seit cesar Roma-
norum. Hec habentur

. Bestia bellatrix ie Roma notat dominatrix
Et cornu grande ie rex in fine nephande.
In maiori rota sive Spera in/er Quatuor
minores Vhi habetur figura eins quem vir
desideriorum appellat plenum dierum qui sedet
vestimentaque eius Candida vt nix etc. ut da-
nielis VII. Hec duo carmina habentur
Qui regit eterno complectens omnia giro
Sceptris esse quidem dat et omnibus aufferet

idem.u)
Hier war also die Vision Daniels (Kapitel 7)
von den vier aus dem Meere aufsteigenden
Thieren zur Darstellung gebracht. Diese Vision
Daniels und eine andere, welche dem König
Nabuchodonosor zu Theil ward und die sich
auf eine grofse Bildsäule mit einem Kopfe aus
Gold, mit Brust und Armen aus Silber, Bauch
und Hüften aus Erz, Schenkeln aus Eisen und
Füfsen aus Eisen und Thon bezog (Daniel 2),
hatten den gröfsten Einflufs auf die christliche
Geschichtsauffassung und Geschichtseintheilung
bis in die neuere Zeit herein. „Mit wenigen

9) Diesen Theil der Tituli veröffentlichte ich be-
reits im Jahrg. 1900, S. 565 ff. dieser Zeitschrift. Ich
wiederhole ihn lediglich der Bequemlichkeit und Voll-
ständigkeit halber.
 
Annotationen