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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [10]: 25. Kupfergetriebene Reliquienfigur der Abteikirche zu Werden (Katalog-Nr. 711)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0036

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47

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

48

Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf.

X. (Mit Abbildung.)

25. Kupfergetriebene Reliquienfigur
der Abteikirche zu Werden (Katalog-
Nr. 711).
as hier abgebildete 23 l/s cm hohe
Standfigürchen ist ganz aus Kupfer

getrieben und vergoldet, wie sein
ursprünglicher sechsseitiger Sockel.
Dieser hat zuunterst ei-
nen für das XV. Jahrh.
ganz charakteristischen
Zackenfries mit Zinnen-
kranz und verjüngt sich
durch eine starke Hohl-
kehle zu der ebenfalls

zinnenkranzverzierten
Deckplatte, auf der das
aus zwei Stücken ge-
hämmerte, also auf den
beiden Seiten zusammen-
gelötete Figürchen steht.
Die Bewegung dessel-
ben ist sehr anmutig,
der Ausdruck ungemein
innig, der fein abge-
wogene, wohlgeordnete
Faltenwurf trotz seiner
bereits dem Knitterigen

zuneigenden Behand-
lung, mafsvoll und ge-
fällig, namentlich die
Art, wie der Gewand-
zipfel bis zur Brusthöhe
hinaufgezogen ist. Die
sehr schlank abfallen-
den schmalen Schultern,
welche durch die lan-
gen Haarflechten eine
Art von Hintergrund
erhalten, machen einen

zarten jungfräulichen
Eindruck in Verbin-
dung mit dem leise ge-
neigten Haupt, welches,
von Locken lieblich ein-
gerahmt, durch die nie-
drige Zackenkrone mit ihrem kräftigen Perlstab
einen guten Abschlufs erhält. Die langen, un-
gemein sorgsam ausgeführten Haare hangen

strähnenartig über dem Rücken der vollrund ge-
triebenen Figur herunter. Die beiden gegossenen
auffallend kleinen Hände, von denen die linke
ein Büchlein trägt, die rechte das Attribut zu
halten hatte, sind einfach in die weit sich
öffnenden Ärmel hineingesteckt und lassen in
ihrer Durchführung die feine Technik ver-
missen, welche sonst das
ganze Figürchen aus-
zeichnet als das Pro-
dukt eines durchaus tüch-
tigen niederrheinischen

Goldschmiedes kurz
nach der Mitte des XV.
Jahrh. — Die unge-
wöhnlich grofse Öffnung
auf der Brust, welche

eine Reliquienkapsel
aufnehmen sollte, beruht
in ihrer jetzigen Aus-
dehnung und Formlosig-
keit ohne Zweifel auf
späterer Veränderung,
könnte aber auch durch
die Erweiterung einer
kleineren Kapsel veran-
lafst sein, denn die Ver-
mutung spricht durch-
aus dafür, dafs die Figur
von Anfang an für die
Bergung der Reliquie
einer hl. Jungfrau be-
stimmt war, auf welche
die Krone hinweist. —
Solche Reliquienfiguren
waren besonders in den
letzten Jahrhunderten
des Mittelalters sehr be-
liebt, sei es, um der
Privatandacht zu die-
nen, sei es, was zumeist
der Fall war, um bei feier-
lichen Gelegenheiten
auf dem Altare zu para-
dieren, als Ausstattung
des Retabels, oder auch in freier Aufstellung.
Die Nachahmung dieses schönen Gebrauches ist
sehr zu empfehlen. Schnutgen.
 
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