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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Beissel, Stephan: Holzkirchen in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0038

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51

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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jedoch damals aufser jener eben genannten
Kirche aus Holz auch stattliche Steinbauten9)
und die Kathedralen Galliens werden ausnahmslos
aus Stein errichtet gewesen sein.

Als kleine, rasch erbaute Landkirchen sind
die vielen hölzernen Kapellen zu bezeichnen,
welche der h. Willibrod errichtete und in deren
Altäre er mit Vorliebe Reliquien des h. Clemens
barg, dessen Namen sie darum trugen. Um
Notbauten aus Holz handelt es sich auch in
einem Briefe, worin der h. Bonifatius sich 755
beim Papste wegen Verspätung seines Antwort-
schreibens damit entschuldigt, dafs er mehr als
dreifsig von den Heiden zerstörte Kirchen
wiederherzustellen gehabt habe.10) Als derselbe
Heilige die Donnereiche gefällt hatte, zimmerte er
sogleich aus deren Stamm ein Bethaus zu Ehren
des h. Petrus.11) Wie die von ihm zu Fritzlar
und Amoeneburg errichteten Kapellenlz) war
auch die vom h. Ludgerus 776 zu Deventer
geweihte Kirche aus Holz. Sie ruhte auf Balken
und hatte einfache Bretterwände.18)

Stellt man noch heute nicht nur Notkirchen,
sondern auch Festhallen aus Holz rasch hin, so
darf man sich nicht wundern, dafs im Jahre
1184 zur Feier eines glänzenden Reichstages
bei Mainz auf einer Insel eine grofse Halle
und eine Kapelle aus Holz errichtet wurden.14)
Im folgenden Jahrhundert begnügten sich die
Predigermönche 1229 zu Erfurt, 1288 zu
Zopfingen, 1310 und 1331 zu Dortmund, ihre
Niederlassung mit Erbauung einer hölzernen
Kapelle zu beginnen und bewiesen dadurch,
wie allgemein es war, bei neuen Gründungen
mit Holzbauten anzufangen.1*a)

Oft wurden hölzerne Bauten durch Liebe
zur Armut veranlafst. Sie bewog die schot-
tischen Mönche bis tief ins XII. Jahrh. an der
Sitte ihrer Heimat und der Übung strenger
Entbehrungen so sehr festzuhalten, dafs sie sich
bei Kirchenbauten auch in Deutschland mit
Mauern aus Fachwerk begnügten und sagten:

9) Cochet »La Seine inferieur« (Paris 1866)
p. 135, 138, 141 Note I.

10) Jaff« »Bibliotheca« ep. 106, III, 259.
») Vita 6, 1. c. p. 452.

12) Aecclesias Domino fabricavit 1. c. p. 455.

") Vita s. Ludgeri 14, Mon. Germ. SS. II, 408.

u) Schneider »Der Dom zu Mainzc S. XIII
Anm. 25.

14a) Annales Colmar. maj., Mon. Germ. XVII, 215;
Nordhoff »Der Holz-und Steinbau Westfalens« 84.

„Wir sind Schotten, keine Gallier." Sie befolgten
das Beispiel des Bischofes Finan von Lindisfarn,
welcher im Jahre 652 „nach schottischer Sitte"
eine Kathedrale aus zersägten Stämmen auf-
führte und dieselbe mit Schilf decken liefs.
Bischof Eadbert befahl später nur, dies Schilf
zu entfernen und das Dach sowie die Wände
mit Bleiplatten zu belegen.I5)

Seine Pikten nannten das Kloster des
h. Columba Dearmach, d. h. „Menge der Stäm-
me", weil es nur aus Holz gezimmert war,
dagegen die Grabkirche des aus Rom als Glau-
bensbote gekommenen h. Bischofes Nynia „das
weifse Haus", weil sie in einer den Briten un-
gewohnter Weise aus Stein bestand.16)

Als dementsprechend der h. Pirmin auf der
Reichenau gegen Ende des V. Jahrh. die erste
christliche Kapelle der Gottesmutter widmete,
benutzte er zu deren Herstellung geglättete
Zweige, welche er mit Kalk (Lehm?) überzog.17)
Dafs die 1031 geweihte hölzerne Schottenkirche
St. Thomas zu Strafsburg nach einem Brande
1144 in Holz erneuert und erst 1273 in Stein
errichtet ward, ist ein Beweis für die Zähigkeit,
womit die Schotten in Deutschland an ihrer
heimischen Sitte festhielten.18) Noch der
h. Bernhard von Clairveaux erzählt, Abt Mala-
chias (-J- 1148) habe im Zeitraum weniger Tage
aus geglätteten Planken eine Kapelle in schot-
tischer Art fertiggestellt.19)

Wie schottische Mönche während der ersten
Hälfte des Mittelalters im Süden Deutschlands
wirkten, so bekehrten während der zweiten
Hälfte tapfere Ritter den Norden. Sie führten
in Westpreufsen in Städten und Burgen ihre
Gotteshäuser in Stein auf. Man begnügte sich
aber dort für Landkirchen bis in die neuere Zeit
mit Holzbauten, welche nur den dringendsten
Anforderungen gerecht wurden. Sie „zeigen

") Vincent. Bellov. Spec. IV. lib. 27 c. 120 pag.
1138; Kreuser »Der christliche Kirchenbau«,
2. Aufl., Pustet (Regensburg 1860) I, 379.

18) Beda, Historia 111, 4, 25, Migne, Pat. lat.
XCV, 121, 158; Kreuser »Kirchenbau« 2. Aufl.
367 f. Über andere Holzkirchen Montalembert
»Die Mönche« III, 152,452; Greith, »Geschichte
der altirischen Kirchen« 167 f.; Nordhoff »Der
Holz, und Steinbau Westfalens« 57 f. u. s. w.

«) Vita s. Pirmini antiquior c. 11; Quellenschriften
für Kunstgeschichte N. Folge IV, 147 f.

18) Otte »Kunstarchäologie« 5. Aufl.I, 32Anm.2.

1S) Vita Malachiae c. 6 et 28, Migne, Patrol. lat.
CLXXXII, 1083 et 1110.
 
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