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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Buchner, Otto: Werke des mittelalterlichen Bronze-Gusses im Erfurter Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0093

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143

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 5.

144

Werke des mittelalterlichen Bronze-Gusses im Erfurter Dom.

(Mit 3 Abbildungen.)

oll Staunen würde man
sein über die Fülle des
Schatzes, wären alle
kirchlichen Kunstwerke,
die je die stolzragende
Domkirche zu Erfurt be-
sessen, heute noch er-
halten. Aber der Bauern-
Aufstand von 1525 vernichtete vieles, der Rat
der Stadt setzte wenige Jahre später kostbare
Reliquiare in klingende Münze um, und schliefs-
lich ging durch die schwedische Besetzung
während des 30jährigen Krieges das Meiste
verloren. Dagegen haben sich durch die vielen
stürmischen Zeiten hindurch, die Erfurt infolge
seiner Lage am Kreuzungspunkt wichtiger
Heerstrafsen erleiden mufste, doch noch einige
wenige Werke aus romanischer Zeit erhalten
und zwar wohl nur, weil sie nicht aus Edel-
metall bestehen.

Es handelt sich nur um drei Werke des
Bronzegusses: eine strahlenförmige Ampel
(lampadarium pensüe) mit sehr merkwürdi-
gem skulptiertem Oberteil bezw. Aufhänger,
die Leuchter-Figur des sogen. Wolfram
im Chor des Domes und schliefslich ein seit-
her überhaupt noch nicht publiziertes Reli-
q u i a r in Büstenform, einen segnenden Bischof
darstellend. Leider ist dies letzte Stück nur
unvollständig erhalten, indem ihm heute
der Untersatz fehlt. — Diese drei Werke ver-
körpern in sich trotz naher stilistischer Be-
ziehungen doch die Stufen einer sich in auf-
steigender Linie bewegenden Entwicklung. So
mag ihre Besprechung in Anbetracht dessen,
dafs es an einer einheitlichen Bearbeitung der
romanischen Bronzegüsse auf deutschem Boden
immer noch fehlt, gerechtfertigt erscheinen.

Die romanische Ampel ist ein sehr eigen-
artiges Stück (Abb. 1). Sie besteht aus einem
zwölfarmigen sternförmigen Ölbehälter flacher
Form, in dessen Spitzen die Dochte ruhten.
Durch Ketten wird sie mit einem etwa kegel-
förmigen, sich verjüngenden, rein dekorativen
Zwecken dienenden Oberteil oder Aufhänger
verbunden. Während der Ölbehälter selbst
ganz glatt und schmucklos und lediglich zu
praktischem Gebrauch bestimmt ist, besteht
dieser Oberteil aus nebeneinander gereihten,

in vier Lagen sich übereinander auftürmenden,
von Arkaden umschlossenen Reliefs. Die halb-
runde Spitze oder Bekrönung zeigt ganz phan-
tastischen Aufbau; in zwei Schichten ragen
aus ihr je vier katzenähnliche Köpfe auf
schlanken gebogenen Hälsen hervor. Dazwi-
schen sind je vier Löwenköpfe in flachem
Relief angeordnet. Den Abschlufs bildet ein
ebenfalls phantastisch und willkürlich geformter,
mit Löchern zum Durchziehen der Kette ver-
sehener Henkel. In ihrer Gesamtheit bildet
die Ampel einen ebenso eigenartigen wie origi-
nellen Anblick, dessen Reiz bedingt scheint
durch die grofse Vielgestaltigkeit und Fülle an
Einzelheiten, besteht doch der ganze Aufbau
aus achtzehn kleinen durchbrochenen Reliefs.

Gegenständlich bieten diese um so gröfseres
Interesse, als es nicht leicht erscheint, sie zu
deuten oder in innere Beziehungen zu setzen.
Man erwartet unwillkürlich und mit gewissem
Recht von einem solchen zusammengesetzten
Kunstwerk, dafs es eine bestimmte Idee, einen
leitenden Grundgedanken in sich verkörpert.
Doch scheint das hier nur bedingt der Fall
zu sein. Jedenfalls bestätigt nähere Unter-
suchung keineswegs Otte's Deutung, wonach
unten neu-, oben alttestamentliche Vorgänge
dargestellt seien. (»Christi. Kunstarchäologie«
5. Aufl. I, S. 170.) Immerhin lassen sich ein-
zelne der Reliefs mit Sicherheit erklären, ob-
wohl — was vorausbemerkt sein möge — die
sehr rohe Technik und die durch die Zeit und
den Gebrauch dem Stück zugefügte Unbill
dies sehr erschweren.

Die oberste Etage zeigt vier, infolge "der
Verjüngung ziemlich steil, fast spitzbogig zu-
laufende Arkaden, aus deren Zwickeln Löwen-
köpfe herausschauen, eine Anordnung, wie sie
sich unterhalb noch dreimal wiederholt. In
jeder der Bogenstellungen sitzt eine lang-
gewandete Gestalt, anscheinend mit langem
Haupthaar, auf einem Sessel mit steiler, empor-
ragender Lehne und erhöhten Vorderpfosten,
vor einem auf zwei Ranken ruhenden Schreib-
pult. Attribute fehlen, so dafs es sich um die
grofsen Propheten oder um die Evangelisten
handeln mufs. Über den Pulten ragen weich-
lappige romanische Ranken zur Raumfüllung
aus den Arkaden hervor. Die Figuren selbst sind
ganz im Profil dargestellt, die Köpfe selbst
 
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