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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Schmid, W. M.: Ein gotisches Büstenreliquiar im bayerischen Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0126

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19.')

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

196

Ein gotisches Büstenreliquiar im bayerischen Nationalmuseum

(Mit 2 Abbildungen.)
ach chronikalen Nachrichten ist die

Kunst der Metallbearbeitung in den
Klöstern Südbayerns in der Zeit
des romanischen Stiles nicht weni-
ger schwunghaft betrieben worden, als an den
Hauptstätten dieser Kunst, am Rhein. Etwa
von 1270 an treten neben die Klöster die
Städte auf, teilweise als prunkhafte Residenzen
der infolge der Zersplitterung des Landes zahl-
reichen Herzogtü-
mer und Fürstbis-
tümer, teilweise als
freie Reichsstädte,
in denen der Reich-
tum und die poli-
tische Macht der
Bürger in zahlrei-
chen Stiftungen von
Kunstwerken ihren
Ausdruck fanden.
Voran steht Regens-
burg, das immer
noch von seinem
Glanz als frühmit-
telalterliche Kaiser-
stadt umstrahlt ist
und in dem uns

eine auffallende
Menge Namen von
zweifellos sehr be-
schäftigten Gold-
schmieden überlie-
fert werden. Dann
kommen Augsburg
München, Lands-
hut, Passau u. a.
Nach den vorhande-
nen Inventarien zu schliefsen, sind kaum zu einer
andern Zeit die Kirchenschätze so bereichert
worden, als im ausgehenden XIII. und in der
ersten Hälfte des XIV. Jahrh. Nicht nur kirch-
liche Geräte entstehen in Menge, wie Kelche,
Monstranzen, Rauchfässer u. s. w., sondern auch
Werke, die zur figürlichen Plastik gezählt wer-
den müssen. So gibt das Schatzverzeichnis
des Freisinger Domes vom Jahre 1352 an,
dafs die Häupter des hl. Corbinian und Lam-
pert in prachtvollen Reliquiarien gefafst waren.1)

') Sighart »Geschichte der bildenden Künste
im Königreich Bayern«, p. 399.

Abb. 1.

Bischof Albert II. (1349-1359) hinterliefs eine
lebensgrofse Statue des hl. Alexander aus
Metall. Herzog Ludwig von Bayern-Ingolstadt
stiftete zum Dom 1395 sein eigenes Bildnis
in Lebensgrofse von Silber zur Sühne für einen
versuchten Überfall der Stadt Freising. Auch
andere Kirchen und Klöster besafsen zahl-
reiche Reliquiarien in Büsten-, Kopf- und
Armform.

Erhalten hat sich
aber von diesen früh-
gotischen Skulptu-
ren fast gar nichts.
Desto erfreulicher
war es, dafs vor
kurzem ein der
fraglichen Zeit an-
gehöriges Kunst-
werk bekannt ge-
worden ist und
durch Übergang in
eine öffentliche
Sammlung für Bay-
ern gerettet wer-
den konnte. Das
bayerische Na-
tionalmuseum
erwarb nämlich aus
dem Handel das
nebenstehend abge-
bildete Reliquiar
in Büstenform.
Es stellt eine ju-
gendliche Heilige
dar, welche wenig-
stens vorerst nicht
zu benennen ist.
Die Büste ist in zwei zusammengenieteten
Teilen in 0,75 mm starkem Kupfer getrieben und
unten durch einen Boden, welcher auf vier massi-
ven Füfsen ruht, geschlossen. Der kupferne Boden
ist versilbert, die sonst sichtbaren Oberflächen
stark vergoldet. Die Höhe mifst 0,36 m, die
Ausladung an den vier Füfsen 0,315 : 0,225 m.
Auf der Brust befindet sich eine mit einem Tür-
chen verschlossene Öffnung, durch welche die im
Innern befindliche Reliquie besichtigt werden
konnte. Zur Einführung dieser Reliquie diente
wohl eine zweite, in gleicher Weise verschliefs-
bare, aber etwas gröfsere Öffnung.
 
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