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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0205

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323

1903

_ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 11.

324

II.

ach dem Überblick über die litur-
gische Entwickelung des Porta-
ble gehen wir nunmehr zu seiner
kunstarchäologischen Würdi-
gung über. Wir haben da im einzelnen darzu-
legen, welche Form er im Laufe der Zeit gehabt,
woraus er angefertigt und wie er ausge-
stattet gewesen ist; endlich wird auch die
Zusammenstellung und kurze Beschrei-
bung aller noch vorhandenen Monu-
mente zu unserer Aufgabe gehören.

1. Der Tragaltar hatte seit den ältesten
Zeiten durchweg dieselbe Grundform, wie der
fixe Altar, nämlich die Form eines Recht_-
^^k^^o^dej^QjLa^JjLLlS: So zeigen ihn fast
alle Monumente, welche uns erhalten sind.
Zuweilen ist er auch von runder Form
gewesen. Einen runden, in Silber eingefafsten
Altarstein von Jaspis besafs z. B. nach einem
alten Inventar im J. 1300 die Abtei S. Alb an
in England. Das Inventar bezeichnet ihn als
Altar des hl. Augustinus, des Apostels von
England.36) Eines ovalen Altares hat sich auch
nach einer alten, allerdings nicht ganz einwand-
freien Biographie, der hl. Wulfram, Bischof
von Sens (-J- 720), bedient.37) Noch heute be-
wahrt man in Faye (De"p. Deux-Sevres) einen
ovalen Porphyrstein (25X15 cm)> worauf der
hl. Hilarius (f 367) das Mefsopfer dargebracht
habensoll.38) Auch im „Weifenschatze",39)
sowie im Domschatz von Fritzlar40) befindet
sich ein Tragaltar, dessen Stein infolge der
kreisförmigen Einfassung rund erscheint.

Der mittelalterliche Tragaltar.

(Mit 13 Abbildungen.)

Bei der viereckigen Grundform41) hat das
Portatile eine sehr verschiedene Entwicklung
erfahren und Gestalt angenommen. Es lassen
sich vier verschiedene Formen nachweisen.

Die erste Gruppe — wir bezeichnen sie
als Tafel form —besteht nur aus dem Altar-
stein, welcher in ein Brett eingelassen oder von
einem Holzrahmen eingeschlossen ist. Sie uni-
fafst die einfacheren Monumente. Zwei sehr
schlichte Exemplare besitzt der „Weifenschatz".
Dieselben bestehen aus einem kunstlosen Eichen-
brett (30 X 20 X 2,3 cm) mit einem Kalkstein,
den man mit Nägeln befestigt hat. Ein ähn-
liches, rot angestrichenes Altärchen befindet
sich im Schatze zu Quedlinburg.42) Mehrere
sehr einfache Exemplare, bei denen der Stein
von einem Holzrahmen umgeben ist, fanden
wir unlängst im bischöflichen Museum zu
A u g s b u r g.43)

-16) Vgl. Rock »The churchof ourfathers« I, 252.
87) Mabillon ;>Acta Sanctorum ord. S. Bened.c
III, 1, 361.

38) Abbild. Rohault de Fleury V, pl. 340.
Vergl. »Annales archeologiques« IV, 249. Ducange,
»Glossarium« s. v. altare (paratum).

39) Neu mann »Der Reliquienschatz des Hauses
Braunschweig-Lüneburg« (Wien 1891) 145. Dieses
schöne Werk enthält eine vortreffliche Abhandlung
über die elf—nicht vierzehn, wie die meisten archäo-
logischen Handbücher sagen — im Schatze befind-
lichen Tragaltäre. Wir bezeichnen diese wertvolle
Sammlung mittelalterlicher Kunstgegenstände mit dem
in der Kunstgeschichte nicht recht passend einge-
bürgerten Namen „Weifenschatz".

40) Katalog der Düsseldorfer kunsthistorischen Aus-
stellung (1902) Nr. 394.

") Rupin »L'ceuvre de Limoges« (Tours 1882)
199 und Corblet in der »Revue de l'art chretien
XXVI« (1883) 593 sprechen von dreieckigen Al-
tären. Wohl mit Unrecht; weder die literarischen,
noch monumentalen Zeugnisse geben dazu Anlafs.

42) Neu mann a. a. O. S. 173.

41) Das Museum hat nicht weniger als sieben Trag-
altärchen, von denen bisher nur das älteste publiziert
wurde. Fünf sind ganz einfach und ohne künstleri-
schen Wert. Wir machen hier zum ersten Male über
dieselben nähere Angaben, welche wir der Freundlich-
keit des bischöflichen Archivars Riedmuller-Augsburg
verdanken. Das älteste gotische Altärchen (34 X 33
X 3 cm mit 7 cm breitem Holzrande) hat einen grün-
lichen, schwarzgeaderten Stein. Der Holzrahmen ist
oben mit Messingblech beschlagen, rechts und links
krabbenartige Verzierungen. Es hat in aufgenagelten
gotischen Majuskeln die Inschrift: Agnus Dci, qui
tollis pcccuta. In den Ecken die Evangelisten-Sym-
bole in Messingblech graviert; Ende des XIV. Jahrh.,
stammt wahrscheinlich aus der Pfarrei Thalfingen (Diö-
zese Augsburg). — Ein zweites Altärchen aus Solen-
hofer Stein (30 X 22 X 2 ein) ohne Holzrahmen,
der wohl verloren gegangen ist, von 1417. An den
Ecken und in der Mitte ein eingraviertes Kreuz. In
der Randeinfassung auf vertieftem Grunde in gotischen
Majuskeln oben Agnus, unten Dci, rechts JN, links
RJ. — Das dritte Tragaltärchen aus demselben Stein
(28,5 X 19,5 X 1 cm incl. des Holzrahmens) von 1417.
In den Ecken gravierte Kreuze mit Strahlen in Doppel-
kreisen; in der Mitte Christus an der Geifselsäule, in
Dürer'scher Weise. — Das vierte Altärchen aus glei-
chem Steine (31,5 X 27 X 2,5 cm), umgeben von
einem 3,5 cm breiten Holzrahmen aus der Kirche
St. Peter zu Augsburg; in der Mitte Christus am
Kreuze, darüber die Hand Gottes, zur Seite Maria
und Johannes. — Das fünfte Altärchen aus Jaspis mit
 
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