Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

DOI Artikel:
Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0034

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
35

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 2.

36

IV.

B. Schrein-Tragaltäre.

ehr Raum zu Anbringung reichen
Schmuckes als der tafelförmige bot
der Schrein-Tragaltar; wir finden
ihn daher in der verschiedensten
und reichsten Weise ausgestattet, zunächst durch
reliefierte Elfenbeinplatten und durch
Emailschmuck. Elfenbeingeschmückte Altär-
chen bilden daher auch die erste der von
uns aufgestellten Gruppen.

a) Neben den Reliquienschreinen, Buch-
deckeln und Diptychen sind es namentlich die
Tragaltärchen, welche uns mit dem Wollen
und Können der romanischen Elfenbeinplastik
bekannt machen. Seit dem VII. Jahrh. hatte
sich dieser Zweig der Kleinindustrie in Frank-
reich stetig entwickelt und im X. Jahrh. seine
Höhe erreicht. In Frankreich hat man drei
Schulen aufgestellt, welche sich durch Stil und
Technik unterscheiden: eine im Herzen Frank-
reichs, zwischen Sens, Poitiers und Tours, eine
zweite im Norden, in der Picardie und Nor-
mandie, und eine dritte zu Metz. Aber auch
in Deutschland wurde die Elfenbeinschnitzerei
nicht vernachlässigt, ja wir verdanken ihr recht
eigentlich unsere Kenntnis von der Entwicke-
lung der deutschen Plastik in der karolingisch-
ottonischen Zeit. Die gröfseren Werke aus
jener Periode sind fast alle im Laufe der Zeit
zugrunde gegangen, während die kleinen Elfen-
beinarbeiten der Zerstörungswut und Habgier
leichter entgingen. Die Kleinplastik blühte
namentlich am Rhein und in Süddeutschland,
aber auch in den sächsischen Klöstern fand
sie liebevolle Pflege, so dafs wir auch in Deutsch-
land drei Schulen unterscheiden können: eine
rheinische, süddeutsche und säch-
sische.111) Jede derselben hat auch die Aus-
stattung des Tragaltars unternommen, einzelne

Der mittelalerliche Tragaltar.

(Mit 13 Abbildungen.)

Exemplare haben

l'l) Vergl. Clemen a. a. O. S. 108ff. Über die
Entwicklung der Elfenbeinplastik in Deutschland
vergl. Bode, »Geschichte der Plastikt (1885) 5ff.
Schneider, Fr., »Deutsche Elfenbeinskulpturen des
früheren Mittelalters« (Leipzig 1887) 9, 12. Kraus,
»Kunst und Altertum in Elsafs-Lothringen« III, 580 ff-
und besonders jetzt Molinier, »Arts appliques ä
l'industrie« I (Paris 1896) 117, der leider die Trag-
altäre nicht berücksichtigt hat. Zur neuern Litteratur über
Elfenbeinplastik vergl. noch Braun, »Mitteilungen
des Germanischen Nationalmuseums« 1895, S. 20 ff.

sich bis jetzt erhalten.
— Der rheinischen Schule müssen wir einige
Altärchen zuweisen, die sich jetzt im Grofsherzogl.
Museum zu Darmstadt befinden, wohin sie
aus einer Kölner Kirche112) (bezw. mit der
Sammlung Hipsch) gelangten. Das genannte
Museum ist im Besitze von nicht weniger
als drei (nicht vier, wie Schäfer irrtümlich
schreibt) Portatilia, die alle dem XII. Jahrh.
angehören und wahrscheinlich in der rheini-
schen Metropole entstanden sind.

Der erste dieser Schrein-Altärchen ist mit
Elfenbeinreliefs geschmückt, deren spätkaro-
lingischer Charakter durch die Rundung und
Weichheit der Figuren nach Schäfer unzweifel-
haft sicher gestellt ist. Die gute Proportion
der Figuren, namentlich Gewandung und
Stellung machen allerdings den spätkarolingi-
schen Ursprung wahrscheinlich, später wurden
die Reliefs an dem Portatile angebracht. An
der ersten Schmalseite sieht man Christus am
Kreuze zwischen Maria und Johannes, auf der
entgegengesetzten Seite gewissermafsen als
Gegenstück die Anbetung Christi durch vier
Engel. An den Langseiten sind die Apostel
und Evangelisten (letztere mit ihren Symbolen)
dargestellt; sie tragen die traditionelle Kleidung
und ein Buch in der Hand. Als Altarplatte
dient ein Porphyr, der von einer gravierten
Kupferplatte umrahmt ist.113)

Reicher ist das zweite Darmstädter Portatile
mit Elfenbeinreliefs geschmückt; nicht nur sind
die Seitenflächen damit bedeckt, sondern auch
der Altarstein (verde antico) ist davon umgeben.
Die Reliefs auf dem Deckel bringen die Be-
deutung des Altärchens zur Anschauung: Abel,
Kain (?) und Melchisedech bringen ihr Opfer
dar. Auf den Seitenflächen sieht man in

«2) Über diese ehemaligen Kölner Tragaltäre
vergl. Gelen, »De admirabili magnitudine Coloniae«
(1045) 1. 3 synt. 5 § 4 p. 293, er zählt auf: 1. por-
tatile aureum altare in ecclesia S. Andreae ... 2. por-
tatile eburneum aureum ... 3. portatile aureum
cum sacris sie inscriptis historiis. Siehe Binterim,
^ Denkwürdigkeiten« IV, 1, 108 wo die Inschriften
abgedruckt sind.

il« Vergl, Schäfer, »Die Denkmäler der Elfen-
beinplastik des Grofsherzogl. Museums zu Darmstadt
(1872) S. 63, wo der ganze Altar der karolingischen
Zeit zugeschrieben wird; Abb. Rohaul t de Fleury,
pl. 350. O 11 e , »Kunst.Archäologie« I, 148 zweifelt
bereits an der richtigen Datierung.
 
Annotationen