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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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95

1904.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

96

Bücherschau.

Sveriges Medeltid, Kulturhistorisk Skil-
dring of Hans Hildebrand. Stockholm, P. A.
Norstedt & Söners Förlag.
Der auch in Deutschland sehr bekannte und hoch-
geschätzte Direktor des Hist. Staatsmuseums zu Stock-
holm hat vor 20 Jahren angefangen, diese sehr reich
illustrierte Kulturgeschichte des schwedi-
schen Mittelalters zu veröffentlichen, und seit
1896 liegen die beiden ersten (in je 3 Teile ge-
faisten) Bände vor, von denen der eine sich mit
den Bewohnern des Landes und der Städte
beschäftigt, der andere mit den Privilegierten:
König und Aristokraten, Ritler und Adelige. Jetzt
ist der dritte, noch stärkere (trotzdem nur in 2 Teile
gesonderte) Band hinzugekommen, der nur die
Kirche behandelt. (Preis für die 8 prächtigen
Halbfranzbände 100 Mark.) Derselbe zerfällt in 10
Kapitel, ungleich an Umfang und Illustrierung, die
im ganzen 654 sehr gut gezeichnete, sämtlich in den
Text aufgenommene Nummern umfafst. — Das
I. Kapitel handelt von der Einführung des Christen-
tums in Schweden; das II. von der Organisation der
Kirche; das III. vom Kirchengebäude; das IV. von
den kirchlichen Gefäfsen und Trachten; das V. vom
Gottesdienst; das VI. von Kirche und Volk; das VII.
von Kirche und Staat; das VIII. von Lehre und
Glauben; das IX. von den Klöstern; das X. von dem
Ende der mittelalterlichen Kirche. — Diesem Bande
sollen noch zwei weitere sich anschlielsen, von denen
der eine die Kunstwerke Schwedens nach ihrer ästhe-
tischen Seite sowie die Literatur darstellen wird, der an-
dere (um weit geringerer Stärke) Not, Barmherzigkeit,
Vereinswesen, Weltanschauung des Mittelalters behan-
deln wird. — Soweit hat der Verfasser seinen Rahmen
gespannt trotz der strikte durchgeführten Beschränkung
auf seinHeimatland, dafs, was immer in seine Kulturge-
schichte gehört, zur Darstellung gelangte. Mochte das
Land in der ernsten Eigenart seiner Entwickelung wie
in der konservativen Gestaltung und Erhaltung seiner
Zustände zu einem solchen Kulturbild besonders ver-
locken ; um es in so universeller Weise, in so umfassender
systematischer Form durchzuführen, bedurfte es des
Jahrzehnte hindurch mit unsäglichen Mühen im ganzen
Lande angesammelten vielseitigen Wissens, über
welches als der altbewährte Pfadfinder und Führer
der Verfasser verfügt, dem sein Vaterland eine kul-
turelle Entwickelungsgeschichte verdankt, wie kein
anderes Land sie besitzt, auch nicht so bald in so
abgerundeter Form erhalten wird. Und so grols ist j
der Bilderschatz, der sie erläutert, dafs ihm allein
schon ein gewaltiger Bildungswert innewohnt. An l
seiner Hand soll hier der III. Band etwas näher
geprüft werden, wobei die Gemeinsamkeit des ger-
manischen Ursprungs oft genug sympathisch in die
Erscheinung treten wird.

Die Runensteine des I. Kapitels zeigen die bizarre,
aber höchst interessante Vermischung mythologischer

und christlicher Motive, zugleich die reichen und
charakteristischen Verschlingungen der nordischen
Tier- und Pflanzenornamentik, die auch den roma-
nischen Gebilden ihren eigentümlichen Reiz verleiht.
— Das II. Kapitel informiert über die hierarchischen
Verhältnisse, die auch in Wappen und Siegeln ihren
Ausdruck finden. — Im III. Kapitel erscheint das
Bauwerk mit Einschluls seiner festen Ausstattung,
und ca. 100 Grundrisse von Zentral- wie Langhaus-
kirchen und Kapellen verraten eine ganz ungewöhn-
liche Mannigfaltigkeit der Gestaltung, wie der Ent-
stehung und Erweiterung. Was hier an Altartischen
und namentlich -Aufsätzen aus der frühgotischen Periode
als heimische Erzeugnisse, aus der spätgotischen
zum Teil als auswärtige Arbeit sich präsentiert,
verdient besondere Beachtung; Wandschränke, Chor-
stühle, Orgel des XIV. Jahrh., also aus sehr
früher Zeit, überraschen durch die Eleganz ihrer
Formen, und eine so bestimmte wie selbständige
Sprache reden die Grabsteine und Taufbrunnen, die
zumeist ebenfalls bis in das XIII. u. XIV. Jahrh.
zurückreichen. — Das IV. Kapitel stellt in alphabe-
tischer Anordnung liturgische Leuchter, Gefälse, Ge-
räte, Reliquiare zusammen, die fast ausschliefslich in
Schweden entstanden, die ornamentale Traditionen in
ihrer langen Fortdauer erkennen lassen, und der hier
der Paramentik, vornehmlich der Stickerei gewidmete
Beitrag erscheint auch hinsichtlich der Schmuckkünste
(Agraffen etc.) als eine wesentliche Ergänzung der in
Deutschland erhaltenen Beispiele. In Schweden hatten
sich, dank der Abgeschiedenheit mancher ländlichen
Kirchen, namentlich auf Gothland, und der vieljährigen
sorgsamen Aufsicht des Verfassers und seiner Be-
amten, viele Gegenstände erhalten, zu denen es in
anderen Ländern an Parallelen fehlt, und wenn auch
viele derselben, namentlich im XIII. u. XIV. Jahrh.,
eine gewisse Einfachheit des Entwurfs und Derb-
heit der Ausführung zeigen, als durch den ländlichen
Kunstbetrieb gezeitigte handwerkliche Leistungen, so
fehlt es doch auch nicht an Objekten ersten Ranges,
insoweit es sich um vornehmste Stilisierung und sub-
tilste Technik handelt — Die folgenden Kapitel eigneten
sich minder für die Illustrierung, mit Ausnahme des
IX., das in seinen merkwürdigen Klosteranlagen,
wie sie namentlich im Brigittenorden auf Grund ganz
spezieller, auch in Deutschland vereinzelt eingeführter
Einrichtungen sich entwickelt haben, einen eigen-
artigen Schatz zur Anschauung bringt. — Wie in den
Kathedralen und ihren Schätzen, so in den Land-
kirchen und ihren Möbeln, den Klöstern und ihren
Einrichtungen hat die mittelalterliche Kunst Schwedens
eine reiche, in manchen Beziehungen durch Gestalt
und Verzierung sehr charakteristische Tätigkeit ent-
faltet, und überaus dankbar ist das Bild, welches
von ihr in seinem reifen Kulturwerk darstellt ihr
berufenster Interpret: Herr Riksantiquarien Dr. Hans
Hildebrand. Schnütgen.
 
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