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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Oidtmann, Heinrich: Der einstige Fensterschmuck der durch Brand zerstörten St. Magdalenenkirche zu Straßburg im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0213

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335

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

336

Der einstige Fensterschmuck der durch Brand zerstörten St. Magdalenen-

kirche zu Strafsburg im Elsafs.

Zimmerleuten und zwei Glasern bewerkstelligt

ls ich im Jahre 1895 die alten Glas-
malereien des Elsasses besichtigte,
da waren es ganz besonders die
herrlichen Chorfenster von St. Mag-
dalena, welche durch ihre Gesamtanlage sowie
durch ihre ruhige, wohltuende Farbenstimmung
zu wiederholten Besuchen dieser Kirche an-
regten. Getrost durfte ich in früheren Ver-
öffentlichungen gelegentlich jene Glasfenster als
wahre Meisterwerke hinstellen, als Leistungen,
welche als Kinder des ausgehenden XV. Jahrh.,
— sie sind 1480/81 entstanden —, für die
damalige Zeit die nämliche Wertschätzung be-
anspruchen können, wie die um vier Jahr-
hunderte jüngeren Altarbilder und die gleich
vornehm gehaltenen Wandgemälde Martin
Feuersteins.

Kaum sind wenige Jahre verflossen, seit-
dem ein roher Anschlag in Lüttich wertvolle
Kirchenfenster zertrümmerte. Jetzt sind die
unersetzlichen Schätze der Magdalenenkirche
vollständiger Vernichtung zum Opfer gefallen.
In der Nacht vom 6. auf den 7. August 1904
hat eine verheerende Feuersbrunst, welche im
anstoßenden Waisenhause ausgebrochen war,
binnen kurzer Zeit die ganze Kirche in einen
Trümmerhaufen verwandelt. Unwiederbringlich
gingen die kostbaren Kunstdenkmäler verloren,
nachdem sie mehrmals dem drohenden Ver-
hängnis glücklich entronnen waren.

Vor etwa zehn Jahren erfuhr ich aus dem
Munde des um die Wiederherstellung der
Fenster hochverdienten Pfarrers, des jetzigen
Domherrn Schickele", welch' wechselvolleSchick-
sale die mittelalterlichen Kunstwerke über-
dauert haben. Nach den wüsten Stürmen der
französischen Revolution hatten sie mehr und
mehr durch gleichgültige Vernachlässigung ge-
litten, bis endlich im Jahre 1868 das Mittelfenster
durch den erfahrenen Glasmaler Petit-Ge"rard
um den Preis von 5000 Franken glücklich
wieder ergänzt und instandgesetzt wurde. Da
kamen im Herbst 1870 die schlimmen Tage
der Beschießung. In der Nacht des 25. August
flog die erste Granate durch das Altarfenster.
Weil in der Folge wiederholt Granatsplitter
die Glasgemälde verletzten, beschloß der
Kirchenrat die Herausnahme derselben, welche
durch Pfarrer Schickele" unter Beihilfe von vier

wurde. Nach dreitägiger gefahrvoller Arbeit,
am 27. September, waren die Felder, sorgsam
in Kisten verpackt, im Keller des Waisen-
hauses sichergestellt. „Es war 4 Uhr nach-
mittags", schrieb ein Jahr nach unserer Unter-
redung Pfarrer Schickele in seinem prächtig
ausgestatteten Buch über die Kirche.1) „Um
5 Uhr wurde plötzlich das Feuer eingestellt;
am Münster war die weiße Flagge gehißt."
Nebenbei bemerkt, gingen damals die Scheiben
aus der Karthause von Molsheim mit der
Bibliothek im Feuer zugrunde.

Erst im Jahre 1874 wurde die Wiederher-
stellung der sechs Chorfenster durch den Glas-
maler Bayer für 8150 Franken vollendet, zu
welchem Betrage 5000 Franken Kriegsentschä-
digung beigesteuert worden waren. Und heute
liegt wieder alles in Scherben. Man kann dem
Domherrn Schickele" den bitteren Schmerz nach-
empfinden, welcher ihn beim Anblick seines
vollständig zerstörten Lebenswerkes erfaßt
haben muß.

Eine eingehende Beschreibung der Fenster
vor Wiederherstellung derselben verdanken wir
Straub.2) Danach waren die Tafeln zum großen
Teil regellos durcheinander geworfen. Ihre
nachherige Aufstellung, welche ich 1895 behufs
späterer Bearbeitung aufgezeichnet hatte, fand
ich bei Schickeid genau beschrieben. Eine
weitere Schilderung gab einige Jahre nachher
Dr. Robert Brück.3)

Inhalt und Anordnung der Chorfenster
drängten mir sofort die Vermutung auf, daß
die Felder mit den kleinen Darstellungen
eigentlich nicht dorthin gehörten, vielleicht
einst im Schiff der Kirche gestanden haben.

') M. Schickele, »Die St. Magdalenenkirche in
Straßburg«. (1896). Zwei Lichtdrucktafeln mit Glas-
malerei.

2) Straub, M. l'abbe A. Notice sur les verrieres
de l'eglise de Sainte Marie-Madeleine ä Strassbourg.«
(1856). 17 Seiten. — Vergl. ferner »Enumeration des
verrieres les plus importantes conservees dans les
eglises d'Alsace«., par M. le baron de Schauen bürg.
(Caen 1860) S. 42. — Baptiste Petit-Gerard,
»Quelques etudes sur l'art verrier et les vitraux d'Al-
sace«. (Straßburg 1861.)

3) »Die Elsässische Glasmalerei vom Beginn des
j XII. bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts«. (Straß-
j bürg 1902.)
 
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