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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Cremer, Franz Gerhard: Ein Rückblick auf die "moderne Kunst", [1]: in der internationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0233

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367

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUXST — Nr. 12.

368

wir ausnahmslos: „Einheit in der Durchführung
des Gedankens" — „Vereinigung aller Teile
zu einem vollendet schönen Ganzen" — und
„sorgfältige Bewahrung und Inachtnahme des
einem jeden Einzelnen Zukommenden — bei
höchster technischer Vollendung" — verlangen.
Wir finden aber bei unseren „.Modernen"
keine dieser Forderungen erfüllt, ja, nicht ein-
mal den Versuch gemacht, diesem Begehren,
auch nur nahe zu kommen. Die allererste
dieser Forderungen: der Gedanke! fehlt gar
in so auffallender Weise, daß dies Fehlen einer
zum Ausdruck gebrachten Idee gleichsam zur
Signatur wird. Denn man wird doch wohl
nicht im Ernste geltend machen wollen, daß
zum Beispiel ein weiblicher Halbakt — weil
„Eitelkeit"3) genannt — einem höheren Ver-
langen entspreche. Daß es die Bezeichnung
allein nicht tut, beweist gewißlich ein „Tripty-
chon" genanntes Werk, welches, Sprachgebrauch
und Herkommen in der Kunst entgegen,4) etwas
wesentlich anderes finden läßt, als die Katalog-
bezeichnung5) zu erwarten berechtigt! Auch
ändert es nichts an der Tatsache, wenn etwa
ein Gegenstand, der kleinere Verhältnisse be-
dingt, in großen Dimensionen dargestellt wird.
— Ob nun dies Fehlen jeder höheren Idee auf
Indolenz oder Ignoranz zurückzuführen ist,
bleibe hier unentschieden, es genügt die Be-
stätigung eines erschreckend jjejsjigen_Tief-
standes. Es tritt aber zu dieser bedauerlichen
Erscheinung noch ein weiteres erschwerendes
Moment, denn wir vermissen schmerzlichst
das, was Horaz als das Erziehliche in der
Kunst für den Menschen bezeichnet. Heißt
doch der Dichter die Künstler in seiner ersten
Epistel an'Augustus sogar: „Tempelhüter der
Tugend" (Aedituos virtutis)6) und macht sie

') Nr. 1023 des Kataloges.

*) Der Ausdruck, der, wir wiederholen, hier
für profane Werke durchaus nicht gebräuchlich ist,
bleibt nur eine Nachahmung unserer westlichen Nach-
barn, die aber mit „Triptyque" keineswegs einen
Titel geben, sondern nur die Dreiteilung andeuten,
wie dies z B. der Katalog des Salon von 1903
deutlich macht. Es sei dafür an die Bilder von
„Thomas (A -V.) Musique, Danse, Poesie (Triptyque
pourl'Hötel de Ville-de Tours), pag. 49 und pag. 108:
Faux-Froidure M""e E ) La vie des roses, triptyque" —
erinnert.

5) Nr. 1371.

6) M. s. »Des Quintus Horatius Flaccus Briefe
über die Dichter und die Dichtkunst der Römer, an
den Augustus, Florus und die Pisonen.« Erläutert
von Johann Friedrich Haberfeldt, Pfarrern zu Neukirch

gewissermaßen zu Priestern, deren Amt es ist,
das Heiligtum im Menschen zu bewahren: es
zu eröffnen und zu schließen, es zu reinigen
und zu schmücken und vor jeder Art Ent-
weihung zu behüten. Treffend erinnert Haber-
feldt hierbei an die schöne Stelle aus des Eu-
ripides „Jon", des Sohnes Apollons und der
Kreusa, des attischen Königs Erechtheus Toch-
ter, wo er der Szene gedenkt, in der Jon, be-
gleitet von Tempeldienern, auftritt.7)

im Meißnischen usw. (Leipzig, 1802.) Band IV,

S. 115, v. 230.

') 82) „Siehe da strahlt mit dem glänzenden Wagen
mein Helios schon über dem Erdkreis,
und die Sterne entflieh'n vor dem himmlischen

Feur
in die heilige Nacht.

Unersteigliche Höh'n des Parnassos empfah'n,
umleuchtet zuerst vom flammenden Rad,
das den Sterblichen tagende Frühlicht.
Von der trockenen Myrt' aufwallet der Rauch

90) zum Tempelgesims;

und die Delpherin singt sitzend auf heiligem
Dreifuß den Bescheid dem hellenischen Volk,
den ihr zuflüsterte Phöbos

(Zu seinen Begleitern.
Auf! ihr delphische Diener Apollons,
zur silbernen Flut Kastalias eilt,
und wenn im rein hinsprudelnden Tau
ihr gewaschen euch habt, dann tretet hinein,
und bewachet den Mund andächtig, damit
nur heilsames, Heil weissagendes Wort

100) den Befragern des Gotts
von eueren Lippen ertöne.
Ich aber, das ist mein Tagwerk stets
Von Kindheit an, will säubern Apolls
Vorhöfe nunmehr mit Lorbeerreis
und geweihtem Gebund, *) und den Estrich naß
anfeuchten, und auch des Gevögels Schwärm,
welcher die göttlichen Weihgaben verletzt,
mit meinem Geschoß wegscheuchen ; denn ich,
der mutterlos und auch vaterlos ist,

110) diene den nährenden

Altären Apolls mit Ergebung.

Der Dienst, o Phöbos, ist schön, **)
den vor deinem Palast ich dankbar
130) üb' am weissagenden Stuhl.

Ich preise mein Dienstlos,
Das Göttern frohnen mich läßt,
nicht Sterblichen, Unsterblichen nur,
und in rühmlicher Dienstarbeit
werd' ich nicht müde.

*) Wie aus Vers 120 erhellt, ein aus Myrten gebundener
Besen.

**) Hierbei erinnert zutreffend der Übersetzer Gustav
Ludwig, Pfarrer in Malsheitn, (Stuttgart, 1845) an die Verse 2,
3, 5 und n des 84. Psalmes.
 
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