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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Braun, Joseph: Ein Reliquiar des XII. Jahrh. in der ehemaligen Jesuitenkirche zu Molsheim im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0080

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131

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

132

Ein Reliquiar des XII. Jahrh. in der ehemaligen Jesuitenkirche zu

Molsheim im Elsafs.

(Mit Abbildung.)

anderen ein Buch halten. Die Umrahmung der
Mandorla und der die Evangelistensymbole
y/ll] früheren Kölner Jesuitenkirche die umschließenden Felder weisen in der Mitte als
K„jn„t0n^rt« u^t^t^ri« Aar ;„ Belebung eine Perlenschnur auf.

ie ehemalige Jesuiten- jetzt Pfarr-
kirche zu Molsheim, neben der
früheren Kölner Jesuitenkirche die
bedeutendste Vertreterin der in
Belgien, in Rheinland, Westfalen und dem
Elsaß um das Ende des XVI. und im XVII.
Jahrh. entstandenen zahlreichen spätgotischen
Jesuitenkirchen, befindet sich im Besitz eines
interessanten Reliquiars aus dem XII. Jahrh.
Es hat Schreinform und ruht auf vier Löwen-
füßen. Der an allen seinen vier Seiten abge-
walmte Deckel ist mittels Scharnieren an der
Rückwand beweglich befestigt. Diese Rück-
wand ist massiv und ohne jedes Ornament, die
drei anderen Seiten sind dagegen durchbrochen
gearbeitet und reich mit figürlichen Darstellun-
gen verziert.

In gleicher VVeise ist der Deckel behandelt;
denn auch hier sind die beiden Schmalseiten
sowie die vordere Langseite ä jour, die hintere
Langseite aber massiv ausgeführt. Jedoch ist
letztere im Unterschied von der Rückseite des
Kastens mit eingepunzten Ranken verziert, die
freilich nicht ursprünglich sind, sondern erst
in späterer Zeit angebracht wurden. Sie stam-
men, wie es scheint, aus der Zeit, zu der man
dem Deckel den jetzt ihn bekrönenden Aufsatz

Von den die Gruppe der Verkündigung
bildenden beiden Figuren steht Maria zur Rechten
Christi, der Engel zur Linken. Maria trägt in
der Rechten ein Buch, der Engel als Herold
des Allerhöchsten einen Kreuzesstab. An den
beiden Schmalseiten des Kastens sieht man
unter drei mit Zickzack verzierten Rundbogen
je drei Apostel. Die Kapitale der Säulchen, auf
denen die Bogen ruhen, sind mit einfachem,
romanischem Blattwerk verziert, ihre Basen mit
leichter Fältelung versehen. Über die Mitte
der Säulchen zieht sich von oben bis unten ein
bald zickzackförmiges, bald an Diamanten er-
innerndes Ornament.

Der Deckel weist an seiner vorderen Lang-
seite vier Arkaturen mit ebenso vielen Apostel-
figuren, an den Schmalseiten je eine Arkatur
mit einer Apostelfigur auf. Bogen, Säulen und
Apostelbilder sind von demselben Charakter
und derselben Art der Ausführung wie die
gleichen Stücke an den Schmalseiten des Kastens.
Im ganzen finden sich am Reliquiar, Kasten
und Deckel zusammengenommen, zwölf Bogen,

hinzufügte, d. i. dem XVII. Jahrh. Die flache i entsprechend der Zwölfzahl des Apostelkolle-

Oberseite des Deckels ist völlig schmucklos.
Das Reliquiar ist aus Bronze gegossen und
nachträglich ziseliert. Kasten wie Deckel stellen
je ein Stück dar. Die Füße wurden angelötet.
Das Bildwerk, mit denen der eigentliche
Kasten verziert ist, besteht an der Vorderseite
aus einer Darstellung der Majestas, die von
den Evangelistensymbolen umgeben und samt
diesen mitten in eine Gruppe der Verkündigung
hineingeschoben ist. Der thronende Christus
trägt in der Linken einen Kreuzesstab, während
er mit der Rechten den lateinischen Segens-
gestus macht. Seine Füße ruhen auf einem
kissenartigen Schemel, der von F. X. Kraus in
„Kunst und Altertum im Unter-Elsaß" S. 154
irrig als Weltkugel bezeichnet wird. Die
Evangelistensymbole haben Menschenkörper
und Flügel, aber die bekannten symbolischen
Köpfe. Sie sind knieend dargestellt und
fassen mit der einen Hand die Mandorla an,
worin der Erlöser thront, während sie mit der

giums.1)

Was die Gewandung der Apostel anlangt,
so erscheinen alle nach Brauch in bloßen Füßen
und langer Tunika; ihr Obergewand besteht
teils in dem herkömmlichen Pallium, teils in
einer Art von Kasel. Nur Petrus ist durch
ein bestimmtes Attribut, die beiden Schlüssel,
kenntlich gemacht, die anderen sind ohne alle
nähere Bestimmung. Der Mehrzahl nach halten
sie, die einen in der Linken, die anderen in
der Rechten, ein Buch, die übrigen sind mit
einem Spruchband versehen. Ihr Nimbus ist
strahlenförmig, während derjenige Marias, des
Engels und der Evangelistensymbole schlicht
glatt ist.

An den vier Ecken der Deckels sitzen in
der Richtung der Diagonale vier schreibende

') Es ist irrig, wenn F. X. Kraus in „Kunst und
Altertum im Unter.Elsaß" S. 154 angibt, auf dem
Deckel befänden sich zwölf Arkaden mit den zwölf
Aposteln.
 
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