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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Oidtmann, Heinrich: Die neue Fahne der St. Sebastianus-Bruderschaft zu Linnich
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0083

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137

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

138

Die neue Fahne der St. Sebastianus-Bruderschaft zu Linnich.

(Mit 2 Abbildungen.)

cht, was echt ist — acht, was schlecht
ist! Dieser gesunde, in dieser
Zeitschrift allzeit mit Erfolg ver-
tretene Grundsatz hat glücklicher-
weise in der christlichen Kunst und dem ihr
so eng verwandten Kunstgewerbe immer weitere
Verbreitung, stetig wachsende Anerkennung ge-
funden; auch auf dem Gebiete der Nadel-
kunst, in der Stickerei, hat man sich mehr und
mehr von den billigen Ersatzmitteln abge-
wendet, um der künstlerischen Handarbeit den
ihr allein gebührenden Vorzug einzuräumen.

Zweihundert Jahre waren ins Land ge-
gangen, seitdem ein kurfürstlich jülichscher
Hauptmann mit seinem Ehegemahl der uralten
Schützenbruderschaft S. S. Sebastiani et Antonii
ein neues Fendel gestiftet. Als es nun galt,
abermals ein würdiges Banner für die wackere
Schützenschar zu beschaffen, da stand es von
vornherein fest, daß an der Fahne, dem alt-
hergebrachten Sinnbild der Ehre und Treue,
jede Einzelheit echt sein sollte.

Nachdem Dr. Schnütgen zum ersten Ent-
wurf vielseitige Anregungen gegeben und später
die fertige Zeichnung geprüft hatte, wurde die
Arbeit vertrauensvoll der kunstfertigen Hand
des Fräulein Peters zu Neuß übertragen. Die
bewährte Künstlerin hat alle auf ihre Tüchtig-
keit gesetzten Hoffnungen zur größten Zu-
friedenheit gerechtfertigt.

Die Fahne ist wirklich ein vollendetes
Meisterwerk der Stickkunst, kostbar im Stoff,
vortrefflich in der Durchführung, vornehm und
doch prächtig in der Farbenzusammenstellung.
Eine tief-erdbeerrote, von Fransen einge-
faßte, durch schwere Goldschrift belebte Borte
umrahmt das golddurchwirkte seidene Fahnen-
tuch von goldiger Bronze-Farbe. Die Eck-
stücke tragen grün-goldene Blätter. Die beiden
vorzüglich zu einander abgestimmten Töne der
Vorderfläche geben einen wirkungsvollen Unter-
grund für das Bildnis des Schutzheiligen.

Die edel gehaltene Gestalt des hl. Sebasti-
anus, in ihren Grundzügen, vor allem in dem
lieblichen Kopf, dem bekannten Gemälde des
Wallraf-Richartz-Museums zu Köln entlehnt,
ist mit peinlicher Sorgfalt ausgeführt, im wahren
Sinne des Wortes meisterhafte Nadelmalerei.
Das langgelockte, irn Flachstich ausgeführte Haar
des hl. Märtyrers ist in Gelb und Braun schat-

tiert; der Heiligenschein zeigt auf roter Scheibe
in Anlegearbeit verfertigte Strahlen, zu denen
teils glatter Goldfaden, teils Friese" verwandt
wurde. Für Gesicht und entblößten Oberkörper
ist der mit Haarseide ausgeführte vornehme
Haute-lisse-Stich gewählt, für das pflanzliche
Beiwerk der Platt- und Stilstich. Die terrakotta-
farbige Gewandung des Oberkörpers, sowie das
in lichtem Graublau abgetönte Beinkleid ist im
Flachstich ausgeführt, die in altsilber gehaltenen
Pfeile in gespanntem Silberfaden mit Überfang-
stich. — Die verschlungenen, in Applikation
übertragenen schwarz-rot geränderten weißen
Bänder sind im Plattstich schwarz beschriftet,
mit Kordel umrandet; die in Applikation und
Flachstich bewirkten Wappenschilde tragen die
ihnen zustehenden Farben.

Die Rückseite der Fahne besteht aus glän-
zendem Silberbrokat, eingefaßt von einer satt-
grünen, durch die kräftige Goldstickerei unge-
mein gehobenen Sammetborte, deren Ecken den
Schmuck rot-goldiger Blattverzierung aufweisen.
Die goldene Inschrift ist über ungebleichten
Filz in Sprengarbeit ausgeführt, die Blattver-
zierung der Ecken im Plattstich mit Goldadern
und Frise'-Umrandung.

Der goldene Löwenkopf in Konturstickerei
trägt an blaßbraunem Bande das applikativ
behandelte Wappen der Stadt Linnich, in
der oberen Hälfte den schwarzen, rotgezung-
ten, einschwänzigen Löwen von Jülich in gol-
denem Felde, unten das rot-gold geschachte
Ehrenzeichen der Herrschaft Randerath. Arm-
brust und Radschloßflinte zeugen von der in
den alten Satzungen vorgeschriebenen Tätigkeit
der Brüder, indes die zierlichen, äußerst zart
gefärbten Blatt- und Blütenranken den hellen
Hintergrund höchst vorteilhaft beleben.

Die eben geschilderte Fahne weicht inhaltlich
von den bisher üblichen Ausschmückungen wesent-
lich ab, indem sie dem Kundigen in gedrängter
Kürze die Geschichte der Bruderschaft andeutet.

Laut Umschrift, welche mit ihren großen
Zierbuchstaben den Blatt- und Rankenschmuck
sonstiger Fries-Umrahmungen ersetzt, ist die
neue Fahne dem ehrenden Andenken der be-
reits in der frühesten erhaltenen Stadtrechnung
vom Jahre 1425 erwähnten, jedoch wahrschein-
lich noch älteren, bis 1743 ununterbrochen in
den Urkunden wiederkehrenden Bruderschaft
 
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