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Zeitschrift für christliche Kunst — 18.1905

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Graus, Johannes: Ein Beichtstuhl-Inkunabel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4575#0202

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361

1905. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

362

Ein Beichtstuhl-Inkunabel.

(Mit Abbildung.)

nter allen Kircheneinrichtungen ist
das Confessionale in Ausbildung
der ihm eigentümlich gebührenden
Form am allerweitesten zurück-
Wie Darstellungen des Sakramentes

geblieben.

der Buße, von der Stilzeit der Gotik herrührend

es haben, sehen wir als Sitz des Beichtvaters des Sajzburger Gebietes nicht ferne, liegt in

das ich hier bekannt machen will. Weit ent-
fernt, ein Kunstwerk zu sein, hat es sicher
einen Wert, den Zeugen einer hervorragenden
Periode der Kirchengeschichte vorstellen zu
können.

Im obersteierischen Murtale, der Grenze

nur die Kathedra mit hoher Rückwand und
Armlehnen abgebildet, so daß dem Beichtenden
em anderes nicht erübrigte, als auf der Stufe,
von welcher des Priesters Stuhl sich erhebt,
sich hinzuknien, so ziemlich vor oder etwa
ein bischen seitlich des sitzenden Poenitenziars.
Rogers van der Wey-
den berühmtes Trip-
tychon der sieben Sa-
kramente im Museum
zu Antwerpen zeigt
das gerade so und
auf speziell für die
Aufnahme der Beichte
gegebene Kirchenvor-
schriften erinnert in
diesem Gemälde nur
die große Kapuze,
vom Haupt des Beicht-
vaters herabhängend,
die übers Gesicht zu
ziehen war, wenn eine C
Frau beichtgehört wer -
den sollte. Der Kir-
chenreform des Tri-

dentinums erst gelang, ^-w~—/

was früheren Zeiten ' ;~>

versagt blieb, dem St Lor«oea ob Murau: Beichtstuhl (1607).

Beichtorte eine Form zu schaffen, die förder- j freundlichen Statuen
lieh war der schicklichen und häufigen
Spendung des Bußsakramentes. Kirchen-
visitationen waren in jener kritischen Zeit der
Wende des XVI. zum XVII. Jahrh. das
wirksamste Mittel, Mißstände zu erheben, Fort-
schritte durchzusetzen. Bei der Verwirklichung
derselben in Hinsicht auf die Formgebung der
Konfessionale mag es oft zu Versuchen ge-
kommen sein, deren Resultate nicht befriedigten
und hinterher vor besseren Gestaltungen ver-
schwinden mußten. Als solchen Erstlings-
versuch eines nachtridentinischen Beicht-
stuhles betrachte ich das Stück, das ein
obersteierisches Kirchlein noch beherbergt und

der sehr alten Pfarre St. Georgen ob Murau
die Filialkirche St. Lorenzen, deren Haupt-
körper noch ins XII. Jahrh. zurückdatiert
mit seinem Ursprünge. Ein kleines, schmal-
schlitziges, rundbogig geschlossenes Fenster,
an der Südwand des Schiffes noch erhalten
macht dies gewiß. Die
in ihrem Innenraum
20 m lange, im Schiffe
8 m weite Kirche be-
sitzt im letzteren eine
gotische dekorativ be-
malte Bretterdecke,
ein sehr rar gewordenes
Ausstattungsstück, das
sich aber in dieser
nordwestlichen Ecke
Steiermarks in mehre-
ren kleineren Kirchen
des XV. Jahrh. zur
Gegenwait herüber-
gerettet hat. Vom goti-
schen Hochaltare er-
übrigt hier nur die
Holzstatue des Titel-
heiligen; ein kleines
Flügelaltärchen glei-
cher Periode mit
im Schreine, gemalten
Flügeln, der hl. Jungfrau gewidmet, hängt
nun aufgemacht an der Nordwand des
Schiffes. In der Sakristei, südseitig vom Altar-
raume, steht nun das unscheinbar geformte
Einrichtungsstück, das sich als einen der
frühesten Beichtstühle kundgibt. Gefertigt aus
Fichtenholz, stellt es die Kombination eines
Thronsitzes mit einer Kniebank vor. Eine
niedere Rücklehne und Armlehnen schlichtester
Art statten den Sitz des Konfessarius aus; die
Stufe, darauf er die Füsse setzt, läuft fort als
Kniebank, an der zur Rechten der Beichtende
seinen Platz einnimmt. Ein Sprechgitter ist
hier noch nicht vorgekehrt; durch die enge
 
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