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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Hasak, Max: Die neue St. Bonifatiuskirche zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0054

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Abhandlungen.

neue St. Bonifatius-
rirche zu Berlin.

2 Abbildungen: Tafel II
und Grundriß )

Frage, wie in den über-
aus schnell anwachsenden
großen Städten geeig-
nete Bauplätze für die
erforderlichen neuen
Kirchen zu beschaffen
sind, ist eine der schwie-
rigsten, dem selbst der
hingehendste Eifer des sammelnden Geistlichen
wie des glaubensfreudigen Volkes, welches selten
zu den Reichbegüterten gehört, nicht gewachsen
ist. Freie öffentliche Plätze werden höchst selten
zur Verfügung gestellt. Man ist also auf ein-
gebaute Grundstücke angewiesen, die zwischen
den Häuserreihen liegen. — Nimmt man diese
Grundstücke so schmal, wie es der Geldbeutel
wünschenswert erscheinen läßt, dann stößt die
Kirche hart an die Nachbarhäuser an. Man ist
in Verlegenheit, wie die himmelhohen Brand-
giebel durch die Kirche, die in bescheidener
Höhe aufgeführt werden muß, verborgen wer-
den sollen. Außerdem ist die Beleuchtung der
Kirche durch Fenster fast ausgeschlossen.

Man ist also gezwungen, breitere Grund-
stücke zu erwerben, um seitlich Wohnhäuser
aufführen zu können und die beträchtlich er-
höhten Mehrkosten des Grundstückes aus den
Mieten der Häuser aufzubringen.

In dieser Lage befand sich auch der des
Sammeins so kundige Bauherr der St. Bonifatius-
kirche, Herr Pfarrer Schlenke, der dem Unter-
zeichneten den Auftrag zu dem hier dargestell-
ten Entwürfe erteilt hatte.

Das Ganze gelangt in Ziegeln zur Aus-
führung; für die Häuser glatte Maschinensteine
gewöhnlicher Größe, für die Kirche und die
Vorderhäuser solche mittelalterlicher Ab-
messungen, deren Oberflächen vor dem Brande
aufgeraut und mit Sand bestreut sind. Sie
erhalten dadurch einen kristallinischen Glanz
in Art der rauhen Handstrichsteine, sind aber
gegen die Witterung gefeiter als letztere, welche
hier binnen kurzer Zeit ihre Farbe und damit,
trotzdem sie in mittelalterlicher Art mit der
Hand hergestellt sind, jeden Reiz verlieren.
Warum sollten wir neuzeitlichen Baumeister

auf die Errungenschaften unserer so hoch-
stehenden Technik verzichten ? — Gefällt uns
etwas an diesen neuzeitlichen Ziegeln nicht,
die überdies den Vorzug größerer Billigkeit
besitzen und fester gebrannt sind, dann muß
man versuchen, das, was nicht gefällt, zu ver-
ändern und zu verbessern, nicht aber die
ganze Technik über Bord werfen, um in recht
uranfänglicher Weise fatalistisch das nachzu-
machen, was frühere Jahrhunderte damals mit
guten Gründen so herstellen mußten. Das
tatkräftige Mittelalter des XII. und XIII. Jahrh.
hätte sicher nicht in dieser Weise gehandelt.

Dazu kommt, daß durch das Verfehmen
unserer heutigen Maschinensteine die betreffen-
den Werke in eine schwierige Lage geraten,
ja, ihr Bestehen geradezu gefährdet wird.

Damit aber würden große Mittel der Ver-
nichtung entgegengehen und dem Volkswohl-
stande unwiederbringlicher Schaden zugefügt
werden. Auch aus diesen weiter schauenden
Gründen müssen sich die neuzeitlichen Bau-
meister darauf besinnen, die Maschinenziegeln
nach ihrem Geschmacke umzumodeln und so
der bedrohten Technik beizuspringen.

Die neue Kirche hat zwei Türme erhalten
aus nicht abweisbaren Gründen. Ein Turm
versperrt jede Lichtzufuhr von vorn in die
Kirche, die gerade an dieser Stelle des Lichtes
am meisten bedarf, denn dort ist ihr durch
die seitlich anstoßenden Häuser jede Beleuch-
tung abgeschnitten. Hierzu tritt, daß die
Orgelempore dann das erste Joch der Kirche
einnehmen muß und den freien Ausblick ver-
hindert. Nur ein Turm nimmt sich auch über
den 22 m hohen endlosen Häuserreihen sehr
dürftig aus, wenn er nicht beträchtlich derb
angelegt wird. Dann erfordert er aber große
Mittel und fällt in seinen Einzelheiten völlig
aus der kleinen Hausarchitektur heraus. Zwei
Türme können sehr viel zierlicher und kleiner
sein, erzielen aber in Gemeinschaft mit dem
dazwischenliegenden Giebel viribus unitis eine
machtvolle Wirkung. Von vorn erfolgt der
Lichteinfall ungehindert und die Orgelempore
fügt sich ungezwungen zwischen die Türme.
Daher sind trotz dieses scheinbaren Aufwandes
die Kosten der Kirche verhältnismäßig niedrig:
400 000 Mk. einschließlich tiefeier Gründungs-
kosten und eines reichen Netzgewölbes auf
stattlicher. Kapitellen. Rippen und Kapitelle
 
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