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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Schulz, Fritz Traugott: Von der historischen Ausstellung in Nürnberg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0098

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1906 — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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mutter aus Freiherrlich von ßehaim-
schem Besitz. Es erscheint wie ein Aus-
fluß aus des Meisters Berthold Art. Das
zarte Antlitz hat ovale Form. Den Kopf
deckt ein faltenreiches Tuch. Die Augen-
brauen sind hoch hinaufgezogen. Der Knabe
ist frisch und natürlich gegeben. Zur Linken
gewinnt man durch das geöffnete Fenster einen
Durchblick auf eine äußerst fein detaillierte
Landschaft. Links oben die Wappen Behaim
und Peringsdorfer. Selten findet man soviel
Anmut und Empfindung vereint wie auf diesem
kleinen Bildchen. Vielleicht war Hans Pleyden- ,
wurff sein Schöpfer. Im Gegensatz hierzu
sind die 56 kleinen Darstellungen aus dem
Leben der Maria und Christi auf der aus der
Kirche in Kalbensteinberg stammenden,
0,86 m hohen und 1,24 m breiten Tafel in
hohem Grade derb zu nennen. Es sind
schlichte Bildchen von mittlerem Wert, aber
keck in den Darstellungen und in den land-
schaftlichen Hintergründen zuweilen nicht ohne
Reiz. Das sog. Vierfigurengemälde von
Kalchreuth wurzelt zwar noch sehr in der
konventionell-repräsentativen Art der Heiligen-
darstellung Doch sind die vor einem Brokat-
vorhang stehend zur Darstellung gebrachten
vier Heiligen Sebald, Sebastian, Johannes d. Ev.
und Jakobus major schon in Wechselbeziehung
zueinander gesetzt. Johannes ist als Mitte ge-
dacht, nach der hin sich die drei anderen
Figuren bewegen. Hier wäre dann noch die
14 Nothelfertafel aus Wöhrd aus dem
Ende des XV. Jahrh. anzuschließen. Es ist
eine mittelgute Arbeit. Die Heiligen sind in
ganzen Figuren gegeben. Die Antlitze sind
verschieden individualisiert.

Die Wo Ige mut-Frage von neuem anzu-
schneiden, ist hier nicht der Ort. Anfangs
mit seiner Persönlichkeit erfreulich in die Er-
scheinung tretend, ist dieser Künstler nachher
nicht mehr imstande, die Riesenarbeit, mit der
er überlastet wurde, selbst zu bewältigen. So
mußte er Schüler und Gehilfen heranziehen,
durch deren Verschiedenheit sein anfangs so
gediegener Charakter verwischt und getrübt
wurde. Wolgemut will als Kind seiner Zeit
und im Rahmen seiner Zeit beurteilt werden.
Es fehlt ihm der ins große gesteigerte Zug,
die monumentale Kraft, die packende seelische
Größe. Doch war er ein tüchtiger Kolorist
und ein befähigter Techniker. Er beherrscht
die Landschaft und ist ein Meister in der

Charakterisierung des Gesichtsausdrucks. Das
Archaisch-Konventionelle hat ja auch er nicht
überwunden. Seine Kunst überdauerte ihre
Zeit, sie veraltete. Sein hohes Alter trug ihn
in eine ganz andere, lebenskräftig empfindende
Epoche hinein. Aber Wolgemut blieb der
alte, er erstarrte in seiner Kunst. Wenn man
dies alles bedenkt, wird man nicht so hart
über ihn aburteilen, wie Thode es getan hat,
der entschieden hierin zu weit gegangen ist.
Und dabei kann doch nicht geleugnet werden,
daß er einen gewaltigen Einfluß ausgeübt,
daß er fast ein Menschenalter das Zentrum
des künstlerischen Lebens in Nürnberg ge-
wesen. Die auf der Ausstellung vorhandenen,
mit Wolgemut in Zusammenhang zu bringen-
den Bilder sind für seine Art und Richtung
sehr lehrreich, da sie verschiedenen Entwicke-
lungsstadien angehören. Das früheste ist das
große Kreuzigungsbild aus Bamberg.
Es wird zwischen 1470 und 1480 entstanden
sein. Die Art des 1465 geschaffenen Hofer
Altares in München blickt noch durch. Der
Kopf Christi ist tief empfunden, der Körper
weniger lebendig. Am Kreuzesstamm kniet,
schmerzhaft aufwärts blickend, Magdalena. Das
Antlitz ist sicher profiliert. Die mißratenen
Proportionen ihres Körpers verschwinden
unter dem schwerbrüchigen, übermäßig weiten
Mantel. Zur Linken, von Johannes gestützt,
die ohnmächtig zusammenbrechende Maria. Zur
Rechten Johannes der Täufer, auf das Lamm
weisend, und Andreas. Ersterer schreitet in
mächtiger Bewegung nach vorn. Eine mit
natürlichem Auge beobachtete Landschaft
bildet den Hintergrund. Ziemlich gleichzeitig
ist der mit geschnitzter Bordüre umrahmte
Altarflügel aus der Lorenzkirche. Die
Landschaft ist noch bedeutender als die auf
dem vorigen Bilde; sie atmet beschauliche
Ruhe. Der Vordergrund des Bildes ist außer-
ordentlich unruhig. Eine große Anzahl von
männlichen und weiblichen Personen mit
mannigfach charakterisierten Antlitzen kniet
in andächtigem Gebet nach links. Es war
ein gewagtes Unterfangen, so viel Figuren
dichtaneinandergedrängt auf einem Bilde zu
vereinigen. Der Künstler hat diese für die
damalige Zeit schwierige Aufgabe mit seltenem
Geschick gelöst. Entschieden ist das Bild
eines der besten des Meisters. Wenig später
sind die vier Darstellungen auf den beweg-
lichen Flügeln des kleineren Altares aus
 
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