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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Schulz, Fritz Traugott: Von der historischen Ausstellung in Nürnberg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0123

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177

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. b.

178

schrein eine vollplastisch gearbeitete Anbetung
(Abb. 2), auf den Seitenflügeln oben in Flach-
relief die Flucht nach Ägypten und die Geburt
Christi, unten in Reliefplastik die Anbetung der
hl. drei Könige und die Darbringung im Tempel
zeigt, übt eine mächtige, den Beschauer unmittel-
bar ergreifende Wirkung aus. Aus allem spricht
Empfindung und gefühlvolle Versenkung, natür-
liche Anschauung und le-
bendige Gestaltungskraft.
Die Gesichter sind fein und
naturalistisch durchgebildet.
Die Drapierung der Ge-
wänder ist edel und ruhig.
Die Kompositionen sind
ungezwungen und in sich
abgerundet. Bei der Trans-
ferierung des Altares ergab
sich, daß sich die Haupt-
darstellung durch eine später
vorgenommene gewaltsame
Einzwängung in einen klei-
neren Kastenschrein man-
cherlei Verkürzungen hat
gefallen lassen müssen. Die
Flügel sind unversehrt auf
uns gekommen.

Man wird nicht so bald
wieder Gelegenheit haben,
so viele Altarwerke einer
Schule vereinigt zu sehen.

Unter den Kr u z i f i x e n
der Ausstellung ist das
älteste dasjenige von der
Tenne des Pfarrhofes
in Wöhrd. Es gehört der
1. Hälfte des XV. Jahrh. an.
DieherabhängendenEnden
des über Kreuz gelegten
Lendenschurzes zeigen die
charakteristischen Triller-
falten. DasAntlitzistmitgut
durchgeführtem Gesichtsausdruck zur Seite ge-
neigt. An den Enden des senkrechten Stammes
in Vierpässen die Symbole der Evangelisten
Johannes und Markus. Diejenigen am Quer-
stamm fehlen. Den mit der 2. Hälfte des
XV. Jahrh. eingetretenen Fortschritt repräsen-
tiert in besonders hervorragendem Maße der
Kruzifixus aus Katzwang, den wir vor
der Hand als das bedeutendste Werk der
Gattung seiner Zeit betrachten müssen. Welch
ein hoher Adel, welch eine tiefe Empfindung

Abb. 3. Madonna aus Kadolzburg

in dem schlaff herabhängenden Körper, in
dem todesmüden, meisterhaft durchgearbeiteten
Haupt liegt, das läßt sich kaum in geeignete
Worte fassen! Das Lendentuch ist an der rech-
ten Hüfte zu einem sehr natürlichen Knoten ge-
schürzt. Die Enden flattern wie vom Winde
gebläht. Einen ganz anderen, weniger häufigen
und darum originellen Typus vertritt die
großeKreuzigungsgruppe
aus Münchaurach vom
Ende des XV Jahrh. Der
Künstler hat mit Bewußt-
sein auf eine ängstliche
Detaildurchbildungverzich-
tet. Er arbeitet mehr im
Großen, um eine monu-
mentale Gesamtwirkung zu
erzielen. Und er hat eine
solche bei der offenbar auf
Untenansicht berechneten,
am ursprünglichen Ort sehr
hoch gehängten Gruppe
auch erreicht. Christus ist
mit Kreuz fast 4 m hoch.
Der zugehörige Johannes
ist leider verloren gegangen,
während diealsSchmerzens-
mutter aufgefaßte Maria
seiner Zeit vom Baumeister
Andreas Kurr in Herzogen-
aurach erworben wurde,
der sie für die Ausstellung
bereitwilligst herlieh. Mit
dem Kruzifixus vom
Hochaltarin Herolds-
berg treten wir ins XVI.
Jahrh. ein. Er ist von zier-
lichen Proportionen und
außerordentlich minutiös
durchgebildet. Unterfränki-
sche Anklänge sind ja vor-
handen, doch haben wir es
ganz offenbar bei der unmittelbaren Nähe
Nürnbergs mit einer Arbeit der Nürnberger
Schule zu tun. Als Meister gilt traditionell
Veit Stoß. Sehr eigenartig ist auch die
Kreuzigungsgruppe aus der Kirche
in Mögeldorf, welche etwa ums Jahr 1520
entstanden ist. Christus ist schlicht und ruhig
aufgefaßt, während die Schacher voll drängen-
den Lebens sind. Namentlich gilt dies von dem
unbußfertigen Schacher, in dessen bartlosem
Antlitz es von verzweifeltem Trotz nur so zuckt.
 
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