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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Cremer, Franz Gerhard: Unsere Künstler und das öffentliche Leben, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0139

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203

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

204

Unsere Künstler und das Öffentliche Leben.

IL
o wurde Johann van Eyck, indem
er den antiken Traditionen erneut
folgte, der Begründer der modernen
Malerei! Denn was unsere Galerien
und Kirchen vom Beginn des zweiten Viertels
des XV. Jahrh. an — aus allen Schulen dies-
seits und jenseits der Alpen — bergen, gründet
sich auf van Eycks Wiederbelebung des alten,
schon in Urzeiten13) geübten Ölmal-
verfahrens!

Auch wir stehen heute wiederum
vor der gleichen ernsten Frage, die
van Eyck in rastlosem Ringen gelöst,
doch um vieles ernster ist sie für uns, weil uns
noch dazu die nicht zu unterschätzenden Vor-
teile der alten Werkstattübung längst verloren
gegangen sind, die dem Fabrikbetrieb und der
Handelsspekulation gewichen. Doch gleichem
Mühen kann gleicher Erfolg — auch
heute noch — nicht verwehrt bleiben!
Und sollten sich die Schwierigkeiten
auch gleichsam türmen, so könnte uns
das als Künstler doch nicht abschrecken,
zu erstreben, was wir unter allen Um-
ständen zurückgewinnen müssen!

Allen, die wir genannt, gab Weg und Ziel
zu ihren Forschungen und Fortentwickelungen
des Zurückgefundenen: die antike Schulung,
und auch wir werden dazu zurückkehren müssen,
wenn wir uns eines gleich glücklichen Aus-

13) In der Einleitung zu meinen „Untersuchungen
über den Beginn der Ölmalerei" konnte ich die Frage
nach dem Beginn und Ausgang dieser Technik mit
den Worten beantworten: ,,. . . Das vor uns heute
ausgebreitete Material gestattet uns sogar, unsere
Nachforschung gleich mit der kühnen Frage nach
dem ersten Beginne und dem Orte der Erfindung des
Ölmalverfahrens zu eröffnen. An diese Frage wird
sich die weitere schließen, ob nur von einer Stelle
aus sich die Erfindung verbreitet habe, oder ob
sie an vielen Stellen und zu verschiedenen Zeiten
erfunden sei. Die erste Frage scheint sich zu be-
antworten, wenn wir diese mit anderen Kunstäutie-
rungen der jungen Menschheit gleichalterig erkennen
wollen. Die sich daran anschließende Frage, ob die
Anwendung der Erfindung sich auf einen Ort be-
schränkt, oder ob sie von einer Stelle aus nach allen
Richtungen hin Verbreitung gefunden habe, mag in
Kürze dahin Beantwortung finden, daß die Ölmal-
technik in ihrer ganzen Ausdehnung mit
allen übrigen menschlichen Künsten und
Erfindungen einen gemeinsamen Ausgangs-
punkt hat und gleich diesen unausgesetzt
fortgeführt worden ist." (Seite 3.)

ganges erfreuen wollen. Hiervon gibt es keinen
Erlaß, und die wenig geschmackvolle Ausrede,
daß sich die „Akademie-Erziehung" doch wohl
nicht mehr mit Werkstatt-Verhältnissen ver-
quicken lasse, kann uns von den Forderungen
der alten Schule nicht befreien. Denn hören
wir nicht von den Meistern aller Zeiten gleiches
Begehren?! Als den van Eycks — und in-
sonderheit Johann — die alten Klassiker zu
laut redenden Orakeln wurden, da kannte er
aus der Mastrichter Schule, die nach allen
Richtungen der Windrose Verbindungen unter-
hielt, eines Theophilus Verlangen, wie das des
Anonymus Bernensis und nicht minder das des
Heraclius, womit wir, uns zurückwendend,
gleiches aus einem Zeiträume, etwa vom XIV.
bis X. Jahrh. vernehmen; also aus einer Zeit,
die man sich gemeinhin sogar recht dunkel
vorzustellen beliebt. Sie war es aber keines-
wegs, wie wir aus diesen und anderen Quellen
ersehen. Mit Recht schreibt daher Victor von
Scheffel in seinem „Ekkehard":14) „Über dem
Hegau lag ein trüber bleischwerer Himmel,
doch war von der Finsternis, die bekanntlich
über dem ganzen Mittelalter lastete, im einzelnen
nichts wahrzunehmen." In gleichem Irrtume
befangen betrachtet vielleicht annoch mancher
StubenhockerI5) jene Zeit und deren Kunst,
welcher einst Homer eine seiner herrlichsten
Schilderungen entnahm, als er im achtzehnten
Gesänge der Iliade die Szenen beschrieb, mit
denen Hephästos den Schild des Achilleus in
so wunderbarer Weise schmückte und belebte,
von welcher der Mäonide anhebt:

„Einen Reigen auch schlang der hinkende Feuer-
beherrscher,
„Jenem gleich, wie vordem in der weitbewohneten

Knossos
„Dädalos künstlich ersann der lockigen Ariadne."

(V. 590-592.)
„Das ist in einer Zeit", sagt Julius Braun,16)
„wo eine mißgeborene Kritik das leuchtend
blaue Mittelmeer mit kimmerischem Nebel zu

") »Ekkehard«. Eine Geschichte aus demX.Jahrh.
von Joseph Victor von Scheffel. — 209. Aufl. —
(Stuttgart 1905) S. 1.

ls) Den Vertreter dieser seltsamen Gelehrten-
Kategorie charakterisiert Heinrich Heine:

„. . . Mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen
„Stopft er die Lücken des Weltenbau's."

(Buch der Lieder. [Hamburg 1851] LVIII, S. 223.)
lc) .Geschichte der Kunst' in ihrem Entwicklungs-
gang durch alle Völker der alten Welt hindurch auf
 
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