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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Oidtmann, Heinrich: Über die Instandsetzung alter Glasmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0176

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263

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

264

Nachdem auch die Zeichnung wieder zur
Geltung gekommen, erkennt man auf den
ersten Blick, daß die Vorlagen zu den Glas-
gemälden zweifelsohne von verschiedener
Hand herrühren; einzelne Gruppen sind derb
und steif, andere wieder lieblich und lebendig
(Abb. 3); die Geberdensprache ist lebhaft;
in den meisten Gesichtern verrät sich ein
sichtbares Streben nach seelischem Ausdruck.

Bezüglich der Wiederherstellung alter Glas-
malereien sind zwei grundverschiedene Ge-
sichtspunkte zu unterscheiden und zwar, ob
die herstellungsbedürftigen Glasmale-
reien Fenster, also in der Kirche
bleiben, oder ob sie lediglich als merk-
würdige Altertümer ohne jegliche Rück-
sicht auf ihren künstlerischen Wert,
unter Verzichtleistung auf irgend-
welche Wirkung in einer Sammlung
Platz finden sollen.

In letzterem Falle mag man, falls die
Leitung eines Museums zufällig diesen Stand-
punkt einnimmt, die Tafeln in mangelhafter
Verfassung, deren Mängel meinetwegen den
Weit sogar erhöhen mögen, an sicherer Stelle
unterbringen. Da weder Wasserdichtigkeit
noch besondere Widerstandsfähigkeit erforder-
lich sind, soll man, wenn irgend möglich, das
alte Bleinetz erhalten. Will man, was ver-
nünftig wäre, störende Glasstücke entfernen
und passende einziehen, so klopfe man das
Bleigerippe behutsam mit Hilfe eines geeigne-
ten Holzstückes zurück, drücke die Stücke
von unten her hinaus und treibe nach Ein-
legen des Ersatzes die Bleie wieder in die
richtige Lage.

Ganz anders lautet die Antwort und sollte
sie lauten, wenn die alten Glasmosaiken ihren
Zweck als Fenster zu erfüllen haben. Mit
Vorliebe weiß man als Vorzug der Alten ihr
kluges Verständnis zu rühmen, die Glasmale-
reien als unzertrennlichen Bestandteil des
Baues mit diesem in Einklang zu bringen,
dieselben der Architektur unterzuordnen.
Weshalb wird dieser Anschauung denn nicht
folgerichtig Rechnung getragen ? Wenn ein
unzertrennlicher Bestandteil eines Baues in
Verfall gerät, so wird er eben instandgesetzt.
Vermag er den beabsichtigten Zweck nicht
mehr zu erfüllen, so muß für Abhilfe gesorgt
werden. , Das Ziel der Denkmalpflege ist
Erhaltung und Sicherung des Bestehenden.

Es kann aber im Sinne der Erhaltung eines
Bauwerkes eine Wiederherstellung sowohl wie
die Erneuerung einzelner Teile und die Er-
gänzung fehlender Bauglieder nötig werden",
so begründen das Kultus- und das Ministerium
des Innern Bayerns einen diesbezüglichen
Erlaß, dessen Einzelheiten „auch in ent-
sprechender Weise für Werke der Plastik, der
Malerei und des Kunstgewerbes" Geltung
haben sollen.

Als äußerster Notfall bleibt ein Ausweg
übrig; das alte Glasgemälde wird durch eine
getreue Kopie ersetzt; dann möge man den
Trümmern desselben in einem anderen Raum
Unterkunft gewähren.

Die zur Instandsetzung unumgänglich not-
wendigen Verrichtungen vornehmen zu lassen,
wird sich wohl ernstlich niemand weigern.
Wie aber verhält es sich mit der Ausbesserung
wesentlicher Schönheitsfehler?

Um von vornherein „Belehrungen" oder
Mißdeutungen vorzubeugen, bemerke ich, daß
ich bereits vor Jahren8) der versöhnenden
Wirkung der „trüben Medien" entschieden
das Wort geredet, dabei den günstigen Ein-
fluß mäßiger Patina gebührend anerkannt
habe und noch anerkenne. Gleich hier möchte
ich betonen, daß vor nicht gar langer Zeit
der Glasmaler Professor Fritz Geiges-Freiburg
in seinem vortrefflichen Buche „Der alte Fenster-
schmuck des Freiburger Münsters" ausdrück-
lich hervorhebt, daß unsere Anschauungen
über die Glasmalerei sich vollständig decken.

Weil ich nun voraussetzungslos für präch-
tige — sicherlich für eine durch vernünftige
Patina erhöhte — Farbenwirkung schwärme,
nicht aber für den „Edelrost" als solchen,
unter keinen Umständen für eine entstellende
Schmutzkruste, empfehle ich Beurteilung von
Fall zu Fall. Keinesfalls ist die Kirche dafür
da, einer schwarzen Fensterfläche, welche das
alte Wortspiel von der Verwandtschaft zwischen
„Fenster" und „finster" in Erinnerung ruft,
als Umrahmung zu dienen.

Dann lasse man doch auch ruhig die graue
Tünche auf alten Wandmalereien, den Schmutz
auf Mosaiken, die Risse und Sprünge auf
Tafelgemälden.

In der spätgotischen Pfarrkirche zu Linnich
hing als letztes Überbleibsel eines alten Kron-
leuchters über der ewigen Lampe eine schwarze
Kugel; der dicken Kruste gemäß durfte sie

8) »Geschichte der Glasmalerei«, Köln, 1898, S. 134.
 
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