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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Oidtmann, Heinrich: Über die Instandsetzung alter Glasmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0180

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271

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

Wesen der Patina. Die wirkliche Patina,
der Glasrost, wenn man dieses Wort gebrauchen
darf, entsteht also durch Zersetzung der oberen
Glasschicht; sie besteht hauptsächlich aus
Kieselsäure mit geringen Beimischungen von
Eisen, Kalk, Blei und zuweilen Spuren von
Kupfer. Andere fanden neben sandiger Kiesel-
erde schwefelsaure und kohlensaure Kalkver-
bindungen, Natriumchlorür, ein Kalksalz mit
organischer Säure. Daß gelegentliche Verun-
reinigung der Luft tiefgreifende Veränderungen
hervorruft, hat sich an den alten Glasmalereien
zu Nürnberg gezeigt, wo die bei der Hopfen-
schwefelung gebildete schwefelige Säure, die bald
in Schwefelsäure übergeht, mit dem Kalk des
Glases einen Überzug aus Calciumsulfat bildete.

Die Schicht, von verschiedener Dicke, bald
mehr, bald weniger fest haftend, ist meist über
die ganze Fläche der Glasstücke ausgebreitet;
seltener überzieht sie nur einzelne Stellen und
zwar die Mitte der Gläser. Ihre Farbe ist ver-
schiedenartig, weiß, weißgrau, gelblich, rötlich
bis dunkelbraun. Bisweilen zeigt sie ein flechten-
artiges Aussehen, was wohl zu der Meinung von
dem Moosüberzug verleitet haben mag. Weiche
Gläser sind stärker angegriffen; man sieht ge-
schlängelte, ausgefressene Rinnen und Bohr-
löcher, ähnlich der Wühlarbeit des Holzwurms;
tiefere Grübchen sind mit lockerem Glaspulver
ausgefüllt.

Während harte Gläser, bei welchen der
Überzug sich schichtweise von der Oberfläche
aus bildet, nach der Reinigung wieder eine
glatte Fläche zeigen, allenfalls leicht matt er-
scheinen, begegnet man bei anderen einer
rauhen, häufig grob gekörnten, dem Zement-
verputz ähnlichen Oberfläche.

Was die Verschiedenartigkeit des Verwitte-
rungsgrades anbetrifft, so zeigt sich durch-
schnittlich Grün fast frei von Patina; auch
Weiß ist ziemlich gut erhalten. Bei den
übrigen Farbengläsern wechselt das Maß ihrer
Widerstandskraft; höhere Oxydation zeigen
oft Fleischfarbe und Violett.

Auffallend ist die Tatsache, daß das Schwarz-
lot manchmal die Veränderungen des Glas-
körpers aufgehalten hat. Einzelne, aus dem
ringsherum abgefressenen Glas erhaben vor-
stehende Konturen werden deshalb leicht
für nachträgliche Ausbesserung angesehen.10)

10) Bei dem Christus der im Diözesan-Museum
stehenden Geißelung lagen die Konturen tiefer als
die Glasoberfläche Jedenfalls waren dieselben unter

Flächenartige Erhabenheiten rühren möglicher-
weise von dem Schutz eines inzwischen ver-
schwundenen Schwarzlot-Überzuges her.

Behandlung der Patina. Ein zarter
Anflug von Patina oder Schmutz, der die
Lichtdurchlässigkeit nicht wesentlich beein-
trächtigt, mag bleiben; „dann erscheinen Bild
und Farben in jenem milden Ton und sanfter
Beleuchtung, die dem Auge so wohltätig und
für das Gemüt so erquickend ist." Solche
Wirkung zeigt sich so recht bei manchen
spätgotischen Fenstern.

Wird aber die Kruste dicker, daß nur
bei sehr starker Belichtung spärliche Licht-
strahlen durchfallen, das Glasgemälde nur eine
schmutzige, düstere Fläche darstellt, dann ist
die Reinigung dringend geboten. Dabei
müssen allerdings vorsichtige Sorgfalt, weise
Mäßigung und künstlerischer Geschmack ob-
walten. Nach fleißigem Abspülen mit reinem
Wasser und gründlichem Abtrocknen klebe
man die Glasstücke eines Feldes in richtiger
Zusammenstellung mit Wachs auf eine weiße
Scheibe und stelle sie auf die Staffelei. Jetzt
folgt die Reinigungsarbeit, welche die ge-
wünschte Licht- und Farbenstimmung bringen
soll und neben gereiftem Geschmack außer-
gewöhnliche Geduld beansprucht. Zur Er-
zielung der beabsichtigten Wirkung werden
die dunklen Teile herausgenommen und mit
einem feuchten Korkstopfen abgerieben, wenn
nötig, unter Beifügung von Totenkopf, Caput
mortuum. Meist wird dadurch der Zweck
erreicht. Ausnahmsweise muß derber zuge-
griffen werden, mit verdünnten Säuren, mit
Salz- oder Salpetersäure. Bleiverbindungen
weichen der Essigsäure. An besonders hart-
näckigen Stellen muß zu Bimsstein und ver-
dünnter Flußsäure übergegangen werden.
Harte und scharfe Werkzeuge sind meist zu
entbehren. Bei Anwendung von Säuren ist
größte Behutsamkeit geboten; die zu schonen-
den Stellen, vor allem die innere, bemalte
Seite der Glasstücke, werden durch Über-
ziehen mit Wachs geschützt. Nach Angabe
älterer Meister erleichtert vorheriges Brennen
die Arbeit, ein Verfahren, welches hier nur
ganz vereinzelt, nach vorsichtigem Versuch
mit wertlosen Bruchstücken, in Anwendung
gekommen ist. Gründliche Abspülung muß jede
nachträglicheWirkung von Säureresten verhüten.
Mitnahme der obersten Glasschicht abgesprungen
und sind nachträglich erneuert wordi-n
 
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