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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Bücherschau
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283

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

284

Bücherschau.

Die Kunst des Klosters Reichenau im IX.
und X. Jahrh. und der neuentdeckte karo-
lingische Gemäldezyklus zu Goldbach
bei Ueberlingen. Festschrift zum 80. Geburts-
tage Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs
Friedrich von Baden. Mit Unterstützung des
Großherz. Min. der Justiz, des Kultus und Unter-
richts von Prof. Dr. Karl Künstle. — Herder,
Freiburg. (Preis Mk. 20.)
Wenn die Erforschung der frühmittelalterlichen
Miniatur- und Wandmalereien Deutschlands in den
beiden letzten Jahrzehnten am erfolgreichsten im
Großherzogtum Baden gewesen ist, so hat das er-
habene FUrstenpaar an seiner Spitze daran wesent-
lichen Anteil durch seine bekanntlich ganz außer-
gewöhnliche Förderung nicht nur sämtlicher Kunst-
bestrebungen, sondern speziell gerade dieser Studien,
mit denen Kraus den Anfang machte. Es war daher
ein Akt der Dankbarkeit, die grolJen Feierlichkeiten
in Karlsruhe auch durch eine Festschrift zu verherr-
lichen, welche zum erstenmal in zusammenfassender
Weise das gewaltige Kunstschaffen auf der Reichenau
behandelt, als dessen Frucht auch die erst 1904
zutage getretenen Wandgemälde in Goldbach er-
scheinen. — Das Entstehen des Klosters unter dem
Abte Pirmin wurde durch die Gunst Karl Martells
erleichtert, der Neubau des Münsters Mittelzell unter
Hatto I. durch die Fürsorge Karls des Großen, die
Kirche Oberzeil durch Hatto III. gegen Schluß des
Jahrhunderts gegründet, nachdem die Kirche Nieder-
zell schon früher angelegt war. An der Hand der
Grundrisse werden diese drei Kirchen analysiert mit
dem Ergebnis älterer Datierung, als sie bisher
angenommen wurde. Diese erstreckt sich auch auf
die merkwürdigen Gemälde (Wunderzyklus) in der
Kirche Oberzeil, die hier in eingehender, durch
Abbildungen belegter Beweisführung für den Schluß
des IX. Jahrh.. also für die karolingische Periode in
Anspruch genommen werden. — Im Anschlüsse an
sie wird sehr ausgiebig, ebenfalls durch Abbildungen
erläutert, die Reichenauer Miniaturmalerei geprüft,
als deren glänzende, durch die Wandmalerei ange-
regte Erzeugnisse jetzt gegen 30 Handschriften aus
der Ottonischen Zeit aufgeführt werden: Kirchliche
Vorlesebücher, Sakramentarien. Evangeliarien, Hand-
schriften mit alttestamentlichen Texten. — An diese
mit Klarheit und Wärme geführten überzeugenden
Untersuchungen schließt sich die durch vier farbige
Tafeln und zeichnerische wie photographische Wieder-
gaben illustrierte Beschreibung der Goldbacher
Wandgemälde an (Heilung des Aussätzigen, Jüngling
von Naim, Christus mit 2 Pharisäern, Sturm auf dem
Meere, 2 Votivbilder), die durch Vergleichung mit
den zum Teil auch abbildlich gezeigten Bildern aus
Oberzell, ebenfalls noch der karolingischen Periode zu-
gewiesen werden. — So besitzt mithin Baden in Ober-
zell und Goldbach den ältesten Schatz an Wand-
malereien diesseits der Alpen; ihn gehoben, förmlich
und feierlich in das richtige Licht gestellt zu haben,
ist das Verdienst der vorliegenden musterhaften
Monographie. Schnütgen.

Die Bibel in der Kunst (hier Bd. XVIII,
Sp. 2,r)5 bereits angezeigt) liegt nunmehr durch Kirchheini
in Mainz in einem gut verzierten Prachtband (Mk. 30)
fertig vor. Sie umfaßt 97 tadellos ausgeführte Helio-
gravüren, von denen 64 das Alte Testament illustrieren,
33 das Neue, dem mithin nur ein Drittel entnommen
ist. Schon diese Auswahl, noch mehr der Umstand,
daß sie sich zumeist auf entlegene Szenen bezieht, die
mehr die Künstler, als das Publikum verlocken, scheint
anzudeuten, daß sie nicht mit dem gewöhnlichen Maß-
stab der Bibelillustration beurteilt sein will, daß viel-
mehr durchweg die Eigenart der Auffassung maßgebend
war: das Packende der Komposition, die zeichnerische
bezw. malerische Behandlung des biblischen Vorfalles, wie
sie von den hervorragendsten Malern, namentlich des
Auslandes, in unseren Tagen gepflegt werden. Wenn
diese zumeist den biblischen Bericht (der hier textlich
überall, gewissermaßen zur Kontrolle des Malers, bei-
gefügt ist) offenbar recht wörtlich wiederzugeben be-
müht sind, so erscheint das als Fehler nur in dem
Falle, daß sie zu rein naturalisierenden, oder gar zu
anstößigen Darstellungen gelangen. Letztere sind leider
nicht ganz vermieden (Samson und Dalila), erstere
mehrfach zu stark betont, so daß das religiöse Em-
pfinden nicht hinreichend seine Rechnung findet. Da-
mit soll nicht gesagt sein, daß es an innig und wann
empfundenen Versinnbildungen fehlt; sie begegnen
vielmehr des öfteren als der Ausdruck gläubiger, ja
frommer Auffassung, so daß manche von ihnen als
erbaulich bezeichnet werden dürfen. Dieses wäre wohl
noch in größerem Umfange der Fall, wenn die deut-
schen Meister, die sich im ganzen konservativere
Grundsätze bewahrt haben, nicht in dieser, zunächst doch
für Deutschland bestimmten Publikation viel zu wenig
berücksichtigt wären. — Dagegen darf nicht unerwähnt
bleiben, daß die künstlerischen Gesichtspunkte: die
Originalität der Erfindung, das Abgerundete der Ge-
staltung, die (namentlich bei den Engländern vor-
wiegende) Schönheit der Linienführung mannigfach
stark sich geltend machen, so daß von diesem Stand-
punkte aus die Sammlung Anerkennung verdient, auch
ernten wird in den Kreisen der die Erweiterung des
biblischen Bilderkreises und den engeren Anschluß
desselben an die orientalischen Eigentümlichkeiten und
Gepflogenheiten gewiß nicht mit Unrecht erstrebenden
Beurteiler. — In diesem Sinne mag das neue, aus
mancherlei modernen Anschauungen und Bestrebungen
herausgewachsene Werk sein Ziel nicht verfehlen, auf
die Bibel hinzuweisen und deren stärkere Berücksichti-
gung in dem Kunstschaffen der Gegenwart zu betonen,
die bereits gewonnene und die noch weiter zu be-
gehrende. — Eine derartige Bilderbibel entsteht voll-
kommen nicht in einem Wurfe; der vorliegende hat
ohne Zweifel das Verdienst, sie angeregt und zu ihr
schätzenswerte Beiträge geliefert zu haben. Schntitgen.

Geschichte der E van gel ien büc h er in der
ersten Hälfte des Mittelalters. Von Stephan
Beissel S. J. Mit 91 Bildern (Ergänzungshefte
zu den >Stimmen aus Maria-Laachc, 92 und 93.)
Herder, Freiburg. (Preis Mk. 6,50.)
 
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