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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

DOI Artikel:
Braun, Joseph: Die Paramente im Schatz der Schwestern U. L. Frau zu Namur
DOI Artikel:
Schmid, Andreas: Kunstkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0200

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303

1905.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

304

der mittelalterlichen Stickerei von größter
Bedeutung ist. De Farcy hat es versucht,
die Stickereien, die er zur Abbildung bringt,
wenigstens in allgemeiner Weise nach ihrer
Herkunft zu charakterisieren. Indessen wird
man schwerlich in allem einer Meinung
mit ihm sein; er hat aber auch selbst sich
veranlaßt gesehen, verschiedenen Stickereien
in einer Tabelle des Supplements zu jenem
Werke einen anderen Ursprung zuzuweisen,
als er es in dem Hauptband getan hatte.
In bezug auf die Feststellung der Herkunft
der mittelalterlichen Stickereien bleibt noch
viel zu schaffen übrig. Völlige Klarheit wird
wohl kaum jemals zu erzielen sein. Leider
bieten die in andern Punkten so wertvollen
Inventare für diesen wenig Unterlage. Nur
sehr selten finden sich in ihnen Vermerke
über den Ursprung der Stickereien, die sie
verzeichnen. Eines der ergiebigsten ist in
dieser Hinsicht das Inventar von St. Peter
zu Rom aus dem Jahre 1861.

Auch die zweite Mitra hat man mit Jakob
von Vitry in Verbindung gebracht. Sie mag
in der Tat ebenfalls von ihm herrühren. Für
die Feststellung der Herkunft der Mitra ist
das allerdings ohne Bedeutung.

Ein sehr interessantes Stück ist der im
Besitz der Schwestern U. L. Frau befindliche
Manipel. Die Reproduktion einer ihn sehr
klar wiedergebenden Photographie (Abb. 5)
überhebt uns der Notwendigkeit eines näheren
Beschreibung der figürlichen Stickereien, mit
denen er geschmückt ist, sowie der Architek-
turen, unter denen die Bilder angeordnet
sind. Die dargestellten Heiligen sind die
Apostel Bartholomäus, Johannes, Paulus, An-
dreas, Jakobus, Petrus, der hl. Dionysius und
der hl. Thomas von Kanterbury, welch letz-
terer also auch auf dem Manipel auftritt. Die
Mitte nimmt ein Kreuz ein, eine Seltenheit

auf mittelalterlichen Manipeln. Ausgeführt
sind die Stickereien ganz in Gold in der
früher beschriebenen Abhefttechnik. Die Kon-
turen und Falten sind durch einen dunkeln
Seidenfaden hergestellt. Bei der Einfassung
der Kasel der beiden Bischöfe wechselt die
Richtung der Stiche, da zur deutlicheren
Hervorhebung der Borde für diese statt der
für die Kasel selbst gebrauchten senkrecht
verlaufenden Fadenreihen schräg liegende
angewendet sind. Der Grundstoff des Ma-
nipels besteht aus einer jetzt gelbbräunlichen
Seide, die ursprünglich, wie es scheint, von
roter Farbe gewesen sein dürfte. Seine Ge-
samtlänge beträgt 1,29 m, seine Breite 0,08 m.
An den Enden war er ursprünglich wohl mit
Fransen oder Glöckchen besetzt, wie solches
bei den besseren gleichzeitigen Manipeln
gewöhnlich war. Seine Entstehung dürfen
wir nach der Art der Darstellungen und
der Bildung der Architekturen wohl unbe-
denklich in das XIII. Jahrh. setzen, und zwar
etwa in die Zeit, in der auch die bestickte
Mitra im Schatz zu Namur entstand. Seine
Herkunft müssen wir auf sich beruhen lassen;
immerhin soll nicht unerwähnt bleiben, daß
der Charakter, der Stil und die Technik der
figürlichen Darstellungen, mit denen er ge-
schmückt ist, durchaus der Behandlung des
Figurenwerks auf den Mitren zu Namur, Sens
und München und anderer zu deren Familie
gehörigen Stickereien2") entspricht, und daß
der Manipel daher wahrscheinlich auch zu
dem Kreis dieser Mitren gehört und wie sie
sizilianischen Ursprungs ist.

Luxemburg. Jos. Braun. S. J.

2U) Man vgl. z B. das Bild der Muttergottes auf
der Stickerei zu Pontigny, die Bilder Christi und
Maria auf dem Mantel Ottos IV., die figürlichen
Darstellungen auf der Mitra zu Anagni u. a.

Kunstkritik.

ie Frage, ob die künstlerischen
Produkte einschließlich der Musik
einer objektiven Kritik unterworfen
werden können, ist von Philosophen
schon vielfach erörtert und verschieden be-
antwortet worden, je nachdem die Kritiker
dem Idealismus (Hegel) oder dem Formalis-
mus (Hanslick, Zimmermann) huldigten. Schrift-

steller, z. B. Detmold, Fiedler, Leixner, Riegel,
suchten Anleitung zur Kunstkritik zu geben;
in der Neuzeit Karl Eugen Schmidt in Paris in
dem Schriftchen: „Der perfekte Kunstkenner",
Berlin (1906). Schon die schelmische Vignette
des Umschlags verrät, daß der Kritikaster im
Innern sich herzlich freut, wenn es ihm ge-
lingt, seine Zuhörer zu blenden. Diese Ten-
 
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