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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Wulff, Oskar: Der Madonnenmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0129

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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ei der starken Belebung, die das
Interesse für die Kunst des Tre-
cento neuerdings erfahren hat, er-
scheint es als dankbare Aufgabe,
die Spuren eines anonymen Meisters zu ver-
folgen, in dessen noch nirgends vollständig
zusammengestellten Werken uns eine der liebens-
würdigsten, wenn auch nicht bedeutendsten
Künstlerpersönlichkeiten der letzten Jahrzehnte
des XIV. Jahrh. entgegentritt. In blendender
Frische der Farben, deren Echtheit ein paar
unausgebesserte Sprünge und unzählige kleine
Schäden bestätigen, prangt sein Hauptwerk
noch heute an der Stätte seiner ursprüng-
lichen Bestimmung, — auf dem Altar des
Oratoriums der hl. Katharina bei Antella
{s. Abb. 1) unweit von Ripoli. Waren die
Fresken Spinellos hier noch bis in die acht-
ziger Jahre unter einer späteren Tünche ver-
borgen, so scheint das Triptychon der Ma-
donna mit dem hl. Laurentius und dem Apostel
Andreas vor den Augen aller früheren Besitzer
Gnade gefunden und seinen Platz nie ver-
lassen zu haben. Daß wir jedenfalls eine alte
Stiftung für die Kapelle vor uns! haben, be-
weist ein wohlbekanntes, am Sockel der beiden
äußeren Rahmenpfeiler gemaltes Wappen. Die
gekreuzten silbernen Ketten im blauen Felde —
heute geschwärzt, — gehören dem edlen
Geschlecht der Alberti. Kein andrer also
als Messer Benedetto, der liberale Volks-
freund, der, aus Florenz verbannt, in seinem
zu Venedig im Juli 1387 aufgesetzten testamen-
tarischen Codizill den Auftrag zur Vollendung
des Freskenschmuckes gab, kann der Stifter
des Altarbildes sein. Starb er doch ein Jahr
später in Rhodos auf der Rückreise aus Palä-
stina und wurden doch seine Güter unmittelbar
darauf beschlagnahmt und verteilt.s) In die
70 er bis 80 er Jahre weist auch der Stil des
Gemäldes. Es muß vor Benedettos Weggang
dagewesen sein, denn im Testament wird kein
Auftrag dafür gegeben. Es ist auch nicht eine
Arbeit Spinello Aretinos, mit dessen Art weder
die Madonna und das Kind noch die beiden
Heiligen nähere Verwandtschaft zeigen.

]) L. Passerini, „Gli Alberti diFirenze" II, p. 186;
-vgl. A. Schmarsow, »Festschrift zu Ehren des K.
iist. Instituts in Florenz«, S. 30.

Der Madonnenmeister.

Ein sienesisch-florentinischer Trecentist.

(Mit 5 Abbildungen.)

Daß der Stifter auch für den Altarschmuck
seiner Kapelle nur eine hervorragende Kraft
in Anspruch genommen haben wird, dürfen
wir andrerseits als sicher betrachten. Und
seine Wahl ist leicht zu verstehen, da wir den
Anonymus in allen erhaltenen Werken aus-
schließlich als Madonnenmaler kennen lernen.
Als solcher muß er eine Beliebtheit genossen
haben, wie in späteren Zeiten ein Fra Filippo
oder ein Perugino. Die weiche Schönheit der
Mutter zu erfassen und in die Beziehungen
zwischen ihr und dem Kinde ein Sentiment
zarter Innigkeit hineinzulegen, ist ihm als
ersten in der Arnostadt gelungen. Wie sich
die beiden Figuren auf unserem Triptychon
ineinander schmiegen, das ist in der Harmonie
der Komposition im Trecento in Florenz nicht
übertroffen worden. Wie drängt sich der
Knabe mit fragendem Blick zum Antlitz der
Madonna hin, auf deren Knie und Schoß er
—, freilich in ebenso unkindlicher wie echt
trecentistischer Weise, — ziemlich fest aufsteht,
währehd'die beiden Händchen fast4 unbewußt
in ihren Schleier greifen. Wie sorglich ist die
Mutter bemüht, ihn mit dem Ende ihres Man-
tels zu umhüllen, während sie ihn sanft mit
der Linken stützt. Und diese schmale, feine
Frauenhand, wie anmutig weiß sie zu fassen.
Während aber die ganze Haltung Sorge für
den Liebling ausdrückt, geht ihr Blick doch
über ihn hinweg und ruht milde auf dem
Beschauer. Das Gefühl andächtiger Hingebung
muß diesen ergreifen beim Anschauen des
holden Frauenantlitzes mit den feinen Linien
der Brauen und der schmalen Nase, mit den
weichen Lippen und den tiefen Augen, das
vom gewellten Haar in lichtestem Gelbblond
umrahmt wird und als dessen Abbild das
dunkeläugige Kinderköpfchen mit dem weiß-
blonden Seidengelock erscheint. Unwillkürlich
falten und kreuzen sich die Hände der beiden
Engelpaare, die sich zu beiden Seiten, auf
Wolkenfetzen emporstrebend, in rein flächen-
hafter Beziehung anschließen, während zwei
höher schwebende von kleinerem Maßstab
mit beiden Händen die schwere Zackenkrone
über dem Haupte der Madonna emporhalten
und aus der Spitze des gotischen Rahmen-
bogens die Taube herabschwebt. Auch diese
 
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