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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Bone, Karl: Grenzen der christlichen Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0196

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311

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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denen man oftmals nach Gründen zu fragen
geneigt sein könnte — wenn z. B. der Mantel
grün erscheint —, so gibt es doch Farben,
gegen die, und seien sie noch so schlicht, ernst
und sonst glaubhaft, der Pinsel des christ-
lichen Künstlers bei einer Darstellung Maria
sich sträuben würde, wenigstens bis in unsere
Tage gesträubt haben würde. Ist dieses Sträuben
berechtigt? berechtigt unter allen Umständen?
Das wird kaum jemand behaupten wollen.
Gibt es Grenzen in diesem Punkte und in so
zahllosen verwandten Fällen? und wie sind
die Grenzen zu bestimmen? So aus dem
Denken heraus wird sich das nicht entscheiden
lassen; eine Entscheidung kann eher gesucht
werden, wenn wir zusehen, was bisher ge-
schehen ist und was jetzt geschieht; beides
kann uns eine Ausstellung vermitteln. Wenn
aber die traditionellen Farben der Gewänder
in künstlerischen Darstellungen, auch wo dar-
über nichts feststeht, eine solche Zähigkeit
zeigen, wieviel wichtiger ist die Kenntnis und
Anwendung alles dessen, was festen historischen
Untergrund hat, oder als unveräußerliches
Attribut gilt, oder gar dogmatische Beziehungen
hat! Und es gibt außerordentlich vieles von
dieser Art, was für die christliche Kunst im
engsten Sinne dauernd oder zeitweise maß-
gebend geworden ist. Wo es zeitweise der
Fall war, haben sich leicht Kriterien für Zeit-
bestimmung daraus entwickelt. Wie hat z. B.
die Darstellung des Kruzifixus ihre Geschichte!
Schon hieraus sieht man aber auch, daß für
die christliche Kunst in diesem Sinne die kon-
fessionellen Unterschiede sich in sehr vielen
Punkten geltend machen müssen, und die
Geschichte lehrt, von wie großer Bedeutung
derartiges oftmals gewesen ist. Niemand kann
und wird leugnen, daß für diese kirchliche
Kunst, die oft schlechthin als christliche Kunst
bezeichnet wird, die katholische Kirche Schöpfe-
rin, Erhalterin und Leiterin gewesen ist. Die
orientalische kirchliche Kunst erstarrte früh-
zeitig für lange Zeit mehr oder minder in den
byzantinischen Formen und hat an der ganzen
großartigen Entwicklung der christlichen und
aller Kunst im Mittelalter durch den roma-
nischen und gotischen Stil hindurch nicht
Anteil genommen. Aber gleichwohl ist sie
heute nicht mehr, was sie vor mehreren Jahr-

hunderten war. Sie hat Aufschwung und Ent-
wicklung bekommen und befriedigt ihre An-
hänger. War diese Entwicklung eine selb-
ständige und freie in christlichem Sinne? Hat
sie von anderer profaner oder christlicher
Kunst entlehnt? Kann ihr eigenartiger Fort-
schritt auch anderer christlicher Kunst zugute
kommen? Die Anschauung der früheren und
jetzigen Werke kann das lehren, und eine
christliche Ausstellung kann diese Lehre ver-
mitteln und beleuchten.

Lange vor der Reformation war die eigent-
liche Schöpfung der christlich-kirchlichen
Kunst abgeschlossen und war auch bereits all-
seitig in so feste Bahnen und Wege geleitet
worden, daß ihr Kreis im wesentlichen für
damals und vielfach weit über diese Zeit hin-
aus als geschlossen angesehen werden kann.
Was etwa noch hinzukam, bewegte sich durch-
aus in diesen Bahnen und half einen außer-
ordentlich festen Boden schaffen. Was die
Künstler des XVI. Jahrh. und auch in der
Folge katholische und nichtkatholische Künstler
von christlicher Kunst geschaffen haben oder
schaffen wollten, erkannte entweder diesen
traditionell gefestigten Boden an, oder es wich
absichtlich oder unbewußt davon ab.1) Indem
freilich die orientalische christliche Kunst außer
aller Berührung mit der lebendigen christlichen
Kunst stand, und bei der lange mit Zähigkeit
festgehaltenen Abneigung der verschiedenen
protestantischen kirchlichen Gemeinschaften
und Landeskirchen gegen bildliche Darstel-
lungen alles, was nicht katholisch-christliche
Kunst war, sehr zurücktrat — und wieviele
Konvertiten erstanden unter den nichtkatho-
lischen Künstlern, sobald sie sich mit der
Innerlichkeit, die dazu erforderlich war, der
Schöpfung christlicher Darstellungen zu-
wandten! — so behielt im großen und ganzen
die katholische Kirche die Führung. Aber im
einzelnen ging doch manches seinen eigenen
Weg, manches unvermerkt, manches aber auch
aus bewußten Gründen. Die Sache blieb dann
oft genug bestehen, Ursprung und Gründe
gerieten in Vergessenheit.

(Fortsetzung folgt.)
Düsseldorf. Karl Bone.

2) Die Bemerkungen zum umstehenden Bilde folgen
im nächsten Hefte.
 
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