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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Kolberg, Josef: Ein mittelalterlicher Flügelaltar der Pfarrkirche zu Braunsberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0018

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11

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

12

Ein mittelalterlicher Flügelaltar der Pfarrkirche zu Braunsberg-.

(Mit Abbildung.)

n mittelalterlichen Altären ist Ost-
preußen arm. Konfessionelle Ab-
neigung gegen diese Zeugen
katholischen Kults in dem pro-
testantischen Teile der Provinz, unverständiger
Kunstgeschmack in dem katholischen Teile,
oft beides zusammen hat ziemlich schonungs-
los mit diesen altehrwürdigen Denkmälern
deutschen Kunstfleißes aufgeräumt. Die Pfarr-
kirche zu Braunsberg besitzt noch zwei solche
Altarwerke, einen Schnitzaltar, auf welchen
wir vielleicht später einmal die Aufmerksamkeit
der Leser hinlenken dürfen, und einen ge-
malten Flügelaltar, welchen wir hier in Bild
und begleitendem Worte vorführen.

Seine Entstehung verdankt der Altar, ein
Flügelaltar mit doppelten Flügeln, dem frommen
Sinn des aus Braunsberg gebürtigen Leipziger
Professors und ermländischen Domherrn Tho-
mas Werner. 1503, am Tage Valentini,
bezeugten der Domherr Baltasar Stockfisch
zu Frauenburg, der Gutstädter Domdechant
Mathias Geidaw und der Bürgermeister der
Altstadt Braunsberg Urban Kroll als Testa-
mentsvollstrecker des verstorbenen Magisters
Thomas Werner, daß Frau Barbara Zander,
Witwe des Herrn Bürgermeisters Zander von
Loyden, aus dem ihrem Manne von Werner
früher geliehenen Gelde im Betrage von
157 Mark 9 Schilling und 2 Pfennigen „vff
dy Touffel dy gekefft ist worden yn dy Capelle
vnszer Üben frawenn" 50 Mark und 3 Schilling
bezahlt habe. Wir dürfen diese in den Brauns-
berger Ratsakten erhaltene Notiz zweifellos
auf diesen Altar beziehen. In der Kapelle
unserer lieben Frau hat er bis auf den heutigen
Tag seine Aufstellung gehabt, wenngleich er
zu Ende des XVII. Jahrh. bei Seite gerückt
wurde, um einem moderneren Werke Platz
zu machen; erst seit wenigen Jahren hat er,
mehrfach ergänzt, mit seinen durch Maler
Bornowski in Elbing möglichst sorgfältig restau-
rierten Tafeln wieder seine alte Ehrenstelle
eingenommen.

Als ein Altar zu Ehren Mariens erweist
er sich auch durch seine Bilder. Der Mittel-
schrein zeigt überlebensgroß die blaugewandete
Madonna auf dem Halbmond in ovalem, gold-
strahlendem Glorienschein. Auf ihrem Arm
trägt sie- das unbekleidete Jesuskind, welches

einen Rosenkranz von roten Perlen in der
Hand hält. Zwei Engel halten eine Krone
über ihrem Haupte, vier andere, zum Teil
mit kreuzweis über der Brust zusammen-
gelegten Diakonalstolen angetan, musizieren
auf Orgel, Gitarre und Geige zum Lobe der
Himmelskönigin. Zu ihren Füßen kniet rechts
der Stifter, links seine Mutter. Beide bekunden
sich durch die Rosenkränze in ihren Händen
nachdrücklich als Verehrer Mariens. Ein
Spruchband bei Thomas Werner trägt die
Worte: Maler Dei memenlo mei, ein gleiches
Band neben der Mutter enthält dieselbe Bitte
in deutscher Sprache: ,,0 dv mvder godes
bidde got vor mich." Während bei der mit
übermäßig langem Unterkörper gezeichneten
Gestalt Marias ähnlich wie bei manchen
Köpfen auf den Flügeln des Altars das starke
Vorspringen der Backenknochen und die un-
verhältnismäßig hoch und breit gezeichnete
viereckige Stirn unangenehm wirkt, zeichnet
sich, soweit sich das nach der stattgehabten
Restauration beurteilen läßt, das Jesuskind
durch sein rundliches, freundliches Gesicht
wie durch das weiche Gefüge des ganzen
Körperchens aus. Den Erdboden hat der
Maler mit fein gemalten Blumen bedeckt.
Löwenzahn, Erdbeere, Maiglöckchen sind als
solche deutlich erkennbar: sinnige Natur-
betrachtung hat von den durch den Handels-
verkehr eng befreundeten Niederlanden her
ihren Weg bereits in die preußischen Hansa-
städte gefunden.

Die Innenseiten der Flügel zu beiden
Seiten des Mittelbildes zeigen die herkömm-
lichen Szenen aus dem Marienleben, Ver-
kündigung, Geburt Christi, Anbetung der
Weisen und Himmelfahrt Maria. Die Dar-
stellung entspricht der im Mittelalter üblichen.
Maria am Betpulte knieend und aus einem
aufgeschlagenen Buche betend empfängt die
Verheißung des von links herantretenden, in
ein tiefrotes, mit Granatapfelmuster geziertes
Pluviale gehüllten, als Himmelsbote durch das
mächtige Szepter gekennzeichneten Engels;
ihre Seelenreinheit ist gesinnbildet durch die
neben dem Pulte in einer Vase blühende
Lilie. Im Hintergrunde des stillen Kämmer-
leins erscheint ein roter Betthimmel. — Auf
der Geburt Christi, bei der Maria knieend
 
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