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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Sirén, Osvald: Anmerkungen zu Dr. Oskar Wulffs "Madonnenmeister"
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Wulff, Oskar: Replik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0025

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25

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

26

Agnolos zu nennen, gleichviel, ob er in Siena oder
Florenz geboren war ■— eine Frage, die wohl auch
Dr. Wulff nicht ohne Dokumente entscheiden will.
Um den sienesischen Einfluß bei diesem Meister zu
beleuchten, würde eine Charakteristik der meisten
Florentiner Maler dieser Zeit nötig sein — sie standen
alle mehr oder weniger im Bann desselben Einflusses —
aber da hiertür längere Ausführungen, als die Zeit-
schrift mir gestatten könnte, nötig wären, so be-
schränke ich mich jetzt auf die Darlegung einer wich-
tigen Stütze dafür, daß der Anonymus, „Madonnen-
meister", wirklich Agnolos Schüler war.

Hätte Dr. Wulff das Bild in der Capella del
Crocifisso in San Miniato al Monte, das eine Art
Verdeckung für das hl. Kruzifix des S. Giovanni
Gualberto bildete, näher studiert, würde er es wohl
auch als ein Werk seines Meisters aufgenommen haben.
Es stellt die Verkündigung, sieben Passionsszenen,
S. Giovanni Gualberto und S. Miniatus dar. Die zwei
Heiligen zeigen so nahe Verwandtschaft mit dem ge-
wöhnlichen Typus des Anonymus, daß sein Mitwirken
in diesem Bilde deutlich hervortritt. Die Verkündigung
und die kleinen Passionsszenen sind aber vielleicht etwas
besser in Qualität, als die meisten Werke des Anonvmus.

Es ist von Berti in seinen ,,Cenni storico-artistici
di S. Miniato al Monte" (Firenze 1850) nachgewiesen
worden, daß ein Bild für diese Kirche bei Agnolo
Gaddi bestellt winde, für das er die ersten Bezahlungen
in den Jahren 1394 und 1395 erhielt, und nach seinem
Tode im 1396 wird das Restierende (50 Fiorinen) seinem
Bruder Zanobi Gaddi „per le Rede di Agnolo" ausbe-
zahlt. Berti will dieses Bild mit dem bekannten Bilde
des S. Miniatus identifizieren; das ist aber ein über-

schmiertes Werk aus dem Beginn des XIV. Jahrh., das
auch schon von Dr. Suida in Zusammenhang mit dem
Cäcilienmeister gestellt wurde. Da aber das Bild in
der Cappella del Crocifisso Agnolos Schule in über-
zeugendster AVeise aufweist, so ist es sehr wahrschein-
lich, daß die von Berti mitgeteilten Bezahlungen ai>
Agnolo und Zanobi Gaddi eben diesem Werke gelten.

Dadurch erhalten wir auch eine feste Stütze für
die Datierung des Oeuvres dieses Meisters, der noch
nach Agnolos Tod in dem Atelier des Meisters arbeitete:
seine Wirksamkeit gehört den letzten Dezennien des
XIV. und den ersten Dezennien des XV. Jahrh. an.
Es liegt kein zwingender Grund vor, das Bild in
Antella in die 70 er bis 80 er Jahre zu verlegen,
wie Dr. Wulff es tat — wahrscheinlicher ist es,
daß es erst nach der Ausführung der Fresken von
Spinello aufgestellt wurde, d. h. kaum vor 1390. Es
ist eines der besten seiner Bilder und folglich eines
der ersten, denn bei diesem Meister wie bei allen
den schwachen Spättrecentisten geht die Entwicke-
lung nicht aufwärts, sondern immer niederwärts, je
älter sie werden — trotz allen den wertvollen künst-
lerischen Eigenschaften, die sein feinfühliger Erklärer
in seinen Werken sieht.

Vielleicht wird es noch Dr. Wulff interessieren,
Madonnen von seinem „Madonnenmeister" im Eouvre,
bei Dr. Lanz in Amsterdam, bei Corsi in Florenz
(wo auch ein großes Trinitätsbild von ihm hängt) wie
auch das Kruzifix in Sesto Fiorentino, Heiligen in Jarves
Coli. New Haven U. S. A. usw. zu untersuchen. Seine
Werke sind zu verbreitet, um sie alle im Gedächtnis
zu behalten.

Stockholm. Osvald Siren.

Replik.

[ ä«, aß Siren zu meinen Ausführungen über den
| X2i „Madonnenmeister" früher oder später einmal
Stellung nehmen werde, habe ich erwartet, daß er
aber uneingeschränkt bei seiner Auffassung verbleibt,
gegen die ich mich nur beiläufig gewandt habe, über-
rascht mich. Seine Entgegnung berührt freilich keinen
der entscheidenden Punkte, weder den besonderen
Stilcharakter des Bildes in Empoli, das von Italienern
(Giglioli, Empoli artistica, p. 70 [n. 19]) geradezu
für sienesisch gehalten und dessen Zugehörigkeit unab-
hängig von mir auch von einem Fachgenossen erkannt
wurde, noch die deutliche Beziehung des Triptychons
von Antella zur Richtung Orcagnas, noch das an dem-
selben befindliche Wappen des Alberti. das den Aus-
gangspunkt für jede methodische Untersuchung bilden
mul3, da es wegen der bekannten Umstände eine
Datierung des Werkes nach 1387 verbietet. Statt dessen
sucht Siren in der Tafel von S. Miniato einen anderen
chronologischen Anhaltspunkt, den ich für eine nichts
weniger a's „feste Stütze" halten kann. An sich
könnte der Meister wohl nachträglich (keinesfalls
als Schüler) Werkstattgenosse Agnolo Gaddis geworden
sein, aber da wir von ihm drei (bis vier) große Altar-
werke (Antella,Perugia, K.Friedrich Museum und Bargello)
von eigenartigem Gepräge besitzen, bleibt auch das un-
wahrscheinlich und die Identifizierung jener Tafel mit

dem bei Agnolo bestellten Bild eine ganz unsichere Ver-
mutung. Als ich die mir bekannt gewordenen Arbeiten
des Anonymus zusammenstellte, habe ich dieselbe
nicht mehr in Angenschein genommen, sie ist mir
jedoch so deutlich in der Erinnerung, daß ich keine
ernstlichen Bedenken gegen ihre Zuweisung an ihn
zu erheben hätte, für die derselbe Kollege auch schon
brieflich eingetreten ist. Siren selbst erkennt diesem
Werk eine „etwas bessere Qualität" zu, und es besitzt
in der Tat den Vorzug eines reichen und harmonischen
Kolorits, der den Meister allein schon vor den eigentlichen
Spättrecentisten auszeichnet. Wie hoch man im übrigen
seine persönliche Bedeutung einzuschätzen hat, das hängt
aber sehr wesentlich davon ab, ob er wirklich im Sinne
Sirens der jüngsten Generation zuzurechnen oder un-
gefähr als Agnolos Altersgenosse anzusehen ist, dem
gerade eine Reihe dem ganzen Kreise gemeinsamer
Züge ursprünglich zu verdanken ist. Daß seine älteren
und besseren Werke dessen Einfluß in viel schwächerem
Grade aufweisen, spricht gegen das Schülerverhältnis.
Daß ich ihn den „Madonnenmeister'' genannt habe, nicht
weil er, „wie alle seine Zeitgenossen, am meisten
Madonnen malt", — was übrigens bei den führenden
Meistern derFreske nicht einmalso ganzzutrifft,—sondern
weil er in den Gegenstand einen neuen Empfindungs-
gehalt hineinzulegen wußte, das hat Siren im Grunde
 
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