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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Vier kölnische Reliquienbüsten der Hochgotik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0030

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Abhandlungen.

Vier kölnische Reliquienbüsten der .
Hochgotik.

(Mit 4 Abbildungen, Tafel ITI.)

. eliquienbüsten waren im Kölner
Kunsthandel der 70 er und
80 er Jahre keine ungewöhn-
lichen Erscheinungen, so daß
sie, nicht besonders begehrt,
und bewertet, keine großen
Opfer verlangten. — Dem-
selben entstammen die vier hier abgebildeten
merkwürdigen Exemplare, wie die übrigen 24,
die sich in meinem Besitze befinden. — Wohl
nirgendwo sind diese Brustbilder, deren Köpfe
in der Regel ausgehöhlt sind, um den, oft reich
geschmückten, Heiligenschädel aufzunehmen
und unter einer dünnen, die Haare imitieren-
den, im Scharnier beweglichen Holzklappe zu
bergen, so zahlreich angefertigt worden, (zumeist
in Holz geschnitzt und polychromiert, nicht
selten in Metall getrieben und zum Teil ver-
goldet), als gerade im heiligen Köln, von wo
die Reliquien, namentlich die Schädel vom
Marterfelde der Ursulanischen Jungfrauen und
der thebaischen Legion weithin begehrt wurden,
am liebsten in der so charakteristischen Büsten-
form (meistens ohne Hände), die für den
Schädel, wie für kleinere Gebeine die würdigste,
dem Kultus angemessenste Fassung bot. —
In die Nischen der Altaraufsätze des späteren
Mittelalters (z. B. St. Klarenaltar und Flügel-
altar in Marienstatt) wie der Reliquientafeln
und -Schreine (z. B. in St. Ursula zu Köln)
aufgenommen, oder auch zu besonderer Ver-
ehrung auf Altären und Konsolen frei auf-
gestellt, zählen sie zu den lieblichsten Blüten,
welche die Heiligenverehrung in dieser Periode
namentlich in den Rheinlanden getrieben hat,
wo die Kölner Schule den Typus beherrschte,
in der Art der hier abgebildeten vier Beispiele,
die, aus Nußbaum, als dem in dieser Früh-
zeit besonders beliebten Material geschnitzt,
und polychromiert, ungefähr derselben Zeit
entstammen, der hier so glorreichen Epoche
der Hochgotik.

Die Ritterbüste (Abb. 1) 51 cm hoch,
unten 37. cm breit, bei einer Kopfstärke von
22 cm, wie der einzusetzende Heiligenschädel
sie verlangte, hat stark gewelltes, hinten auf-

gerolltes Haar und kurzen geringelten Bart,
die ursprünglich vergoldet waren. Im übrigen
zeigt das Antlitz noch die alte Karnation,
der Hals rötlichen gezackten Lederkragen, der
den versilberten Kettenpanzer abschließt, über
der flachen Brust, unter deren späterer Ver-
goldung noch mehrfach die ursprünglichen
Punzierornamente aufglanzvergoldetem Grunde
sich zeigen. Die beiden Vierpässe hatten
den Zweck, die in der Brusthöhlung ge-
borgenen Gebeine durchscheinen zu lassen.
Die Bischofsbüste (Abb. 2) 58 cm hoch,
unten 40 cm breit, bei 20 cm Kopfstärke, trägt
auf dem ausgehöhlten Kopf als Klappaufsatz
die Mitra, die in den Zwischenteilen weiß ge-
strichen ist mit eingestampften Sternchen, nach
außen rötlich lasiert mit Goldbörtchen. Auch
Kasel und Parura haben diese rote Lasierung,
das Angesicht die Fleischfarbe bei vergoldeten
Haaren. Dem Anfange des XV. Jahrh. dürfte
die wohlerhaltene Herme angehören.

Die Jungfrauenbüste (Abb. 3) 43 cm
hoch, 22 cm breit, 22 cm Kopftiefe, mit ver-
goldetem Rüschenschmuck am malerischen
Kopfschleier, zählt zu den seltensten und an-
sprechendsten ihrer Art. Wie ihr Kostüm,
so ist ihr Zierrat ungewöhnlich reich und in
der ursprünglichen Frische von großer Wirkung.
Die Haare sind vergoldet, und wie sie das
jugendliche Haupt mit seinen Schlitzaugen
und den roten Tinkturen entzückend ein-
rahmen, so kommen sie auf dem Rücken
strähnenartig unter dem Abschlußgekröse des
weißlichen Schleiers zum Vorschein. Den
auffallend tiefen Halsausschnitt besäumt eine
Reihe farbiger Gläser in Krallenfassung, und
punzierte Rankenzüge kommen mehrfach zum
Vorschein, auf der vergoldeten Brust, deren
Mitte ein ausgeschnitztes durchbrochenes Maß-
werkmedaillon schmückt mit den dasselbe
flankierenden Wappenschildchen der kölnischen
Familie Pallant.

Die andere Jungfrauenbüste (Abb. 4),
ist ganz ähnlich behandelt hinsichtlich des
Kopftypus und seiner Bemalung, des Haar-
wuchses und seiner Vergoldung, der Brust mit
ihren erheblichen Überresten punzierter Orna-
mente. Die breite durchbrochene Maßwerk-
borte reicht für die Unterbringung eines starken
Gebeines aus. Schnütgen.
 
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