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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Krankenversehkreuz des XV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0047

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Abhandlungen

Krankenversehkreuz des XV. Jahrh.

(Mit Abbildung, Tafel IV.)
Kunstversteigerung Garthe
Köln im Jahre 1877 ge-
lang es mir nicht, diesen
__ merkwürdigen liturgischen
Behälter (im Katalog unter
Nr. 2113 als „gotisches
Reliquiar" des XIII. Jahrh.
bezeichnetundaufTafel III
abgebildet) zu erwerben. Vor Monatsfrist aber
fand ich ihn zu Paris im großen antiquarischen
Betriebe wieder, von wo ich ihn in die Heimat
zurückbrachte. — Derselbe darf als ein Gegen-
stück bezeichnet werden zu dem hier (Bd. XX.
Sp. 193/194) veröffentlichten Vierpaßgefäß,
obwohl er hinter ihm wie hinsichtlich der
Form, so der technischen Ausführung nicht
unerheblich zurücksieht. Sehr verwandt ist
er hingegen den beiden dort erwähnten Kasten-
kreuzen, die sich im Schatze der St. Johannis-
kirche zu Lüneburg erhalten und im „Organ
für christliche Kunst" (Bd. X 198 und 199, 208
bis 210) illustrierte Beschreibung gefunden
haben, die allerdings zur Gewinnung einer ganz
klaren Vorstellung nicht ausreicht. — Sie
scheinen aus kreuzförmigen Eichenholzkästchen
zu bestehen, die mit schwarzem Leder über-
zogen und mit seitlich im Scharnier beweg-
lichem Metalideckel -geschlossen sind. Aus
Silber mit vergoldetem Rankengeästel um den
im Silber belassenen reliefierten Kruzifixus ist
der Deckel bei dem einen, aus Rotkupfer
mit silbernem Korpus bei dem anderen ge-
bildet, bei beiden noch die ursprüngliche ge-
stickte Bortenschnur erhalten, an der sie auf
der Brust um den Hals getragen wurden.
Die durch Zeichnung wiedergegebene Innen-
einrichtung des einen läßt oben vier quadra-
tische Fächer erkennen und in dem unteren
Kreuzbalken ein oblonges Fach, in dem ein
zylinderförmiges Gefäß mit kreuzbekröntem
Verschluß steht. Dieses Gefäß, welches offen-
bar das Krankenöl enthielt, erhebt die Ver-
mutung, daß es sich um einen Krankenverseh-
behälter handelt, zur vollkommenen Gewißheit,
so daß also die Miltelkapsel in einer besonderen
flachen Pyxis, wie sie sich mannigfach erhalten
hat, die hl. Eucharistie als Wegzehrung zu

bergen die Bestimmung hatte, während die
seitlichen Vertiefungen vielleicht die bei der
hl. Ölung zu verwendende Watte enthielten.
Diese an sich sehr würdige und handliche
Art der Aufbewahrung und Übertragung
für die Krankenprovision scheint während des
späteren Mittelalters, wenigstens in Nord-
deutschland, beliebt gewesen zu sein, da .sich
in dem einen Lüneburger Kirchenschatze deren
zwei Exemplare erhalten haben. — Freilich
sind mir auch aus dieser Frühzeit keine weiteren
begegnet, bis das hier von außen und innen
abgebildete Exemplar als alle Reminiszenz
wieder vor mir auftauchte.

Dasselbe ist 25 \ cm hoch, 19 cot breit,
5 cm tief, ganz aus Rotkupfer gebildet, also
mit Einschluß der unten im Scharnier beweg-
lichen, durch ihre vorzüglich erhaltene Feuer-
vergoldung glänzend wirkenden Deckplatte, aus
welcher das Kreuz als Halbrundstab heraus-
getrieben ist mit dem hochreliefierten Kruzi-
fixus. Dieser hat stark markierte Rippen,
breites Lendentuch in hochgotischem Gefält,
lange Haarsträhnen, strickartige Dornenkrone,
die sämtlich, mit Einschluß der hochgotischen
Majuskelinschrift, auf den Anfang des XV. Jahrh.
hinweisen. — Das Innere ist in fünf Teile zer-
legt durch die dem Kreuzmittel eingefügte Rund-
kapsel, die eine verschließbare Pyxis von 8 cm
Durchmesser aufzunehmen vermochte. Das
darunter befindliche 11 cm hohe Gefach bot
dem Ölgefäße ausreichenden Raum und in den
oberen Vertiefungen konnte Werg aufbewahrt
werden. Das obere Scharnier ermöglichte durch
leicht einführbaren Stift sichern Verschluß, so
daß die durch den seitlich, also an dem Quer-
balken, aufgelöteten Doppelschlilz geführte
Borte in zuverlässigster Art das Tragen um
den Hals gestattete.

Vielleicht haben liturgische Bedenken, die
an diesem für die hl. Eucharistie und das
Krankenöl gemeinsamen Autbewahrungsgefäß
Anstoß nehmen konnten, die weitere Ver-
breitung desselben gehindert, die freilich gegen
Ende des XVIII. Jahrh. erfolgte in der Form
viel kleinerer Kreuze, aber vor einem halben
Jahrhunderte wiederum aufhörte, nach der
erneuten kirchlichen Betonung der getrennten

Aufbewahrung.

Seil nütgen.
 
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