Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Endres, Joseph Anton: Eine Verkündigung in der ehemaligen Abteikirche von Karthaus-Prül
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0083

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
133

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

134

Eine Verkündigung in der ehemaligen Abteikirche von Karthaus-Prül.

(Mit Abbildung.)
m letzten Jahrzehnt ist in Regens-

g« «S bürg und seiner Umgebung eine
an #g^ Anzahl wertvoller, älterer Wand-
sSSJ maiereien wieder ans Licht ge-
bracht worden. Am bedeutendsten sind die
ausgedehnten Bilder in den Chorpartieen von
Prüfening. Sie sind auch die ältesten. An sie
reiht sich zeitlich das oben angekündigte Ge-
mälde von Prül. Mehrere beachtenswerte
Zyklen und Einzeldarstellungen aus der Zeit
vom XIII. bis zum Beginne des XVI. Jahrh.
fanden sich in der großartigen ehemaligen
Dominikanerkirche zu Regensburg. Schon vor-
her war man in der ehemaligen St. Ulrichs-
kirche, dem jetzigen Museum, auf umfang-
reiche Gemäldereste aufmerksam geworden,
die namentlich für die Kunstübung in der
zweiten Hälfte des XVI. Jahrh., aus der fast
keine Proben sich mehr erhalten haben,
charakteristische Beispiele liefern.

Die folgenden Zeilen wollen lediglich an
das Prüler Bild, das bisher nur wenigen Kunst-
historikern bekannt geworden sein dürfte,
einige Bemerkungen knüpfen.

Das Gemälde ziert das letzte südliche Bogen-
feld der dreischiffigen Hallenkirche zwischen
den beiden Westtürmen, in dem Raum über
der jetzigen Orgelempore. Es ist kaum anzu-
nehmen, daß es allein stand. War es aber
ein Glied und zwar, wofür die Wahrschein-
lichkeit spricht, das erste eines zusammen-
hängenden Zyklus, so verbirgt die jetzige
Tünche der Kirche ein großes und wertvolles
Werk frühmittelalterlicher Malkunst.

Der Meister unseres Werkes gehört ohne
Zweifel einer hochstehenden Kunstschule an.
Persönlich zeichnet ihn bei allem Anschluß
an die hergebrachte Kunstübung Originalität
und ein feines ästhetisches Gefühl aus.

Die Disposition des Bildes paßt er dem ge-
gebenen Räume an. Wo die Verkündigung
zuletzt in der mittelalterlichen Kunst von
einer architektonischen Umrahmung umgeben
worden war, war diese den beteiligten Per-
sonen entsprechend vielfach zweiteilig gebildet
worden.1) Davon weicht unser Künstler ab.
Er hat die bestimmte Absicht, der Haupt-

:) Vgl. Swarzenski, »Die Salzburger Malerei«
(Leipzig 1908), Tafel LV, 171; LXXIV, 244; CIX,
368; CXXIV, 416.

person die Mitte des Raumes anzuweisen.
Dementsprechend baut er auch die Architek-
tur, nicht das bescheidene Haus von Nazar-
reth, sondern eine tempelartige, mehrfach ab-
gestufte Anlage, in der Mitte des Bildes auf
und stellt Maria in den einen großen, über-
wölbten Raum des Hauses, das nach der Seite
des Beschauers offen ist. Nun galt es, die
beiden seitlich freigebliebenen Segmentteile
des Halbkreises auszufüllen. Der von links
kommende Verkündigungsengel war gegeben.
Der Maler stellt ihn vor das Haus, durch
dessen offenes Tor er seinen Gruß entbietet.
Was er in dem freien Räume rechts anbringt,
ist das Produkt seiner eigensten Erfindung und
läßt uns einen tiefen Blick tun in die Eigen-
art dieser Künstlerseele. Er ist offenbar ein
enthusiastischer Freund der Natur. Denn
indem er einen köstlichen Blumenständer mit
prächtigen Vasen und stilisierten Pflanzen, in-
dem er Vierfüßler und Vögel und einen für
seine Zeit wohl äußerst kunstreichen Spring-
brunnen mit Fischen malt, hat er Gelegen-
heit, uns an das ganze Reich der Natur, die
Pflanzenwelt und die Tiere, die sich auf der
Erde, im Wasser und in der Luft regen, zu
gemahnen.

Auf den ältesten Abbildungen in der
Priszilla-Katakombe war Maria sitzend, ohne
alle Beigabe dargestellt.2) Aber sehr früh er-
langte das Protevangelium Jakobi Einfluß auf
die Gestalt der Verkündigungsszene, nach dem
Maria die Botschaft erhielt, als sie eben
Wasser an der Quelle schöpfte und als sie, in
ihr Haus zurückgekehrt, Purpurwolle spann.
Letztere Auffassung war die populärere und
gewann die Oberhand. So sehen wir die Ver-
kündigung auf einem Elfenbein des Bischofs-
stuhles zu Ravenna aus dem VI. Jahrh.3)
Maria sitzt in einem Stuhle und hält die bei-
den Spindeln. Neben ihr steht der Korb mit
der Wolle. Mit kleinen Änderungen erhält
sich das Motiv durch das ganze Mittelalter
hindurch, wenn auch das Attribut des Buches

2) Kraus, »Real-Encyklop. d. ehr. Altertümer«,
(Freiburg 1886), 2, 935 (Abb. 517).

3) Venturi-Schreiber, »Die Madonna, das
Bild der Maria in seiner kunstgeschichtlichen Entwick-
lung bis zum Ausgang der Renaissance in Italien«,
(Leipzig, o. J.), S. 152.
 
Annotationen