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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Creutz, Max: Rheinische Goldschmiedeschulen des X. und XI. Jahrhunderts, [1]: Die Reichenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0099

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163

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — N>. 6.

164

Rheinische Goldschmiedeschulen des X. und XL Jahrhunderts.

I. Die Reichenau.

(Mit 4 Abbildungen.)

as X. Jahrh. brachte der Gold-
sclumedekunst die höchste Ver-
feinerung der künstlerischen Mittel.
Durch Byzanz und die griechischen
Klöster hatte eine verfeinerte Bildung jetzt
auch in Deutschland Eingang gefunden. Wäh-
rend in karolingischer Zeit Rheims1) den
Mittelpunkt einer reichen künstlerischen Tätig-
keit bildete, treten in ottonischer Zeit die
Klöster der Rheingegend: St. Gallen, die
Reichenau, Prüm, Trier, Echternach, Köln,
Essen in den Vordergrund. Die Tuotilotafeln
von St. Gallen vermitteln den Übergang vom
IX. zum X. Jahrh. Die Evangelisten des
Elfenbeines sind nach den Rheimser Goldreliefs
des Codex aureus in der Münchener Staats-
bibliothek geradezu kopiert.2) Auch die miß-
verstandenen Herzpalmetten von der Gold-
schmiedearbeit der Tuotilotafeln wurden von
den Randornamenten des Mailänder Paliotto
übernommen, deren Ursprungwieder auf griechi-
sche Vermittlung orientalischer Gewebeorna-
mentik (Aachener Elephantenstoff) zurückgeht.
In ähnlicher Weise mit dem Mailänder
Paliotto verwandt sind die Gestalten des von
Haseloff veröffentlichten Egbertpsalters. Die
gebückte Gestalt Bischof Egberts scheint ihren
Vorläufer in den Gestalten des heiligen Am-
brosius und des Meisters Wolfinius vom Mai-
länder Paliotto zu haben. Beiden gemeinsam
ist der enggestrichelte karolingische Gewand-
stil. Man vergleiche auch die eigentümlich
aufgerissenen Augen der Gestalten des Egbert-
psalters mit dem Christus auf dem Deckel
des Codex aureus. Im X. Jahrh. muß über-
haupt ein reger Verkehr zwischen Rheims
und der Rheingegend bestanden haben. Be-
kannt ist aus späterer Zeit der Briefwechsel
Bischof Gerberts von Rheims und Egberts von
Trier. Beissel3) hat die Vermutung ausge-
sprochen, daß auch Trierer Künstler in Rheims
tätig waren. Die überlegene Fähigkeit des
Rheimser Atelier wird jedenfalls im Anfange

') Vgl. Swarzenski, »Jahrbücher der Königl.
Preuß. Kunstsammlung 190v!«. „Hauptwerke: Der Pali-
otto in Mailand, der Codex aureus der Staatsbibliothek
und das Arnulfaltärchen der Reiche Kapelle in München".

*) Vgl. W. Vöge, »Rep. für Kunstw.« 1907.

3) »Stimmen aus Maria Laach*. XXVII. '260 ff.

des X. Jahrh. in lebendiger Tradition, später
als der Codex aureus nach Regensburg kam,
durch dieses direkte Vorbild gewirkt haben.
So kehrt die eigentümlich breite Kasten-
fassung seiner Steine wieder auf dem Reliquiar
Heinrichs IL in der Reiche Kapelle zu München
und es ist damit auch für die Goldschmiedekunst
der Zusammenhang von Rheims mit der wichtig-
sten Goldschmiedeschule des X. Jahrh., der
Reichenau, erwiesen. Die Gravierungen dieses
bisher immer als Regensburger Arbeit ange-
sehenen Reliquiars zeigen nämlich derartige
Verwandtschaft mit der von Vöge behandelten
und von Haseloff auf die Reichenau lokali-
sierten Malerschule, daß seine Entstehung auf
den gleichen Kunstkreis zurückgeführt werden
muß. Es darf als Ausgangspunkt der Reiche-
nauer Goldschmiedeschule betrachtet werden,
denn seine Darstellungen ermöglichen es, eine
Anzahl weiterer Arbeiten auf gleichen Ursprung
zurückzuführen. Zunächst kehren die gravier-
ten Evangelistendarstellungen in ähnlicher Weise
wieder auf dem Einband eines Evangeliars
des hl. Gozlin, Bischofs von Toul, im Schatze
der Kathedrale von Nancy, ein Beweis, daß sich
die Wirkung der Schule auch nach Westen
erstreckte, dann aber sind besonders wichtig
die Darstellung der Rückseite des Münchener
Reliquiars, die in einem Kranze von Scheiben
mit Halbfiguren der Tugenden auf einer silber-
vergoldeten Platte gravierte Darstellungen:
oben in einem Nimbus das Lamm Gottes,
aus einer Wunde blutend, von zwei Engeln
gehalten, darunter in der Mitte die Kirche
personifiziert durch eine weibliche Gestalt mit
Fahne, die in einem Kelch das Blut des
Lammes auffängt, zu ihren Seiten Melchisedech
und Aaron, und in der unteren Reihe das
Opfer Abrahams zeigt. Eine formal und
inhaltlich verwandte Darstellung zeigt ein
Tragaltärchen der ehemaligen Sammlung Spitzer,
heute im Cluny-Museum, (Abb. 1) die Dar-
stellung von Abrahams Opfer, ferner Melchi-
sedech und Aaron, dagegen abweichend Christus
in der Mandorla zwischen Petrus und Paulus
und in den Ecken die Hl. Blasius und Nikolaus.
Die Unterseite ist verziert wieder mit der
Darstellung des Agnus Dei und dann wie auf
der Randverzierung des Heinrichreliquiars mit
 
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