Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Creutz, Max: Rheinische Goldschmiedeschulen des X. und XI. Jahrhunderts, [2]: Prüm, Trier und Echternach
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0119

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
201

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

202

Rheinische Goldschmiedeschulen des X. und XL Jahrhunderts
II. Prüm, Trier und Echternach.
(Mit 6 Abbildungen.)
ie künstlerische Überlegenheit der

Rheinlande äußert sich im X. und
XL Jahrh. auch am Mittelrhein
in einer Anzahl von Arbeiten der
Goldschmiedekunst und Elfenbeinschnitzerei,
wie sie in keiner anderen Gegend, auch nicht
annähernd, in ähnlicher Vollendung hergestellt
werden konnten.

Prüm, Trier und Echternach treten hier
das Erbe der karolingischen Kunst an.

Aus der Sammlung Prümer Miniaturen,
die Stephan Beissel in dieser Zeitschrift5) be-
spricht, ist das Tropar der Pariser National-
bibliothek6) aus dem Ende des X. Jahrh. für
den Schulzusammenhang mit einer bekannten
Gruppe von Elfenbeinen von Wichtigkeit. Die
Lebhaftigkeit der Darstellung, die gestikulierende
Bewegung, die starke Betonung der Augen in
den einander zugewandten Köpfen, der per-
rückenartige Ansatz der Haare, die flüssige
malerische Behandlung des Faltenwurfs finden
ein unmittelbares Analogon in jener bekannten
Gruppe von Elfenbeinen mit Darstellungen
von Aposteln unter Arkaden am Quedlinburger
sogenannten Kasten Ottos L. den 3 Tafeln
im Nationalmuseum zu München und der
zugehörigen Tafel im Kaiser-Friedrichmuseum
zu Berlin. (Abb. 1.) Auch Vöge hat diesen
Zusammenhang erkannt und die Eigenheit des
Stiles „das Tänzerhafte, bis in die Finger-
spitzen Nachzuckende der Pose" treffend
charakterisiert.7) Die Münchener Elfenbeine
sind von größerer Vollendung in der Durch-
bildung des Körperlichen, auch der Falten-
wurf ist reicher und lebendiger. Der eigen-
artige Stil dieser Prümer Arbeiten birgt einen
Abglanz der Schule von Rheims aus karo-
lingischer Zeit. Ein von Swarzenski8) publi-
ziertes Elfenbein mit Darstellungen der Thomas-
szene und Himmelfahrt im Großherzoglichen
Museum zu Weimar zeigt ähnlich gestiku-
lierende Gestalten und den gleichen flattrigen
Gewandstil. Die charakteristischen Architek-

') Jahrgang 1906. Nr. 1. Sp. 11 ff.
e) »Bibl. nat. Suppl. lat.« 641.

7) »Beschreibung der Bildwerke der christlichen
Epochen«, II. Aufl. Berlin 1900. S. 23.

8) »Jahrbuch der Preuß. Kunstsamml.« 1902. H. IT.
Abb. 6.

turen des Prümer Tropars, die Turmaufbauten,
Mauern, Tore und Zinnen kehren auf dieser
Schnitzerei wieder. Besonders der eigentüm-
liche Dachaufbau im Vordergrunde der Thomas-
szene ist auf der Thomasszene des Prümer
Tropars ähnlich wiedergegeben. In allem
steckt zwar nur ein Rest der hohen künstle-
rischen Überlegenheit des Rheimser Ateliers,
aber der Zusammenhang ist unverkennbar.
Die eigentümliche Erregtheit der Gestalten,
der zackige Gewandstil ist hier wie dort vor-
handen. Als Dokument des weitgehenden
Einflusses der Rheimser Schule bilden diese
Elfenbeine ein wichtiges Bindeglied der künstle-
rischen Entwicklung.

Dieser Zusammenhang ist für die Gold-
schmiedearbeit am Ouedlinburger Kasten von
besonderem Interesse. In der Zeit um 1200
sind zwar erhebliche Renovierungen an Seiten-
wänden und am Deckel vorgenommen9;, wo-
bei jedoch die Filigranarbeit des X. Jahrh. zum
Teil unberührt blieb. An der Vorderseite
sind erhalten die Emailtäfelchen, die Filigran-
rosetten dazwischen (rechts und am Sockel)
und der zahnschnitt förmige Streifen darunter.
Das Filigran der Rückseite scheint vollständig
und gestattet vor allen die in Form von Laub-
werk organisch anstrebenden Filigranvoluten
von dem Wirrwarr des Filigrans um 1200 auf
Deckel und Schmalseiten deutlich zu schneiden.
Auf dem Deckel sind in Halbkreisen und
Dreiecken fein gewellte Akanthusdreiblätter
erhalten. (Abb. 2.) Die schnurartige Drehung
der Filigranfäden erinnert an Rheimser Gold-
schmiedearbeiten des IX. Jahrh. Der Quedlin-
burger Kasten zeigt ein überaus feines Ver-
ständnis für die Schönheit des Materials, das
hier besonders im Kontraste des Goldes und
Elfenbeines zum Ausdruck kommt.

Eine große Verwandtschaft mit den gewellten
Akanthusblättern des Deckels vom Quedlin-
burger Kasten zeigen ähnliche Bildungen an
der Krone der hl. Kunigunde in der Münchener
Schatzkammer. (Abb. 3.) Auch dieses, im

9) Nach einer Inschrift auf der Unterseite des Kastens
mit Niellodarstellungen von Heiligen und Stiftern um
Christus unter der Äbtissin Agnes II. (1184—1203),
vgl. Jean. J. Marquet de Vasselot, un Coffret
reliquaire du Trisor de Quedlinburg, Paris 1900.
 
Annotationen