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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Ein gemalter Kreuzweg um 1735
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0132

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Abhandlungen.

Ein gemalter Kreuzweg aus 1735.

(Mit Abbildung, Tafel IX.)

Anschluß an Kneller:
„G esc hichte der Kreuz -
wegandacht von den
Anfängen bis zur völligen
Ausbildung" (Ergänzungs-
heft 98 zu den „Stimmen
ausM aria-Laach", Herder
Mk. 3,50), sei hier in Abbildung und Be-
schreibung ein alter Kreuzweg geboten,
der in 14 Tafeln von 26'/2 cm Höhe, und
161/2cm Breite besteht, und vor etwa 12 Jahren
aus dem Nachlaß eines Münchener Bildhauers
von mir erworben wurde. Auf dünnen Eichen-
holzbrettchen in Öl gemalt, gemäß der Original-
unterschrift der I. und XII. Station, von Georg
F. Vischer in Landtstraeß 1735, bildet er eine
etwas dilettantenhaft und derb, aber mit Kom-
positionsgeschick, in harmonischer Kolorierung
und nicht ohne Empfindung ausgeführte Serie,
die besonders Interesse verdient durch den
Umstand, daß sie genau der jetzigen szenischen
Anordnung und Reihenfolge entspricht, für die
so alte Belege nur ganz spärlich erhalten sind.
Kneller beweist nämlich in seinem vortreff-
lichen Buch, welches die so beliebte Volks-
andacht, unter Benutzung eines reichen Quellen-
materials, zum ersten Male systematisch be-
handelt, daß der Kreuzweg, aus den bis in
die ersten christlichen Jahrhunderte zurück-
reichenden Jerusalem - Pilgerschaften hervor-
gegangen, im XV. und XVI. Jahrh. zu
den 7 Fußfällen des kreuztragenden Heilandes
ausgestaltet, erst im XVII. Jahrh., dank dem
Kreuzwegbüchlein des Priesters Bethlem,
zu den 14 Stationen ausgebildet ist, die im
XVIIL Jahrh. allmählich Ersatz boten für
die 7 Fußfälle, ohne sie ganz zu verdrängen.
Namentlich durch den Franziskanerorden
(dessen Stifter dem Kreuzträger so eng sich
anschloß) gepflegt, hat die Kreuzwegandacht
vor und nach solche Ausdehnung gewonnen,
daß dieselbe, mit großen Privilegien versehen
in die meisten Kirchen und religiösen Anstalten
Eingang gefunden, auch zu manchen Stations-
anlagen im Freien Veranlassung gegeben hat.
— Deswegen werden auch die Kirchenkünstler
durch die Ausführung von Stationen ganz

besonders in Anspruch genommen, mögen diese
als Steinreliefs in die Wand eingelassen, oder
als eingerahmte Holzgruppen an derselben
aufgehängt, oder auf dieselbe gemalt sein, bzw.
sie schmücken als Tafelgemälde, die all-
mählich eine sehr große Verbreitung gefunden
haben. — Hervorragende Maler, wie Führich,
Schraudolph, Klein, Feuerstein, die Beuroner,
haben durch ihre Entwürfe mehr oder weniger
wertvolle Beiträge vorbildlicher Art geliefert,
so daß sich für die einzelnen Stationen gewisse
Typen herausgebildet haben, ohne daß durch
sie der Erfindungsgabe und dem Ausdrucks-
vermögen der einzelnen Künstler Schranken
gesetzt werden. —■ Die Komposition wird zu-
nächst und zumeist durch die Form der Bilder
beeinflußt, ob sie, nach Maßgabe des für sie
vorgesehenen Platzes, die Breite oder die Höhe
betont, sodann durch die Anzahl der mit-
wirkenden Personen, ob sie, im Interesse der
monumentaleren Wirkung, auf das Mindest-
maß beschränkt oder, der größeren Anschau-
lichkeit wegen, stärker ausgedehnt wird. Auch
die Art der Behandlung des Hintergrunds,
ob er eintönig oder teppichartig, ob er land-
schaftlich oder architektonisch gelöst wird, ist
von wesentlichem Einfluß auf die Gruppierung.
— Diesen darf auf den hier abgebildeten Tafeln
ein gutes Zeugnis ausgestellt werden, indem
die 5 bis 7 Figuren auf jeden derselben gut
verteilt erscheinen, unter stetiger Hervorkehrung
der Haupthandlung, deren ausgesprochenen
Mittelpunkt überall der Heiland bildet. Hierbei
sind, mit Ausnahme der in dieser Hinsicht
typisch gebliebenen heiligen Personen, alle im
Zeitkostüm dargestellt, nicht nur die Soldaten,
sondern auch die Frauen; die den Hintergrund
bildenden Gebäude sind in den Barockformen
gehalten. — Hinsichtlich der den Stationen
beigelegten Privilegien sei noch bemerkt, daß,
gemäß der Unterschrift auf jeder Station, an
die I. wie an die XL, XII., XIIL, XIV. ein
„Vollkommner Ablaß" geknüpft ist, während
auf den übrigen, „7 Jahre Ablaß und 7 Quadra-
genen" verzeichnet sind. Die auf der Rück-
seite der IV. Station angebrachte Notiz: „Eine
Quadrage ist vierzig und die Aussätzung von
7 jähre und 7 Quadrage ist eine Zeit von sieben
jähr und siebenundvierzig Tage: Baptist Winter
1803" liefert dazu die Erklärung. Schnütgen.
 
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